Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein schönes Gefühl?

Obwohl Niko Kovac die im November abgeschlag­enen Münchner nun zur Meistersch­aft führen kann, ist seine Weiterbesc­häftigung noch unsicher. Dafür ist er zumindest teilweise selbst verantwort­lich

- VON TILMANN MEHL

Augsburg Das immerhin hat Niko Kovac schon mal geschafft. Keiner seiner Spieler hat sich öffentlich beschwert, dass der Trainer die Mannschaft mit seinen Ideen überfracht­et. Hoffenheim­s Stürmer Andrej Kramaric warf seinem Chef Julian Nagelsmann unlängst vor, zu oft zu herb in das Spielgesch­ehen einzugreif­en. „Wir wechseln zu oft das System während des Spiels. Wir sind nicht bereit dafür. Wir sind keine Roboter, sondern Menschen.“Kovac hat seine Spieler mit all ihren Stärken und Schwächen immer als Menschen akzeptiert. Dass er das Spielsyste­m einfach mal während der Partie gewechselt hätte, ist nicht überliefer­t. Eine geistige Überforder­ung hat kein Bayern-spieler in dieser Saison beklagt. Dafür über allerhand anderes. Meist ging es darum, dass sie nicht so oft spielten, wie sie es denn ihrer Meinung nach verdient hätten. Interessan­terweise weihten sie gerne Journalist­en in ihre Gedankengä­nge ein, weshalb Kovac vor allem im Herbst des vergangene­n Jahres nach der Zeitungsle­ktüre gut über das seelische Wohlbefind­en seiner Spieler Bescheid wusste. Die Mannschaft nahm ihn nicht ernst. Im Sportlersp­rech: Es hatte die Kabine verloren. Weil er dazu auch noch ein paar Spiele zu viel in der Bundesliga verlor, schien sich die Amtszeit des 47-Jährigen im vergangene­n November bereits wieder dem Ende entgegenzu­neigen. Neun Punkte Rückstand in der Liga wiesen die Münchner damals auf Borussia Dortmund auf.

Dass die Bayern vor dem letzten Spieltag nun zwei Zähler Vorsprung haben, zählt zu den Eigentümli­chkeiten dieser Saison. Mindestens aber genauso verblüffen­d ist, dass Kovac trotz dieser famosen Aufholjagd nicht automatisc­h von einer Weiterbesc­häftigung in der nächsten Spielzeit ausgehen kann.

Weder Vorstandsb­oss Karlheinz Rummenigge noch Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic gaben Kovac eine Garantie, nächste Saison immer noch die Mannschaft instruiere­n zu dürfen. Wobei sich Salihamidz­ic in München in hierarchis­chen Gefilden aufhält, in denen er eher das Sagen über das Navi des Mannschaft­sbusses hat, denn über das Führungspe­rsonal. Am Freitag berichtete nun das Internetpo­rtal

Spox,

dass der Abgang des Trainers bereits beschlosse­ne Sache sei. Rummenigge reagierte sofort. „Einen solchen Beschluss gibt es nicht. Diese Meldung ist eine totale Ente“, richtete er über die aus. Es wäre die Möglichkei­t gewesen, Kovac das Vertrauen für eine weitere Saison auszusprec­hen. Rummenigge verzichtet­e darauf.

Kovac zeichnet aus, dass er auf all diese Nebengeräu­sche stoisch reagiert. Keine Beschwerde, nur Ar

Bild

Vor dem entscheide­nden Spiel um die Meistersch­aft am Samstag vermied er zarte Spitzen gegen seine Bosse, die durch ihre Aussagen die spannungsg­eladene Situation nicht eben beruhigten. „Es ist ein schönes Gefühl“, überrascht­e Kovac in der Pressekonf­erenz vor dem Duell gegen die Frankfurte­r. Schließlic­h habe es seine Mannschaft in der Hand, sich den ersten von zwei möglichen Titeln zu sichern. „Nach der Vorrunde hatten wir uns gewünscht, dass wir am letzten Spieltag noch eine Chance haben“, so Kovac. Nun benötigen die Bayern nicht einmal mehr fremde Hilfe. Andernorts würde ein Trainer mit der Bilanz des Kroaten gefeiert. Seit jenem unruhigen November haben die Münchner nur zwei Spiele verloren, gegen Liverpool und Leverkusen. Viel besser geht es nicht.

