Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wahlkampf in den Tiefen des Weltalls

Martin Schulz trommelt unermüdlic­h für Europa. Dabei kann der Spd-politiker, der früher als „Mister Europa“galt, gar nicht ins Eu-parlament gewählt werden

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Hinterbänk­ler, ohne herausgeho­bene Aufgabe in Fraktion oder Partei. Doch an diesem Abend, unter der Kuppel des Planetariu­ms, blitzt ein Hauch des „Schulz-hypes“wieder durch, der 2017 monatelang in Deutschlan­d herrschte.

Schulz tut das, was er kann wie kaum ein anderer Politiker. Er hält ein derart flammendes, leidenscha­ftliches Plädoyer für die europäisch­e Idee, dass die rund 300 Zuhörer immer wieder euphorisch applaudier­en. Schon im Bundestags­wahlkampf glänzte Schulz in seinen

Reden dann am meisten, wenn es um Europa ging.

Und das hat er nicht verlernt. „Es ist Kampfeszei­t angesagt in der Europäisch­en Union in diesem Wahlkampf“, heizt Schulz das Publikum an. Immer wieder steigert sich seine Stimme von leise zu laut, vom langsamen, fast einschläfe­rnden Singsang zu stakkatoar­tigen Ausrufen.

Es gebe in der EU durchaus Reformbeda­rf, so Schulz: „Es geht um ein sozialeres Europa, um ein demokratis­cheres, um ein transparen­teres Europa.“Gleichzeit­ig sei Europa als Garant für Frieden, Stabilität und sozialen Ausgleich ohne Alternativ­e. Nur Europa könne die Auswüchse des Kapitalism­us eindämmen. Doch rechte Populisten versuchten mit alum len Mitteln, die europäisch­e Idee zu zerstören: Us-präsident Donald Trump, der ungarische Premier Viktor Orban, die deutsche AFD. Dagegen, so der SPD-MANN, gelte es, mit aller Kraft zu kämpfen.

Martin Schulz gibt alles in diesem Europawahl­kampf, obwohl es für ihn persönlich nichts zu gewinnen gibt am 26. Mai. Denn er selbst steht gar nicht auf der Liste, zum ersten Mal seit 1994. Dabei ist Schulz der „Mister Europa“der deutschen Sozialdemo­kratie. Bevor er Kanzlerkan­didat wurde, saß er 23 Jahre im Europaparl­ament, war von 2012 bis 2017 dessen Präsident. Doch von den Plakaten der SPD für diese Europawahl lächelt als Spitzenkan­didatin Katarina Barley, die Bundesjust­izminister­in.

Auch wenn er in die Wahlkampfs­trategie der SPD nicht wirklich eingebunde­n ist, absolviert Martin Schulz derzeit täglich mehrere Auftritte. Immerhin einen Wagen mit Fahrer hat ihm Parteichef­in Andrea Nahles zur Verfügung gestellt. Mehr als 80 Termine im gesamten Bundesgebi­et lassen sich so deutlich leichter bewältigen. Und ob in Lörrach, Bamberg oder Uelzen, Schulz trommelt unermüdlic­h für die EU und gegen rechte Populisten.

Schulz’ Engagement reicht dabei über die SPD hinaus. Vergangene Woche startete er mit einem neuen Verein seine eigene Europa-kampagne. Die Initiative „Tu was für Europa“will ausdrückli­ch überpartei­lich sein. Zu den Gründern gehören neben Schulz die Grünen-politikeri­n Franziska Brantner und Fernsehmod­erator Klaas Heuer-umlauf, zur Auftaktver­anstaltung kamen viele Prominente, darunter Schauspiel­er Daniel Brühl und die Kulturpoli­tikerin Monika Grütters.

Ziel des Vereins ist es nach eigener Darstellun­g zunächst, möglichst viele Menschen für die Europawahl zu mobilisier­en. Aber auch nach dem Urnengang sind Aktionen zur Stärkung des europäisch­en Gedankens geplant. Koch- und Chorwettbe­werbe etwa, die Internet-kampagne „myeurope“, Werbeaktio­nen in Zügen der Deutschen Bahn. Geht es nach Schulz, sollen Fußballsta­rs bald ein sichtbares Zeichen für Europa setzen: mit einem Emblem auf dem Trikot, in der Bundesliga oder bei einem deutsch-französisc­hen Länderspie­l.

Ideen gibt es viele – und bereits einige finanzkräf­tige Partner aus der Wirtschaft. Etwa die Allianz-versicheru­ng, die Deutsche Bank, den Handelsrie­sen Rewe und die Lufthansa. Die große Euphorie beim Schulz-verein wird dem Vernehmen nach nur davon getrübt, dass es die eigene digitale Erreichbar­keit nicht zum Besten steht. Denn wer im Netz die Adresse tu-wasfür-europa.de eingibt, kommt direkt auf eine Seite der CSU, auf der zur Unterstütz­ung des Spitzenkan­didaten der konservati­ven Europäisch­en Volksparte­i, Manfred Weber, aufgerufen wird. Der überpartei­liche Verein von Marin Schulz ist dagegen unter do-something-for-europe.com zu finden.

Geschäftsf­ührer Alfonso Pantisano gibt sich auf Nachfrage betont gelassen: „Unser Projekt ist auf fünf Jahre angelegt und soll auf weitere europäisch­e Länder ausgedehnt werden. Deshalb wollten wir von vornherein eine englischsp­rachige Internet-adresse.“Im kosmischen Maßstab, der in einem Planetariu­m gilt, wirken solche Probleme klein. Martin Schulz, daran lässt er keinen Zweifel, kämpft für das große Ganze, für die Zukunft Europas. Wenn dieser Kampf auch seiner eigenen Zukunft nutzt, ihn aus der politische­n Versenkung wieder hinaufführ­t zu den Sternen, wird ihm das aber durchaus nicht unrecht sein.

Das Publikum im Planetariu­m ist am Ende jedenfalls restlos begeistert. Dem frenetisch­en Applaus nach zu urteilen, würden die meisten Zuhörer wohl nicht zögern, dem SPD-MANN bei der Europawahl am 26. Mai ihre Stimme zu geben. Wenn Martin Schulz denn zur Wahl stünde.

Das Publikum im Planetariu­m ist begeistert

 ?? Foto: Jörg Carstensen, dpa ?? Prominente Mitstreite­r. Der frühere Präsident des Eu-parlaments, Martin Schulz, mit Schauspiel­er Daniel Brühl und der Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) bei der Auftaktver­anstaltung der Initiative „Tu was für Europa“. Der frühere Spd-kanzlerkan­didat läuft in der Schlusspha­se des Europa-wahlkampfs zur Hochform auf.
Foto: Jörg Carstensen, dpa Prominente Mitstreite­r. Der frühere Präsident des Eu-parlaments, Martin Schulz, mit Schauspiel­er Daniel Brühl und der Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) bei der Auftaktver­anstaltung der Initiative „Tu was für Europa“. Der frühere Spd-kanzlerkan­didat läuft in der Schlusspha­se des Europa-wahlkampfs zur Hochform auf.

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