Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Selbst Österreich will weg vom Gratiswasser
Das Glaserl Wasser gehörte im Wiener Kaffeehaus lange zur Tasse Kaffee dazu. Doch gerade ändert sich da etwas
Wien Wiener Kaffeehäuser sind bekannt dafür, dass sie gratis zum Kaffee ein Glas Wasser servieren. Auch zum Glaserl Wein wird häufig ungefragt Leitungswasser gebracht. Doch diese Praxis darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Streit um kostenloses Wasser in Österreich genauso heftig ausgetragen wird wie anderswo, zum Beispiel in Bayern.
Berndt Querfeld, dessen Familie hochpreisige Kaffeehäuser, wie das Landtmann neben dem Burgtheater in Wien, betreibt, war einer der ersten, die den Gästen das Glas Leitungswasser auf die Rechnung setzten. Die Kaffeehausbesitzer sind es leid, dass beispielsweise eine Gruppe von Touristen einen Tisch ergatterte, zwei Melange und fünf Leitungswasser bestellte – und damit zum Minimalpreis die kultivierte Kaffeehaus-atmosphäre genoss.
Inzwischen erleben solche Gäste oft eine böse Überraschung, wenn sie die Rechnung präsentiert bekommen. 1,50 Euro können das Glas, der halbe Liter Wasser 2,50 Euro in edlem Ambiente kosten.
Mario Pulker, der Spartensprecher Gastronomie der Österreichischen Wirtschaftskammer rechtfertigt diese Praxis: „Viele Betriebe sind nicht mehr in der Lage, die Dienstleistung der Kellner und die übrigen Kosten gratis zu decken. 50 Prozent haben eine negative Bilanz. Wir können nicht den Samariter spielen.“
Pulker selbst betreibt ein Hotelrestaurant in der Wachau am Donauradweg, der in der Saison von 180 000 Radlern genutzt wird. „Wer von ihnen auf der Terrasse sein Glas Eiswasser trinken will, muss dafür 50 Cent bezahlen“, sagt er. Ein halber Liter kostet einen Euro, ein Liter zwei Euro.
Hinsichtlich der österreichischen Version der Eu-trinkwasserrichtlinie ist er unbesorgt. „Wir haben intensiv lobbyiert und mit unserem Övp-abgeordneten Lukas Mandl eine Formulierung gefunden, die uns erlauben wird, Geld für Leitungswasser zu nehmen.“Er geht davon aus, dass nur die Möglichkeit des Zuganges zum Trinkwasser bestehen muss. „Das wäre auch über die Toilettenräume möglich“, meint Pulker, der sich den jetzt vorliegenden Entwurf der Novelle noch anschauen will.
Die Wirtschaftskammer empfiehlt ihren Mitgliedern ausdrücklich, Geld für serviertes Leitungswasser zu verlangen. Doch ob dies möglich sei, hängt nach Pulkers Erfahrung von der Lage und dem Gästekreis der jeweiligen Betriebe ab. So mancher Probelauf wurde wieder eingestellt. „Ein Kollege aus Gumpoldskirchen hat mich gestern angerufen und nach drei Monaten Test entschieden, Leitungswasser wieder kostenlos zu servieren. Die Stammgäste hätten zu viel Druck gemacht“, berichtet der Obmann.
Der Sprecher des privaten Österreichischen Hotel- und Gaststättenverbandes, Martin Stanits, hält es deshalb für die absolute Ausnahme, dass Leitungswasser bezahlt werden muss. „Wenn jemand zum Essen im Restaurant ein Leitungswasser bestellt, bekommt er es gratis“, sagt er. „Nur Ausflugslokale und die Wiener Kaffeehäuser als eine Art Kulturinstitution mit viel Laufkundschaft können Geld dafür nehmen.“Da eine Eu-richtlinie ohnehin noch in nationales Recht umgesetzt werden muss, können Österreichs Gastronomen mit einer offenen Neuregelung rechnen, die jedem die Wahl lässt.
Das Wichtigste an der Richtlinie ist, dass die Qualität des Wassers in der gesamten EU gesichert wird. Und in Österreich kann fast überall bedenkenlos aus der Leitung getrunken werden.