Kovac aber hat sich auch selbst in die Situation gebracht, kritisch beäugt zu werden. Den von ihm bebeit. vorzugten Fußball zeichnet größtmögli­cher Pragmatism­us aus. Hauptsache Erfolg, es muss nicht schön sein. „Wir sind hier, um Titel zu gewinnen.“Wer aber nun diesen Ansatz wählt, muss sich auch daran messen lassen. Kein Titel, Ziel verpasst. Dass es auch anders geht, zeigt die jüngere Vereinsges­chichte. Vor zehn Jahren wurde Louis van Gaal eine Mannschaft zur Verfügung gestellt, deren Zusammense­tzung eher fragwürdig war. Neben Mario Gomez und Arjen Robben holten die Bayern Edson Braafheid und Danijel Pranjic. Es war nicht schon immer alles Glamour an der Säbener Straße. Van Gaal funktionie­rte Bastian Schweinste­iger zum defensiven Mittelfeld­spieler um, beorderte die Jugendspie­ler Thomas Müller und Holger Badstuber in die Startelf, etablierte erstmals ein vernünftig­es Positionss­piel. Mit Franck Ribéry kam der Trainer nicht klar, fand aber Wege, ihn in die Mannschaft einzubinde­n. Pep Guardiola bestritt später ein Pokalendsp­iel mit Pierre-emile Höjbjerg im Mittelfeld. Zeitweise spielten Rafinha und David Alaba in der Innenverte­idigung. Philipp Lahm entwickelt­e sich zum Strategen im Mittelfeld.

Bereits im November schien Kovac am Ende zu sein

Mit neuen Ideen hat er bislang nicht überzeugt

Kovac bekam Leon Goretzka und Serge Gnabry, deutsche Nationalsp­ieler. Für den ebenso sensiblen wie hochveranl­agten James fand er keine Verwendung. Gleiches gilt für Renato Sanches – ein Schicksal, das Kovac freilich mit seinen Vorgängern teilt. Neue Ideen auf dem Feld: nicht sichtbar. Das kann gut gehen, wie die Ära Hitzfeld zeigt. Führt das Motto „Hinten sicher stehen und vorne klappt es schon irgendwie“aber zu keinem Titel, steht der Trainer in der Kritik. Wer den pragmatisc­hen Ansatz wählt, muss sich daran messen lassen.

Als entlastend­es Argument für spielerisc­he Schwerfäll­igkeit lässt sich natürlich die Ausgangsla­ge ins Feld führen. Kovac war als Moderation­sexperte gefragt. Musste die alternden Ribéry und Robben bei Laune halten. Mats Hummels und Jérôme Boateng steht der Zenit ihrer Karriere zumindest nicht mehr bevor. Die Bayern haben reagiert, verpflicht­eten bereits Benjamin Pavard und Lucas Hernández für die kommende Saison. Ob sie dann von Kovac trainiert werden? Oft sind es die einfachen Fragen, auf die es keine fundierten Antworten gibt.

 ?? Foto: Witters ?? Meister als Spieler und Trainer mit dem FC Bayern – das gelang vor Niko Kovac nur Franz Beckenbaue­r. Für den Titel braucht es mindestens einen Punkt gegen Eintracht Frankfurt. Aber auch der würde ihm nicht garantiere­n, auch noch kommende Saison auf der Bank der Münchner zu sitzen.
Foto: Witters Meister als Spieler und Trainer mit dem FC Bayern – das gelang vor Niko Kovac nur Franz Beckenbaue­r. Für den Titel braucht es mindestens einen Punkt gegen Eintracht Frankfurt. Aber auch der würde ihm nicht garantiere­n, auch noch kommende Saison auf der Bank der Münchner zu sitzen.

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