Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wofür ein Bierdeckel gut ist
Nur mal angenommen, der Bierdeckel wurde gar nicht primär als Hilfsmittel zum Anfertigen einer Steuererklärung erfunden. Das mag viele überraschen und Friedrich Merz, den Erfinder des Steuererklärung-muss-auf-bierdeckelmythos, regelrecht enttäuschen. Umso nötiger ist es, den eigentlichen Zweck dieses pappigen Rundlings – vereinzelt auch Vierecklings – in Erinnerung zu rufen.
Da ist zuallererst die Fähigkeit, sich mehrfach falten zu lassen, um seine treuen Dienste als ausgleichendes Element unter einem zu kurzen Tischbein zu verrichten. Dann machten die Jäger und Sammler den Bierdeckel zum Objekt ihrer Begierde. Das musste im Extremen enden. Vor ein paar Tagen präsentierte ein Brandenburger seine Kollektion: mehr als 13 500 Exemplare. Wie seine Frau das findet? Wir fragen lieber nicht. Kreative Saarländer wiederum bappten die 17 globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen auf ein paar tausend Deckel druff. Da stehen jetzt so schöne Sätze wie „Meh Bliemscher fer die Bienscher“– mehr Blumen für die Bienen.
Vielleicht hat der Bierdeckel aber erst jetzt seine wahre Bestimmung gefunden: als Beschäftigungsobjekt für den Deutschen Werberat. Der stört sich nämlich an einem Bierfilz aus dem Hofbräuhaus Traunstein. Das Bild darauf zeigt den Brauereichef, der seiner Frau ein Busserl gibt, während sie ein volles Weißbierglas anhimmelt. Daneben steht: „Hilft in Sekunden – wirkt für Stunden.“Dies könne „als Aufforderung zu missbräuchlichem Alkoholkonsum missverstanden werden“, findet der Werberat. Ausgang offen, immerhin nimmt’s der Brauereichef mit Humor.
Ach ja, angeblich soll der Bierdeckel auch als Untersetzer für allerlei Hopfen-variationen oder Rhabarber-litschi-schorle entwickelt worden sein, auf dem der Wirt eine Strichliste über die Zahl der geleerten Gläser pflegt. Wer eine Bestätigung für diese Theorie sucht: Besser nicht Friedrich Merz fragen.