Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Das Bürgermeis­ter-beben geht weiter

Augsburg, Lindau, Donauwörth, Eichstätt – und jetzt Neu-ulm. Rathaus-chef Gerold Noerenberg wird 2020 nicht mehr kandidiere­n. Ist ihm das ewige Hin und Her um den Nuxit zum Verhängnis geworden?

- VON RONALD HINZPETER UND STEPHANIE SARTOR

Neu-ulm Noch gut 300 Tage also – und die werden es in sich haben. Am 15. März 2020 finden in Bayern die Kommunalwa­hlen statt. Sie dürften vielerorts so spannend werden wie selten zuvor – und auch der Wahlkampf dürfte ein besonderer sein.

Der Grund dafür: Gleich mehrere Oberbürger­meister haben angekündig­t, 2020 nicht mehr anzutreten. Etwa der Augsburger OB Kurt Gribl (CSU) oder sein Nürnberger Amtskolleg­e Ulrich Maly (SPD). Auch der Donauwörth­er Rathausche­f Armin Neudert (CSU) wird nicht mehr kandidiere­n. Und nun der nächste politische Paukenschl­ag in diesem Kandidaten-karussell, das sich derzeit in Windeseile dreht: Neu-ulms Oberbürger­meister Gerold Noerenberg tritt 2020 ebenfalls nicht mehr zur Wahl an. Ist ihm etwa das ewige Hin und Her um den Nuxit, den geplanten Austritt der Stadt Neu-ulm aus dem gleichnami­gen Landkreis, zum Verhängnis geworden?

Zuletzt hatten sich die Anzeichen aus München gemehrt, dass die Staatsregi­erung und die Landtagsab­geordneten keine Lust verspüren, die aufstreben­de und immens erfolgreic­he Stadt Neu-ulm aus dem Landkreis herauszusc­hneiden, dem sie den Namen gibt. Allerdings muss es Spekulatio­n bleiben, ob die Abschiedsa­nkündigung etwas mit dem Nuxit zu tun hat oder nicht, denn Noerenberg hat lediglich eine schriftlic­he Erklärung verbreitet, in er das Thema mit keinem Wort erwähnt. Ausweichen­d schreibt er, nach 40 Jahren politische­n Engagement­s sei es Zeit für einen Schlussstr­ich: „Bereits seit längerer Zeit ist deshalb bei mir die Entscheidu­ng gereift, dass es für mich und meine Frau eine gute Entscheidu­ng wäre, im Buch der politische­n Leitung unserer Stadt, aber auch persönlich ein neues Kapitel aufzuschla­gen.“Sein Rückzug wird ein kompletter sein, denn Noerenberg, der am Sonntag 62 Jahre alt wird, möchte auch nicht für Stadtrat oder Kreistag kandidiere­n. Er versichert sogar, als Politrentn­er „keine Leserbrief­e zu schreiben“.

Der gelernte Rechtsanwa­lt Noerenberg war 2004 für die CSU in den Chefsessel des Neu-ulmer Rathauses gewählt worden. Seine Vorgängeri­n war Beate Merk, die im Herbst 2003 bayerische Justizmini­sder terin wurde. Während ihrer Amtszeit begann der Aufstieg von Neuulm, das lange als die wenig attraktive Schwesters­tadt des traditions­reichen Ulm galt. Noerenberg setzte den erfolgreic­hen Kurs fort. Die Stadt wächst und hat mittlerwei­le schon die 60 000-Einwohner-marke hinter sich gelassen. Das war unter anderem ein Grund, warum Neuulm sich dem Landkreis entwachsen fühlt und ausscheren möchte. Allerdings sollen Ministerpr­äsident Markus Söder und Innenminis­ter Joachim Herrmann dem Wunsch ablehnend gegenübers­tehen.

Mit der Ankündigun­g Noerenberg­s setzt sich das Bürgermeis­terbeben fort, das im März begonnen hatte. Damals hatten innerhalb weniger Tage vier Rathaus-chefs bekannt gegeben, nicht mehr zu kandidiere­n. Nach Nürnberg und Augsburg kündigte auch Lindaus Oberbürger­meister Gerhard Ecker (SPD) seinen Rückzug an. Und eben Donauwörth­s OB Armin Neudert. Vor kurzem wurde zudem bekannt, dass auch Eichstätt seinen Rathausche­f verlieren wird: Andreas Steppberge­r (FW) wird ab 1. Mai 2020 stellvertr­etender Caritasdir­ektor der Diözese Eichstätt.

Gründe für die Entscheidu­ngen der Politiker gibt es viele. Der Augsburger Kurt Gribl etwa sagte damals: „Ich bin stolz auf das Erreichte, aber es ist auch ein Amt auf Zeit.“Nürnbergs OB Maly formuliert­e es so: „Die Frage nach einer erneuten Kandidatur stellt sich nicht nach der Fitness am Wahltag im März 2020, sondern danach, was 2025 oder 2026 sein wird.“Habe er dann noch die nötige Frische, sich inhaltlich täglich neu zu erfinden, fragte er sich. Und: „Habe ich da noch die Kraft und Gelassenhe­it für den glaubwürdi­gen Dialog mit den Bürgerinne­n und Bürgern? Oder habe ich eh alles schon einmal gehört?“

Die Suche nach Nachfolger­n läuft bereits. Es wird spannend werden in den kommenden gut 300 Tagen.

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Foto: Alexander Kaya Oberbürger­meister Gerold Noerenberg verabschie­det sich vom Neu-ulmer Rathaus. Bei der Wahl im Jahr 2020 wird er nicht mehr kandidiere­n.

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