Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Das Schweigen des Osram-chefs

Nachdem der Licht-konzern Verkaufsge­spräche mit Us-investoren eingeräumt hat, jagt nun ein Gerücht das andere. Olaf Berlien hält sich zurück und erntet dafür Kritik

- VON STEFAN STAHL

München Der drohende Einstieg von Finanzinve­storen verunsiche­rt Beschäftig­te und Aktionäre des Münchner Osram-konzerns. So sagt der Aufsichtsr­ats-vize des Konzerns, Michael Knuth, dieser Redaktion: „Die Mitarbeite­r machen sich Sorgen.“Am Rande der Hauptversa­mmlung des Unternehme­ns am Dienstag in München betont der schon lange für das Osramwohl kämpfende Ig-metall-gewerkscha­fter fast ein wenig resigniert: „Ich kann es nicht verhindern, dass Interessen­ten kommen.“

Der Licht-konzern hatte bekannt gegeben, dass die Us-finanzinve­storen Bain Capital und Carlyle Group einen gemeinsame­n Erwerb von bis zu 100 Prozent der Osramaktie­n erwägen. Nach Informatio­nen dieser Redaktion soll es weitere Investoren geben, die Appetit auf Osram haben. Darunter befinde sich, wie es in Finanzkrei­sen heißt, der angriffslu­stige schwedisch­e Geldgeber Cevian Capital. Für das Gerücht gibt es keine Bestätigun­g. Cevian hat sich in Deutschlan­d den Ruf eines aktivistis­chen Investors erworben, der das Management rasch massiv unter Druck setzt, so geschehen bei Thyssenkru­pp.

Bei Osram gilt das Rennen um die Macht weiter als offen. Es sei, so ein Insider, auch denkbar, dass ein Einstieg von Bain und Carlyle vorerst ausbleibe. Hinter den Kulissen heißt es aber: Es wäre gut, wenn ein Großinvest­or kommen würde. Dann könnte er Osram von der Börse nehmen und dem Konzern mehr Ruhe geben. Bekanntlic­h ist die Aktiengese­llschaft zum Spielball von Spekulante­n geworden. Der Börsenkurs war von knapp 80 auf zum Teil bis zu rund 30 Euro abgestürzt.

Nachdem öffentlich wurde, dass Bain und Carlyle Osram schlucken wollen, stieg der Wert des Osrampapie­rs auf Werte von zuletzt rund 40 Euro an. Derweil jagt ein Gerücht das andere. Mehr als ein Gerücht ist nach Recherchen dieser Redaktion, dass chinesisch­e Geldgeber einst an einem Einstieg bei Osram interessie­rt waren. Doch ein solcher asiatische­r Coup konnte verhindert werden – und zwar mit dem argumentat­iven Geschütz, Osramleuch­tdioden – kurz LEDS – steckten auch in militärisc­hen Produkten.

Chinesen kauften aber das klassische Osram-lampengesc­häft und führen es unter dem Namen Led- vance weiter. Dabei wurde das Augsburger Ledvance-werk dichtgemac­ht. Aufsichtsr­at Knuth macht nun klar: „Die Beschäftig­ten erwarten, dass sich Interessen­ten mit uns an einen Tisch setzen.“Der Gewerkscha­fter warnt schon mal: „Die Arbeitnehm­er werden nicht begeistert sein, wenn die Investoren lediglich einen schnellen Euro verdienen wollen. Das machen wir nicht mit.“

Neben den Beschäftig­ten wirken auch Anteilseig­ner verunsiche­rt. Daniela Bergdolt, Vize-präsidenti­n der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz, nimmt Anlei- hen aus der Tierwelt: „Ich sehe Haie um das Münchner Osram-hochhaus schwimmen.“Sie fragt Konzernche­f Olaf Berlien besorgt: „Sind Sie noch Herr der Dinge oder werden Sie gar nicht mehr gefragt?“

Die Osram-manager geben sich selbstbewu­sst. Aufsichtsr­atschef Peter Bauer beteuert: „Die grundlegen­de Strategie von Osram ist und bleibt richtig.“Das Unternehme­n sei jedoch einem technologi­schen Wandel ausgesetzt – weg von klassische­n Lampen hin zu Leuchtdiod­en. Bauer vergleicht den Wirtschaft­szweig mit der Fotobranch­e, die durch die Digitalisi­erung durchgerüt­telt wurde. Berlien selbst tritt selbstkrit­isch auf: „Auch ich bin mit dem Geschäftsj­ahr 2018 und dem Aktienkurs nicht zufrieden.“Osram habe sich ambitionie­rtere Wachstumsz­iele gesetzt. Doch diese seien nicht erreicht worden“, räumt er ein. Dann zieht Berlien vollends das Büßerhemd an: „Wir haben auch Fehler gemacht. Die Kritik an unserer Prognosequ­alität ist berechtigt.“

Hier spielt der Osram-chef auf zwei Gewinnwarn­ungen im vergangene­n Jahr an. In Belegschaf­tskreisen ist hier „durchaus von handwerkli­chen Fehlern die Rede“, folgte die zweite Gewinnwarn­ung doch nur rund zwei Monate nach der ersten. Im Interview mit unserer Redaktion hatte Berlien im Januar erneut für einen Rückschlag, was den Börsenkurs betrifft, gesorgt, als er feststellt­e: „Ich sehe dunkle Wolken für 2019 am Horizont aufziehen.“

In München gibt sich der Unternehme­ns-chef zugeknöpft­er. Zu den Gesprächen mit potenziell­en Investoren meint er nur: „Eine weitere öffentlich­e Diskussion dieses Themas wäre für die Verhandlun­gsposition von Osram nachteilig.“Aktionärss­chützerin Bergdolt ist empört: „Ich habe überhaupt kein Verständni­s dafür, dass Sie schweigen.“Berlien bleibt verbal enthaltsam und spricht lieber darüber, dass Osram mit seinen Produkten auch den Petersdom in Rom beleuchte. So erstrahlte­n Meisterwer­ke, die 500 Jahre buchstäbli­ch im Dunkeln lagen, in voller Schönheit. Noch bleibt also offen, wann Licht ins Osram-investoren-dunkel kommt. Hinter den Kulissen verlautet, es könne April werden. Einstweile­n freuen sich die Osram-aktionäre sicher über die Aussicht auf eine unveränder­te Dividende von 1,11 Euro je Papier.

Trotz aller Probleme ist der Konzern alles andere als ein Sanierungs­fall. Denn das Unternehme­n erwirtscha­ftete 2018 immer noch einen stattliche­n Gewinn nach Steuern von 141 nach 224 Millionen Euro im Vorjahr. Berlien hebt zudem die operative Rendite von annähernd 15 Prozent hervor. Dennoch werden am einstigen Vorzeige-standort Regensburg viele Arbeitsplä­tze abgebaut. Von rund 3000 Stellen sollen etwa 500 Jobs wegfallen. Dabei galt Regensburg mit seiner Led-produktion einst als Vorzeigewe­rk des Konzerns. Frühere Augsburger Osram-beschäftig­te blickten neidisch auf die Superfabri­k in der Oberpfalz.

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Foto: Matthias Balk, dpa Osram-chef Berlien wollte sich bei der Hauptversa­mmlung nicht weiter zu einer drohenden Übernahme des Konzerns durch Us-investoren äußern.

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