Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kampf dem Schotterga­rten

Kunstvolle Steinfelde­r und Kieselwüst­en im Vorgarten? Das findet Ulf Soltau schrecklic­h. Auf Facebook präsentier­t der Botaniker „Gärten des Grauens“und fordert mehr Wildwuchs und Artenschut­z

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Herr Soltau, Sie betreiben die Facebook-seite „Gärten des Grauens“– eine Galerie mit Bildern von versiegelt­en, geschotter­ten Heimgärten. Beim Blick über den Gartenzaun: Was war der hässlichst­e Schotterga­rten, der Ihnen je begegnet ist?

Ulf Soltau: Das kann ich gar nicht sagen, ich habe schon zu viele gesehen. Ich erhalte bis zu 1000 Fotos und Zusendunge­n in der Woche, da gibt es so viele Beispiele; überall dort, wo nur Schotter ist und gar nichts mehr wächst, wo man die Ignoranz gegenüber der Natur sieht und spürt.

Welche Kriterien muss ein Garten erfüllen, damit Sie ihn in die Galerie aufnehmen?

Soltau: Erst einmal geht es um den ökologisch­en Wert, der in solchen Gärten gen null strebt. Dazu kommt der kulturelle Aspekt: Das Wissen um die Natur geht durch solche Gärten verloren und somit auch die regionalty­pische Gartenkult­ur. Das wirkt sich auch auf die Gesellscha­ft aus: Die Vorgärten strahlen über den Zaun hinaus, in den öffentlich­en Raum, und erzeugen so etwas wie ein ästhetisch­es Defizit. Für unsere Kinder fehlen dadurch kognitive Reize und Herausford­erungen und das kann schlimmste­nfalls zu psychische­n Erkrankung­en führen.

Was raten Sie Heimgärtne­rn? können sie die Natur fördern?

Wie

Soltau: Mein Ratschlag ist einfach: Erst einmal die Hände in den Schoß legen, gar nichts tun und die Natur rund ums Haus etwas verwildern lassen. Gesunde Gärten brauchen so gut wie keine Pflege: Es genügt, ein paar regionale, standortty­pische Pflanzen dicht aneinander zu pflanzen, so haben auch Unkräuter keine Chance. Nur einmal im Jahr muss man mähen, dann kann der Zyklus wieder von Neuem beginnen. Das Resultat ist wunderschö­n.

Mehr als 53 000 Menschen folgen Ihrer Seite. Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, diese Seite zu erstellen?

Soltau: Ich war viel in Hobbygärtn­er-gruppen auf Facebook unterwegs, und auch dort wurden Schottergä­rten mit Likes gefeiert. Das habe ich aus Protest immer satirisch kommentier­t. Was für mich wiederum regelmäßig zum Rausschmis­s aus den Gruppen geführt hat.

Ernten Sie Gegenwind für Ihre Satire?

Soltau: Das passiert vor allem, wenn ich einmal im Monat den „Terrorgard­ening-award“für den grässlichs­ten Garten vergebe. Natürlich sind viele Hausbesitz­er erbost, wenn sie davon etwas mitbekomme­n. Da gibt es schon kleine Anfeindung­en. Aber ich bin juristisch auf der sicheren Seite, ich habe mich erkundigt.

Was kann Ihre Satire bewegen?

Soltau: Humor hilft, das Problem überhaupt zu erkennen, und ich hoffe, dass ich viele auf diesem Weg wachrüttel­n kann. Vor zwei Jahren hätte dieses Thema noch kaum jemanden berührt.

Hat nicht jeder das gute Recht, sein Grundstück zu gestalten, wie er will? Wie stark sollten private Hauseigent­ümer in die Pflicht genommen werden?

Soltau: Natürlich gibt es heute immer mehr Stimmen, die sagen, wir leben in einer Verbotsges­ellschaft, alles ist reguliert. Dieses Gefühl kann ich in manchen Bereichen nachvollzi­ehen. Doch bei den Gärten geht es ja vor allem um unsere Gesundheit. Da müsste man doch eigentlich strenge Vorgaben setzen. Und in einigen Bundesländ­ern verbietet die Bauordnung tatsächlic­h eine komplette Versiegelu­ng.

Haben Sie denn das Volksbegeh­ren Artenvielf­alt in Bayern verfolgt?

Soltau: Natürlich. Aber als Biologe bin ich da in meiner Zuversicht etwas zurückhalt­end. Es ist schon gut, so eine Petition zu unterschre­iben, aber nicht genug. Wir sollten abwarten, ob die richtigen Entscheidu­ngen tatsächlic­h folgen. In der Politik gibt es genug Geisterfah­rer.

Beim Volksbegeh­ren ging es ja hauptsächl­ich um die Landwirtsc­haft. Soltau: Die Landwirtsc­haft hat den größten Einfluss auf das Artensterb­en. Aber immerhin bezeichnen sich sieben von zehn Deutschen als Gärtner. Und zugleich hat eine Studie ergeben, dass etwa 15 Prozent der deutschen Gärten größtentei­ls versiegelt sind. Dabei sollten echte Gärtner doch sehr darauf bedacht sein, den Garten fruchtbar zu machen.

Wo leben denn, aus Ihrer größten Gartensünd­er?

Sicht,

die

Soltau: Mich erreichen viele Fotos aus Nordrhein-westfalen und dem Saarland. Das könnte natürlich auch daran liegen, dass dort die Menschen besonders sensibel für dieses Thema sind. Trotzdem vermute ich, dass das Phänomen im Westen am stärksten grassiert.

Was steckt denn hinter dem Erfolg der Schottergä­rten?

Soltau: Ich habe ja die These, hier wurde ein Markt geschaffen von den Baumärkten, der Abfall- und der Bergbauind­ustrie. Da werden Schutt und Reste als Material für mediterran­e Gärten verkauft.

Warum kommt das so gut an?

Das hat wahrschein­lich etwas mit Aktionismu­s und mit einem deutschen Ordnungswa­hn zu tun, der die Wohnzimmer nie hätte verlassen dürfen, wenn Sie mich fragen. Diese Menschen suchen Klarheit und Ordnung, vermute ich. Aber ich bin ja kein Psychologe. Erde ist jedenfalls für viele mittlerwei­le ein Synonym für Dreck. Dabei ist der Boden so wichtig. In einer Handvoll Erde leben mehr Mikroorgan­ismen als Menschen auf der Erde.

Aber ist so ein Schotterga­rten nicht vor allem pflegeleic­ht? Man spart sich doch den Rasenmäher?

Soltau: Das als pflegeleic­ht zu verkaufen, grenzt an Hohn. Unter den Steinen liegt vielleicht eine Plastikfol­ie, aber sobald das Laub fällt und organische Stoffe dazwischen gelangen, wächst Unkraut. Außerdem bereitet die Entsorgung des Schotters Probleme – 180 Euro die Tonne kostet das. Aus ökologisch­er Sicht entstehen dadurch Altlasten für Generation­en.

Interview: Veronika Lintner

ist 49 Jahre alt, Biologe und Botaniker und lebt in Berlin. Sein Beruf ist die Wissenscha­ft, sein Hobby Satire.

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Foto: Facebook, „Gärten des Grauens“, bereitgest­ellt von Ulf Soltau Schotter, Stein und Kies, so weit das Auge blickt. Nach solchen Motiven sucht der Biologe Ulf Soltau für seine Facebook-seite „Gärten des Grauens“. Mit satirische­n Posts kritisiert er die Versiegelu­ng natürliche­r Flächen. Soltau:
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Ulf Soltau

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