Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Egk: Sein Peer Gynt war ein Spiel mit dem Feuer
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Am 24. November 1938 wurde an der Berliner Staatsoper die zweite Oper Egks, „Peer Gynt“, uraufgeführt. Der Fantast und Tunichtgut Peer (ein direktes Gegenbild des arischen Mannes!) kommt in das Reich der Trolle. Abstoßend wirken diese Trolle: der Alte als der König der Trolle, seine Tochter, die Rothaarige, und auch der Hofstaat, angeführt von dem fetten Obertroll. Dementsprechend fiel auch die Reaktion Görings aus. Er bezeichnete dieses neue Werk Egks als „Scheißdreck“. In einer Ballettszene im Reich der Trolle tanzt Kuh Kitty mit dem Geißbock Kid. Goebbels war wegen seiner zahlreichen Liebesgeschichten bekannt als „Der Bock von Babelsberg“(1938 war er unsterblich in die tschechische Filmschauspielerin Lída Baarová verliebt; musste aber auf Geheiß Hitlers zu Magda und den Kindern zurückkehren). Wen wundert es, dass bei weiteren Aufführungen die Ballettszene ausgespart wurde!
Um in das Reich der Trolle aufgenommen zu werden, soll Peer ein Auge ausgedrückt und das andere geritzt werden. „Dann sieht er gleich besser“, meint der Alte. Als Blinder (Nationalsozialist?) sieht man die Welt also besser ... Und später treibt sich der rastlose Peer in mittelamerikanischen Spelunken herum, wo die Goebbels so verhasste „Negermusik“aufgeführt wird ...
Die Aufführung der Oper „Peer Gynt“war ein Spiel mit dem Feuer, das sich Generalintendant Heinz Tietjen und Komponist Werner Egk hier erlaubten. Schließlich stand Hitler im Jahre 1938 nach der Einverleibung Österreichs und dem Münchner Abkommen auf dem Höhepunkt seiner Macht. Tietjen und Egk mussten mit dem Rauswurf und vielleicht noch Schlimmerem rechnen.
„Jetzt ist die Abrechnung fällig!“– so Egk nach der Aufführung am 11. Januar 1939, als unerwartet Adolf Hitler mit großem Gefolge in der Mittelloge Platz nahm. Eine unmittelbare Reaktion erfolgte nicht – aber „Peer Gynt“verschwand von den deutschen Bühnen. Nach dem Krieg wurde Egks zweite Oper an zahlreichen Bühnen im In- und Ausland aufgeführt, zuletzt 2017 im Theater an der Wien.
Marianne Schuber,
Augsburg