Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Vom Reiz der alten Instrumente
Weshalb die Blechbläser der Augsburger Philharmoniker bei Musik der Wiener Klassik gerne auf historische Hörner, Trompeten und Posaunen zurückgreifen
Eben erst waren sie wieder im Einsatz, letzten Sonntag in der „Zauberflöte“. Da konnte man sie hören, markant anders, knackiger schon in den ersten Akkorden der Ouvertüre. Und man konnte sie sehen, dank der ebenerdigen Aufstellung des Orchesters im Martinipark. Die Trompeten ohne die sonst typischen Ventile am Instrument; an den Hörnern keine Klappen; und die drei Posaunen auf den ersten Blick kleiner dimensioniert …
Immer wieder einmal greifen die Blechbläser der Augsburger Philharmoniker zu historischen Instrumenten. Historisch in dem Sinne, dass sie in der Bauweise jenen Instrumenten nachgeformt sind, welche im 18. und auch noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Gebrauch waren. Diese Trompeten, Hörner und Posaunen gelangen bei den Philharmonikern im Opernbetrieb etwa im Falle Mozarts zum Einsatz, aber auch im Sinfoniekonzert sind sie zu hören, bei Werken der Wiener Klassik, bei Haydn, Mozart, Beethoven & Co.
Die Verwendung historischer Instrumente ist ungewöhnlich bei einem traditionellen Sinfonieorchester wie den Augsburger Philharmonikern – Naturtrompeten und -hörner verortet man immer noch vorzugsweise bei den auf Alte Musik spezialisierten Originalklang-ensembles. Ungewöhnlich ist das umso mehr, als bei den Augsburgern die beiden anderen großen Instrumentengruppen, Streicher und Holzbläser, auf modernem Instrumentarium musizieren.
Es war unter der Ägide des ehemaligen Augsburger Generalmusik- direktors Rudolf Piehlmayer, vor mehr als einem Jahrzehnt also, dass Felix Winker, damals frisch als Solohornist nach Augsburg gekommen (und obendrein studierter Naturhornist), mit den Kolleginnen und Kollegen der Horngruppe auf alten Instrumenten zu experimentieren begann. Da auch in den anderen Blechbläsergruppen der ein und andere Musiker bereits Erfahrungen mit historischen Instrumenten gesammelt hatte, reifte die Idee, doch einmal ein Orchesterkonzert mit den alten Instrumenten zu wagen. Der GMD ließ sich gewinnen, und das Ergebnis war so überzeugend, dass man beschloss, den eingeschlagenen Weg weiterzuverfolgen und fürs Orchester auch eigene historische Instrumente anzuschaffen.
Naturinstrumente verfügen nicht nur über eine andere Bauart als ihre Nachfahren von heute, sie erfordern auch eine andere Spielweise, eben unter Einsatz der sogenannten Naturtonreihe (für Nicht-musiker eine Wissenschaft für sich). Entscheidend für den Einsatz dieser Instrumente aber ist ihr anderer Klang. „Die machen das übrige Orchester nicht so platt wie die modernen Instrumente“, sagt Bernd Maucher, Soloposaunist der Philharmoniker. Das gelte vor allem dann, wenn für die Blechbläser in der Partitur die Anweisung notiert ist, im Forte, also laut zu spielen. Die Orchestermusiker, die sowohl auf alten wie auf neuen
Blechblas- instrumenten spielen, sind sich einig, dass die Klangfülle auf den historischen Hörnern, Trompeten, Posaunen besser zu dosieren sei. „Gerade bei Mozart muss man sich sonst immer zurückhalten, muss piano spielen, selbst wenn der Komponist es anders in die Partitur geschrieben hat“, erzählt Maucher.
Das Regeln der Lautstärke ist das eine, ein anderes die Phrasierung, die Art und Weise, wie die Töne einzeln gestaltet werden. Felix Winker sagt, dass die alten Instrumente aufgrund ihres besonderen Klangs – schlanker, direkter, manchmal geradezu explosiv – eine größere Trennschärfe herbeiführten, was der Musik letztlich auch einen besonderen Drive mitgebe. Eigenschaften, die man bei heutigen, wieder am historischen Original ausgerichteten Interpretationen (und in Abgrenzung von der lange Zeit praktizierten romantisierenden Weichzeichnung) gerade bei den schnellen sinfonischen Sätzen eines Haydn, Mozart, Beethoven nicht mehr missen mag.
Es ist noch gar nicht so lange her, da war der Einsatz von Naturinstrumenten wegen der besonderen Tonproduktion – gerade Hornisten müssen auf dem Naturhorn nicht nur mit Atem und Lippen, sondern auch knifflig mit der Hand im Schallbecher ihres Instruments arbeiten – als unsichere Sache verschrien. Wer’s auf dem modernen Waldhorn zu nichts bringe, erinnert sich Felix Winker an eines der grassierenden Klischees, der versuchte es halt mit dem Naturhorn (weil da angeblich „naturgegeben“nichts Sauberes herauskommt). Diese Zeiten sind zwar vorbei. Doch war auch bei den Augsburger Orchesterblechbläsern die ein oder andere Skepsis zu überwinden. Posaunist Thomas Ehrmann erzählt, dass er sich zunächst nicht habe vorstellen können, in Mozarts Requiem das „Tuba mirum“-solo auf dem historischen Instrument zu blasen. Inzwischen tut er es aus Überzeugung und – vor drei Jahren zu hören – mit Bravour. Überhaupt staunt man ein ums andere Mal, wie sicher die Bläser der Philharmoniker auf ihrem alten Instrumentarium musizieren und wie nahtlos sie sich in das moderne Umfeld integrieren.
Die Musik des klassischen Zeitalters mit originalen Blechblasinstrumenten vorzutragen, „das“, sagt Posaunist Bernd Maucher, „gehört heute einfach dazu“. Auch bei anderen großen Orchestern sei das auf dem Vormarsch, weiß Felix Winker. Allerdings sei für die Philharmoniker, musikhistorisch gesehen, nach Beethoven Schluss, „wahrscheinlich sogar schon bei seiner 9. Sinfonie“. Überhaupt, ergänzt der Hornist, verstehe man den Einsatz alter Instrumente in Augsburg nicht als starres Prinzip: „Wir bieten das dem Dirigenten an, als klanglichen Mehrwert.“Bisher hat noch keiner der Generalmusikdirektoren das Angebot zurückgewiesen.
OAufführung Die nächsten Vorstellungen der „Zauberflöte“, bei denen die historischen Trompeten, Hörner und Posaunen zum Einsatz kommen, finden am 16. und 29. März statt.