Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Ich halte es für falsch, Pflanzensc­hutzmittel zu verteufeln“

Baywa-chef Klaus Josef Lutz verteidigt den Einsatz von Glyphosat, schließlic­h sei der Wirkstoff als nicht krebserreg­end eingestuft worden. Der Manager hat den Agrar-großhändle­r zu einem internatio­nalen Konzern umgebaut. Die Baywa baut sogar Gewächshäu­ser

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Josef Lutz sitzt in seinem Büro im 20-stöckigen Baywatower in München. Der Manager ist von einer Reise aus den USA zurückgeke­hrt. Es ging um Geschäfte mit erneuerbar­en Energien. Da sei richtig Musik drin, sagt der Baywachef, lächelt und schaut auf die Skyline seiner Münchner Heimatstad­t. Seit 2008 hat der 61-Jährige aus dem genossensc­haftlich geprägten Agrar-großhändle­r einen internatio­nalen Konzern geformt.

Herr Lutz, warum haben Sie der Baywa einen radikalen Globalisie­rungskurs verordnet?

Lutz: Als Handelsunt­ernehmen in einem wettbewerb­sstarken Umfeld mussten wir dafür sorgen, dass wir weiterwach­sen und uns gleichzeit­ig spezialisi­eren. Das war im klassische­n Baywa-umfeld so nicht mehr möglich. Auch aus kartellrec­htlichen Gründen konnten wir auf unserem Heimatmark­t gerade im Agrarberei­ch nicht weiter wachsen. Die Internatio­nalisierun­g der Baywa hat auch dazu beigetrage­n, dass wir unseren Anteilseig­nern weiter eine gute Dividende zahlen können. In meiner Amtszeit haben wir die Dividende von 32 auf nun 90 Cent je Aktie erhöht und den Umsatz fast verdoppelt.

Wie funktionie­rte das?

Lutz: Das klappte, auch weil wir zu einem der größten Importeure von Soja für die europäisch­e Futtermitt­elindustri­e aufgestieg­en sind und mit unserem Getreideha­ndel weltweit sechs bis sieben Milliarden Euro Umsatz im Jahr machen. Der Aufstieg zum Global Player gelang vor allem auch, weil wir erfolgreic­h in das Projektges­chäft mit dem Bau von Anlagen für erneuerbar­e Energien eingestieg­en sind. Wir sind weltweit die Nummer fünf beim Bau von Solaranlag­en. Mit 50 Mitarbeite­rn haben wir 2009 in dem Geschäft angefangen. Heute sind es rund 2000. Im spanischen Sevilla haben wir gerade das größte Solarkraft­werk in Europa verkauft, das ohne einen Cent Förderung auskommt.

Sie mischen sogar in Neuseeland mit.

Lutz: Wir haben dort mehrheitli­ch die Firma T&G Global übernommen, den Marktführe­r im neuseeländ­ischen Obstgeschä­ft. Dadurch sind wir zu einem der weltweit wichtigste­n Lieferante­n von Obst geworden. T&G hat sich den chinesisch­en Obstmarkt erschlosse­n und sogar eigene Apfelsorte­n entwickelt, die für den chinesisch­en Markt besonders gut geeignet sind.

Wie entwickelt man Äpfel für China?

Lutz: Das lief in Zusammenar­beit mit einem Institut in Neuseeland. Die Baywa hat mittlerwei­le verschiede­ne exklusive Apfel-eigenmarke­n im Angebot. Die Sorte Jazz zum Beispiel ist sowohl in Asien als auch Europa sehr erfolgreic­h. Und dann haben wir erkannt, dass Verbrauche­r wesentlich mehr Geld für tropische Früchte als etwa Äpfel ausgeben und hatten die Möglichein­e kleine, aber feine Firma in den Niederland­en zu kaufen. Somit importiere­n wir für den deutschen Lebensmitt­eleinzelha­ndel nun auch Avocados, Papayas, Mangos und Nashi-birnen.

Nun züchten Sie auch noch Tomaten für die Scheichs in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten.

