Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Hotel 4.0: Der Gast macht die Arbeit
Doch die Hotels schaffen den Spagat zwischen Kosteneffizienz und Service immer besser
Die Zukunft hat längst begonnen. Viele Reisende kämen gar nicht mehr auf die Idee, Flüge oder Hotels noch analog – via Telefon oder gar im Reisebüro – zu buchen. Das geht per Mausklick schneller und bequemer. Auch keine Herberge arbeitet heutzutage ohne digitale Prozesse rentabel. Im Hintergrund lassen sich etwa bei der Reservierung und dem Rechnungswesen enorme Kosten sparen und dank Datenanalyse lässt sich auch die Bettenauslastung optimal steuern. Von alledem bekommt der Gast natürlich nichts mit. Anders ist das beim Check-in und bei allen Abläufen, die unmittelbar mit ihm zu tun haben. Da setzt die Hotellerie bewusst auf die Mithilfe ihrer Kundschaft. „Niemand muss am Automaten einchecken“, verspricht der Gründer der Ruby Hotels, Michael Struck, in der Hotelfachzeitschrift
„innerhalb einer Minute hat der Gast seine Zimmerkarte“. Und das obwohl sich die kleine Stadtho-
AHGZ,
telkette, die erst seit 2013 existiert, dem sogenannten Lean Luxury verschrieben hat. Das heißt viel Komfort mit möglichst wenig Personaleinsatz. Machbar ist das, weil in den Hotels die mittlerweile online standardisierten An- und Abmeldevorgänge gleich mit der Ausgabe der digitalen Schlüsselkarte verknüpft wurden. Der Check-out entfällt ganz, da der Kunde ja bereits alle wichtigen Daten beim Onlinecheck-in hinterlassen hat.
Noch einen Schritt weiter geht die ebenfalls noch junge Budgetkette Prizeotel. Das vorzugsweise in Städten ansässige Hotelunternehmen, bekannt wegen seiner poppigen Einrichtung vom exzentrischen Designer Karim Rashid, spart sich die Ausgabe von Schlüsselkarten gleich ganz. Stattdessen fungiert das Smartphone via App als Türöffner fürs Zimmer und setzt über Bluetooth auch den Lift in Bewegung.
„Fastpass“nennen die spanischen NH Hotels ihr Konzept, das drei Fliegen mit einer digitalen Klappe schlägt: Neben dem elektronischen Check-in und -out haben Gäste die Möglichkeit, ihr Wunschzimmer zu reservieren. Bis spätestens zwölf Uhr des Anreisetags müssen alle relevanten Infos für die Anmeldung vorliegen, damit der Schlüssel bereit liegt. Gleichzeitig bekommt der Reisende unter „Choose your Room“die Optionen für seine Zimmerauswahl. Wie bei den Airlines gilt dabei das Windhundprinzip.
Vorreiter der Digitalisierung im Hotelgewerbe sind die großen Bettenkonzerne. Online Ein- und Auschecken, digitaler Zimmerschlüssel sowie Wunschzimmer online buchen – das gibt es alles schon längst bei Hilton. Vor allem die Stammkunden-app Hilton Honours bietet diese Vorteile. Derzeit baut das Unternehmen seine Apps zum multifunktionalen Tool um. Über das Smartphone lassen sich dann im Rahmen von „Connected Rooms“TV, Licht und Klimaanlage einstellen sowie Unterhaltung über Streaming-dienste in Anspruch nehmen. Und wer die Möglichkeiten des vernetzten Zimmers nicht über sein Smartphone laufen lassen möchte, der steuert alles über das Smart-tv.
Nicht nur das Smartphone gewinnt immer mehr an Bedeutung in der Hotellerie. Auch Tablets werden immer öfter von der Kundschaft auf den Zimmern erwartet. Nicht selten ersetzen sie jene Gästemappen, in denen ehemals neben Briefpapier die Preise für Zimmerservice genauso aufgeführt waren wie die Öffnungszeiten der Restaurants. Das Praktische daran: Wer einen Tisch im Hotelrestaurant buchen möchte, kann dies online erledigen genauso wie die Bestellung des Clubsandwich aufs Zimmer. Wer Ausgehtipps oder eine Wegbeschreibung benötigt, ist mit wenigen Klicks gleichfalls am Ziel. Zeitungen, Zeitschriften und andere Unterhaltung – ein Tablet kann viele Dienste liefern und dabei Personal sowie Kosten sparen.
Dank der gesammelten Daten über die Gäste ist ein geradezu beängstigend hoher Grad der Personalisierung möglich. Mit Accor hat einer der größten Hotelkonzerne der Welt ein Datenprogramm aufgelegt mit dem sperrigen Namen „Accorhotels Customer Digital Card“, abgekürzt ACDC. Das Tool ist mit dem Reservierungssystem verknüpft und erlaubt es jedem zu Accor gehörigen Haus – vom Fünfsterne-sofitel bis zur Budgetmarke Ibis – einzusehen, wer da absteigt, welche Gewohnheiten er hat, was er gerne isst usw. So sind ein individualisierter Service und eine persönliche Ansprache rund um den Erdball garantiert, und das Unternehmen gewinnt geldwerte Einsichten in das Gastverhalten.
Noch ambitionierter agiert die Hotelgruppe Marriott in Sachen Digitalisierung. Experimentiert wird zurzeit mit Amazons digitaler Sprachassistentin Alexa. Ob daraus wirklich guter Service wird, muss sich zeigen. Der hat nämlich zumindest in Sachen Datensicherheit bei Marriott seit Ende letzten Jahres erheblich gelitten, als der Hotelgigant zugeben musste, dass Hacker die Adressen und Bezahldaten von 500 Millionen Gästen abgesaugt hatten.