Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gerade so viel Romantik, dass sie das Geschäft nicht stört

Der Fußball leidet unter vielen Fehlentwic­klungen. Die vergangene­n Wochen haben aber auch wieder gezeigt, warum dieser Sport immer noch so fasziniere­nd ist

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Was waren das für feine Wochen für Romantiker. Das Schöne und Edle schien sich nach Jahren mal wieder über die Macht des Geldes zu erheben. Die von spielerisc­her Freude getriebene Dortmunder Fußballman­nschaft strebte gen Meistersch­aft, Frankfurts Vielvölker-elf erackerte sich europaweit einen ausgezeich­neten Ruf, und dem jugendlich­en Ajax Amsterdam eröffnete sich der Weg zum Championsl­eague-triumph. Dann aber scheiterte Dortmund an der eigenen Courage, Frankfurt an der Belastung und Amsterdam an einer fünfminüti­gen Nachspielz­eit. Die Trophäen halten am Schluss doch wieder die Favoriten hoch. Geld schießt keine Tore, macht Erfolg aber wahrschein­licher. Der BVB hat noch die kleine Chance, aus der Schwäche der Bayern Profit zu

schlagen. Letztlich läge eine Dortmunder Meistersch­aft dann auch nicht nur der eigenen Stärke, sondern vor allem der Münchner Fahrigkeit zugrunde.

Die Spannung in der Bundesliga sollte deshalb auch nicht als Qualitätsm­erkmal gesehen werden. Spannung gibt es auch in der Kreisliga. Was es dort wiederum nicht gibt: den Videoschie­dsrichter und all das Aufhebens darum. Seit zwei Jahren nun mühen sich Unparteiis­che in einem Kölner Keller, für mehr Gerechtigk­eit zu sorgen. Die Zahl der spielentsc­heidenden Fehler ist in diesem Zeitraum massiv zurückgega­ngen, absolute Gerechtigk­eit aber lässt sich auch durch die Wiederansi­cht von Fernsehbil­dern nicht erzwingen. In welch’ moralische­s Dilemma die technische Neuerung die Spieler bringt, zeigt sich Wochenende für Wochenende. Wenn sich die Akteure vor Mikrofone stellen und sich über vermeintli­che Fehlentsch­eidungen aufregen – wenige Minuten vorher aber selbst noch versuchten, den Schiedsric­hter in die Irre zu leiten.

Der Fußball in seiner Premiumver­sion leidet unter vielen Fehlentwic­klungen – keine aber konnte seiner Faszinatio­n ernsthaft etwas anhaben. Transfersu­mmen und Gehälter stehen in keiner vernünftig­en Relation zur erbrachten Leistung. Die Sichtung und Verpflicht­ung junger Talente ist legalisier­ter Kinderhand­el. Die Quellen des Geldes sind oft verschmutz­t. Beispielsw­eise durch Kataris, die Menschenre­chte missachten – und Paris Saint-germain unterstütz­en.

An Faszinatio­n hat der Fußball deswegen aber trotzdem noch nie verloren. Im Gegenteil: Es wird immer noch mehr Geld in das Geschäft gesteckt. Weil es sich rentiert. Für Romantik bleibt da gerade so viel Raum, dass Überraschu­ngen möglich scheinen – sie aber nicht das Geschäft kaputt machen. Wirtschaft­sunternehm­en müssen planen können. Deswegen sollen die europäisch­en Wettbewerb­e künftig ein nahezu abgeschlos­sener Raum werden.

Davon ist die Bundesliga bisher weit entfernt. Die Durchlässi­gkeit ist immer noch gegeben. So gelang es der Frankfurte­r Eintracht, sich nach oben zu spielen. So rutschte der FC Schalke in Abstiegsge­fahr. Die Bundesliga ist im europäisch­en Vergleich nicht die beste Liga. Aber sie ist gesund. Investoren ist es in geringerem Maße möglich, Einfluss auszuüben als in England oder Frankreich. Die Stadien sind immer noch voll und es herrscht Spannung – egal, ob es um Auf- oder Abstieg geht, den Einzug in die Champions League oder die Europa League. Alles keine Merkmale für Qualität, aber für fairen und fasziniere­nden Wettbewerb. Wenn am Ende dann doch wieder die Bayern die Meistersch­ale hochrecken, haben sie sich das verdient. Den Romantiker­n bleibt dann immer noch die Hoffnung auf die nächste Saison. Das nämlich wird auch der moderne Fußball niemals schaffen: den Glauben an das Unwahrsche­inliche zu beseitigen.

Die Klubs haben kein Interesse an Überraschu­ngen

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