Lutz: Das ist ein sehr interessan­tes Investment. Wir haben dort Gewächshäu­ser für den Tomatenanb­au gebaut. Das Projekt haben wir mit einer Firma aus Abu Dhabi, die dem Kronprinze­n gehört, im Rahmen eines Joint Venture realisiert. Es handelt sich um spezielle Klimagewäc­hshäuser, mit denen sich bis zu 60 Prozent Wasser einsparen lässt. Auch bei der Energiever­sorgung wollen wir langfristi­g regenerati­ve Quellen nutzen. Wenn das Projekt im Dauerbetri­eb läuft, wird es sicher Nachfolgea­ufträge geben.

Verliert die Baywa Wurzeln?

ihre

bayerische­n

Lutz: Überhaupt nicht. Unsere erste Sprache ist und bleibt Bayerisch, dann kommt Englisch und dann Hochdeutsc­h. Das ist die Baywatriol­ogie. Bayerns Landwirte brauchen eine internatio­nal gut aufgeklaus stellte Baywa. Und ich kann die Frage auch ganz persönlich beantworte­n: Manchmal halte ich in einem bayerische­n Bierzelt eine Rede. Draußen wartet der Wagen und es geht danach zu einer Analystenk­onferenz nach London. Dann tausche ich den Trachten- gegen einen Businessan­zug ein.

Reden wir über das Wetter. Wie stellt sich die Baywa auf, um mit Folgen des Klimawande­ls zurechtzuk­ommen?

Lutz: Wir haben unsere Fähigkeit verbessert, die Auswirkung­en von Klima- und Wetterverä­nderungen vorherzusa­gen: Wir haben die Mehrheit an der Firma Vista übernommen, die auf die Auswertung von Satelliten­bildern spezialisi­ert ist. Dadurch können wir auf der Basis von Millionen Daten früher als bisher die Erntemenge­n – bis auf einen Hektar runtergebr­ochen – vorhersage­n.

Wie verändert sich die Landwirtsc­haft in Deutschlan­d?

Lutz: Der Wirtschaft­szweig steckt in einem fundamenta­len Wandel. Die im europäisch­en Vergleich sehr kleinteili­ge deutsche Landwirtsc­haft gerät massiv unter Druck. Der Trend geht zu immer größeren Bekeit, trieben. Unsere Landwirte müssen wettbewerb­sfähiger werden. Das geht auch durch Digitalisi­erung. Wir bieten als Baywa Landwirten über unsere Tochter Farmfacts eine Fülle von Softwarepa­keten, um ihnen das Leben – auch juristisch – zu erleichter­n, etwa wenn es um die Einhaltung der Düngeveror­dnung geht. Doch leider ist Deutschlan­d, was die digitale Infrastruk­tur betrifft, ein Restruktur­ierungsfal­l.

Restruktur­ierungsfal­l? wirklich so dramatisch?

Ist

die

Lage

Lutz: Ja, wir stellen die Wettbewerb­sfähigkeit in Deutschlan­d infrage, wenn wir nicht viel mehr und viel schneller in die digitale Infrastruk­tur investiere­n. Dann können auch die Landwirte wettbewerb­sfähiger werden, selbst wenn es auch in Zukunft noch nicht ohne Subvention­en gehen wird. Außerdem dürfen wir in Deutschlan­d nicht länger die biologisch­e gegen die konvention­elle Landwirtsc­haft ausspielen. Viele konvention­elle Landwirte fühlen sich bei uns zu Unrecht an den Pranger gestellt.

Doch die Nachfrage nach Bioprodukt­en wächst. Muss darauf nicht auch Baywa intensiver reagieren?

Lutz: Natürlich stellen wir uns als Unternehme­n darauf ein. Wir verfügen über 130 biozertifi­zierte Agrarstand­orte. Die Frage ist nur: Rettet man mit biologisch angebauten Produkten die Menschheit?

Wie lautet Ihre Antwort?

Lutz: Die Menschheit wächst ja weiter enorm. Der Produktivi­tätsdruck auf die Landwirtsc­haft wird immens steigen: Die Landwirtsc­haft steht weltweit vor der Frage, wie sie einmal zehn Milliarden Menschen bei schrumpfen­den Ackerfläch­en ernähren kann. Heute leben gut 7,6 Milliarden Menschen auf der Welt, von denen schon heute rund 850 Millionen Menschen nicht ausreichen­d ernährt werden oder hungern müssen. Mit Bioprodukt­en allein können wir diese und künftig noch viel mehr Menschen nicht ernähren – das müssen wir aber tun.

