Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Das Schweigen des Osram-chefs
Nachdem der Licht-konzern Verkaufsgespräche mit Us-investoren eingeräumt hat, jagt nun ein Gerücht das andere. Olaf Berlien hält sich zurück und erntet dafür Kritik
München Der drohende Einstieg von Finanzinvestoren verunsichert Beschäftigte und Aktionäre des Münchner Osram-konzerns. So sagt der Aufsichtsrats-vize des Konzerns, Michael Knuth, dieser Redaktion: „Die Mitarbeiter machen sich Sorgen.“Am Rande der Hauptversammlung des Unternehmens am Dienstag in München betont der schon lange für das Osramwohl kämpfende Ig-metall-gewerkschafter fast ein wenig resigniert: „Ich kann es nicht verhindern, dass Interessenten kommen.“
Der Licht-konzern hatte bekannt gegeben, dass die Us-finanzinvestoren Bain Capital und Carlyle Group einen gemeinsamen Erwerb von bis zu 100 Prozent der Osramaktien erwägen. Nach Informationen dieser Redaktion soll es weitere Investoren geben, die Appetit auf Osram haben. Darunter befinde sich, wie es in Finanzkreisen heißt, der angriffslustige schwedische Geldgeber Cevian Capital. Für das Gerücht gibt es keine Bestätigung. Cevian hat sich in Deutschland den Ruf eines aktivistischen Investors erworben, der das Management rasch massiv unter Druck setzt, so geschehen bei Thyssenkrupp.
Bei Osram gilt das Rennen um die Macht weiter als offen. Es sei, so ein Insider, auch denkbar, dass ein Einstieg von Bain und Carlyle vorerst ausbleibe. Hinter den Kulissen heißt es aber: Es wäre gut, wenn ein Großinvestor kommen würde. Dann könnte er Osram von der Börse nehmen und dem Konzern mehr Ruhe geben. Bekanntlich ist die Aktiengesellschaft zum Spielball von Spekulanten geworden. Der Börsenkurs war von knapp 80 auf zum Teil bis zu rund 30 Euro abgestürzt.
Nachdem öffentlich wurde, dass Bain und Carlyle Osram schlucken wollen, stieg der Wert des Osrampapiers auf Werte von zuletzt rund 40 Euro an. Derweil jagt ein Gerücht das andere. Mehr als ein Gerücht ist nach Recherchen dieser Redaktion, dass chinesische Geldgeber einst an einem Einstieg bei Osram interessiert waren. Doch ein solcher asiatischer Coup konnte verhindert werden – und zwar mit dem argumentativen Geschütz, Osramleuchtdioden – kurz LEDS – steckten auch in militärischen Produkten.
Chinesen kauften aber das klassische Osram-lampengeschäft und führen es unter dem Namen Led- vance weiter. Dabei wurde das Augsburger Ledvance-werk dichtgemacht. Aufsichtsrat Knuth macht nun klar: „Die Beschäftigten erwarten, dass sich Interessenten mit uns an einen Tisch setzen.“Der Gewerkschafter warnt schon mal: „Die Arbeitnehmer werden nicht begeistert sein, wenn die Investoren lediglich einen schnellen Euro verdienen wollen. Das machen wir nicht mit.“
Neben den Beschäftigten wirken auch Anteilseigner verunsichert. Daniela Bergdolt, Vize-präsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, nimmt Anlei- hen aus der Tierwelt: „Ich sehe Haie um das Münchner Osram-hochhaus schwimmen.“Sie fragt Konzernchef Olaf Berlien besorgt: „Sind Sie noch Herr der Dinge oder werden Sie gar nicht mehr gefragt?“
Die Osram-manager geben sich selbstbewusst. Aufsichtsratschef Peter Bauer beteuert: „Die grundlegende Strategie von Osram ist und bleibt richtig.“Das Unternehmen sei jedoch einem technologischen Wandel ausgesetzt – weg von klassischen Lampen hin zu Leuchtdioden. Bauer vergleicht den Wirtschaftszweig mit der Fotobranche, die durch die Digitalisierung durchgerüttelt wurde. Berlien selbst tritt selbstkritisch auf: „Auch ich bin mit dem Geschäftsjahr 2018 und dem Aktienkurs nicht zufrieden.“Osram habe sich ambitioniertere Wachstumsziele gesetzt. Doch diese seien nicht erreicht worden“, räumt er ein. Dann zieht Berlien vollends das Büßerhemd an: „Wir haben auch Fehler gemacht. Die Kritik an unserer Prognosequalität ist berechtigt.“
Hier spielt der Osram-chef auf zwei Gewinnwarnungen im vergangenen Jahr an. In Belegschaftskreisen ist hier „durchaus von handwerklichen Fehlern die Rede“, folgte die zweite Gewinnwarnung doch nur rund zwei Monate nach der ersten. Im Interview mit unserer Redaktion hatte Berlien im Januar erneut für einen Rückschlag, was den Börsenkurs betrifft, gesorgt, als er feststellte: „Ich sehe dunkle Wolken für 2019 am Horizont aufziehen.“
In München gibt sich der Unternehmens-chef zugeknöpfter. Zu den Gesprächen mit potenziellen Investoren meint er nur: „Eine weitere öffentliche Diskussion dieses Themas wäre für die Verhandlungsposition von Osram nachteilig.“Aktionärsschützerin Bergdolt ist empört: „Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass Sie schweigen.“Berlien bleibt verbal enthaltsam und spricht lieber darüber, dass Osram mit seinen Produkten auch den Petersdom in Rom beleuchte. So erstrahlten Meisterwerke, die 500 Jahre buchstäblich im Dunkeln lagen, in voller Schönheit. Noch bleibt also offen, wann Licht ins Osram-investoren-dunkel kommt. Hinter den Kulissen verlautet, es könne April werden. Einstweilen freuen sich die Osram-aktionäre sicher über die Aussicht auf eine unveränderte Dividende von 1,11 Euro je Papier.
Trotz aller Probleme ist der Konzern alles andere als ein Sanierungsfall. Denn das Unternehmen erwirtschaftete 2018 immer noch einen stattlichen Gewinn nach Steuern von 141 nach 224 Millionen Euro im Vorjahr. Berlien hebt zudem die operative Rendite von annähernd 15 Prozent hervor. Dennoch werden am einstigen Vorzeige-standort Regensburg viele Arbeitsplätze abgebaut. Von rund 3000 Stellen sollen etwa 500 Jobs wegfallen. Dabei galt Regensburg mit seiner Led-produktion einst als Vorzeigewerk des Konzerns. Frühere Augsburger Osram-beschäftigte blickten neidisch auf die Superfabrik in der Oberpfalz.