Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Unruhe im Urlaubsparadies
Spanien war es gewöhnt, dass die Zahl der Besucher immer weiter steigt. Nun bleiben aber vor allem die Deutschen und die Briten aus. Woran liegt das?
Madrid An Spaniens bisher so sonnigem Tourismushimmel ziehen düstere Wolken auf. Die Zeiten der großen Wachstumssprünge der Urlaubsindustrie scheinen vorbei zu sein. Im Jahr 2018 stieg die Zahl der internationalen Feriengäste im spanischen Königreich nur noch um ein Prozent auf insgesamt 82,8 Millionen – im Vorjahr hatte es noch ein Plus von neun Prozent gegeben. Dies geht aus offiziellen Zahlen des Statistikinstituts Ine hervor.
Das Ende des Wachstums spiegelt sich noch stärker in der zurückgehenden Aufenthaltsdauer der Spanienbesucher: Nach Angaben des nationalen Reisebranchenverbandes Exceltur sank die Zahl der Übernachtungen im Jahr 2018, verglichen mit den vorherigen zwölf Monaten, um 21 Millionen. Viele Gäste sparen also, indem sie ihre Urlaubstage in Spanien verringern.
Ausgerechnet die Deutschen und die Briten – Spaniens wichtigste Besuchernationen – kehrten dem südeuropäischen Sonnenreich in den vergangenen Monaten den Rücken: Aus Deutschland reisten 2018 mit 11,4 Millionen Urlaubern 4,1 Prozent weniger Touristen an als im Vorjahr. Die Besucherzahl aus Großbritannien sank um 1,6 Prozent auf 18,5 Millionen. Bei den Schweizern, die bisher ebenfalls gern nach Spanien kamen, liegt der Rückgang sogar bei 8,5 Prozent.
Diese Verluste wurden zwar noch durch Zugewinne bei den Touristen aus den USA, Russland, Portugal und Italien wettgemacht. Unterm Strich hält sich Spanien so mit seinen nahezu 83 Millionen ausländischen Urlaubern im Ranking der belieb- testen Reiseziele der Welt auf Platz zwei: hinter Frankreich und vor den USA.
Aber wie lange noch? Im Jahr 2019, glaubt die spanische Reisebranche, werde das Geschäft mit Sonne und Strand weiter leiden. Die bisherigen Buchungszahlen für das laufende Jahr, die vielerorts unter jenen des Vorjahrs liegen, seien beunruhigend.
Der Trendwechsel macht sich auch auf den Baleareninseln, zu de- nen die Ferienparadiese Mallorca und Ibiza gehören, bemerkbar. Dort ist das Wachstum ebenfalls an seine Grenzen gestoßen: 2018 kamen 13,9 Millionen ausländische Besucher auf die Inseln. Das waren nur noch bescheidene 0,5 Prozent mehr als im Vorjahr – nach einem üppigen Plus von sechs Prozent 2017.
Vor allem bei den „Alemanes“, der traditionell mit rund einem Drittel aller Gäste stärksten Urlaubernation auf den Balearen, sinkt die Lust auf die berühmten spanischen Mittelmeerinseln: 2018 wurden auf Mallorca 2,7 Prozent weniger Deutsche gezählt. Auf den Nachbarinseln Ibiza, Formentera und Menorca waren es sogar rund zehn Prozent weniger.
Der mallorquinische Hotelverband Fehm spricht von einem „Zykluswechsel“. Mehrere Gründe werden angeführt: etwa die kräftige Erholung der Ferienindustrie konkurrierender Mittelmeerländer wie die Türkei, Tunesien und Ägypten, die mit großen Preisnachlässen locken. Auch das frühere Euro-krisenland Griechenland wirbt mit günstigen Angeboten und glänzt in Sachen Tourismus wieder mit zweistelligen Zuwachsraten.
Zudem belastet der Brexit das Geschäft. Und dies dürfte eher noch schlimmer werden. Der Eu-ausstieg Großbritanniens, Spaniens bester Tourismuskunde, könne dazu führen, dass so mancher Brite seinen Urlaub zu Hause verbringt. „Ein möglicher Wertverlust des britischen Pfunds wäre katastrophal“, warnte ein Sprecher des Reiseverbands Exceltur. Mit einer Abwertung des Pfunds könnte für die Briten eine Urlaubsreise ins Euroland Spanien teuer werden.
Aber vielleicht spielen bei der touristischen Konjunkturabkühlung in Spanien ja auch noch andere Faktoren eine Rolle. Zum Beispiel die wachsenden Proteste in Spanien gegen den Massentourismus. In den Urlaubshochburgen Palma de Mallorca und Barcelona bildeten sich Bürgerinitiativen, die vergangenen Sommer Urlauber mit Protestplakaten empfingen und lautstark gegen die Auswüchse des Fremdenverkehrs demonstrierten.