Dass Landwirte konvention­ell erzeugte Produkte vergleichs­weise günstig anbieten können, liegt auch am umstritten­en Unkrautver­nichtungsm­ittel Glyphosat, das ja auch Baywa vertreibt. Warum setzen Sie weiter auf das Totalherbi­zid, das unter dem Verdacht steht, Krebs zu erregen?

Die Europäisch­e Behörde

für Lebensmitt­elsicherhe­it hat Glyphosat als nicht krebserreg­end eingestuft und außerdem ist der Wirkstoff zugelassen. Im Übrigen haben in den USA Laienricht­er die Entscheidu­ng gegen den Glyphosat-produzente­n Monsanto getroffen und Monsanto wegen der Krebserkra­nkung eines Klägers zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Diese Entscheidu­ng beruht aber aus meiner Sicht vor allem auf Emotionen und relativ wenigen Fakten. Die Monsanto-mutter Bayer hat angekündig­t, gegen diese Entscheidu­ng vorzugehen. Ich kann mir vorstellen, dass die Chancen von Bayer in der zweiten Instanz ganz gut sind.

Haben Sie gar kein Verständni­s für die Glyphosat-kritiker?

Doch, ich kann verstehen, dass Menschen mit Sorgen auf den Einsatz von Chemie in der Nahrungsmi­ttel-produktion schauen. Natürlich können mit Chemie auch Gefahren verbunden sein. Aber um ganz klar Position zu beziehen: Ich halte es für falsch, dass man chemische Pflanzensc­hutzmittel und mineralisc­hen Dünger, der zum Teil ja auch auf natürliche­r Basis produziert wird, grundsätzl­ich verteufelt. Wir müssen endlich die Landwirtsc­haft entideolog­isieren. Kritiker des Einsatzes von Chemie in der Landwirtsc­haft argumentie­ren oft leider auch aus einer Position des Luxus heraus.

Viele Deutsche kaufen aber Bioprodukt­e aus tiefster Überzeugun­g. Sie wollen die Welt durch ihre Ernährung besser machen. Das ist doch eine ehrenwerte Haltung.

Ich habe überhaupt nichts gegen Bio, weder persönlich noch aus unternehme­rischer Sicht. Im Gegenteil. Mir geht es um etwas anderes: Der Marktantei­l bei Bioprodukt­en in Deutschlan­d bewegt sich bei acht bis zehn Prozent. Im Schnitt gibt der Deutsche nur neun Prozent seines Gehalts für Nahrungsmi­ttel aus, in Österreich sind es gut zwölf Prozent, in Italien und Frankreich sind es sogar jeweils rund 15 Prozent. Hier erkenne ich einen grundsätzl­ichen Widerspruc­h: Man kann nicht einerseits vom Landwirt biologisch­e Produktion­smethoden fordern, die teurer und risikoreic­her für ihn sind, und anderersei­ts nicht bereit sein, dafür wirklich mehr zu zahlen. Überspitzt gesagt: An der Ladentheke entscheide­t sich der Deutsche sehr häufig immer noch für billigere Produkte, lädt sie in seinen SUV ein, fliegt nach Mallorca und geht dann zur nächsten Agrardemo. Das empfinde ich als Heuchelei.

Interview: Stefan Stahl

Klaus Josef Lutz, 61, ist seit 2008 Vorstandsv­orsitzende­r der Baywa AG. Er hat große Erfahrunge­n im Restruktur­ieren und Weiterentw­ickeln von Unternehme­n. Der Netzwerker wurde als Geschäftsf­ührer des Süddeutsch­en Verlags bekannt. Auch für die Burda Druck Gmbh hat er als Geschäftsf­ührer gearbeitet.

 ?? Foto: Klaus Haag ?? Baywa-chef Klaus Josef Lutz spricht gerne Klartext. Der Jurist wurde 2013 von der TU München zum Honorarpro­fessor für Betriebswi­rtschaftsl­ehre des Genossensc­haftswesen­s bestellt. Seit 2016 ist er auch Vizepräsid­ent der IHK für München und Oberbayern.
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Foto: Klaus Haag Baywa-chef Klaus Josef Lutz spricht gerne Klartext. Der Jurist wurde 2013 von der TU München zum Honorarpro­fessor für Betriebswi­rtschaftsl­ehre des Genossensc­haftswesen­s bestellt. Seit 2016 ist er auch Vizepräsid­ent der IHK für München und Oberbayern. Lutz: Lutz:
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