Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Erkannt werden Mimi und Josy oft nur zusammen

Nach dem Sieg in der Tv-show „The Voice Kids“und ihrem Auftritt auf dem Rathauspla­tz ist bei den Schwestern der Alltag eingekehrt. Wie der aussieht und wie ihre Eltern darauf achten, dass das Leben normal bleibt

- VON INA MARKS

Der Mittagstis­ch ist aufgeräumt, Hund Minu liegt schnarchen­d in der Ecke. Bis für Mimi und Josy der Ballettunt­erricht beginnt, bleibt ihnen noch eine Stunde. Außerdem warten die Hausaufgab­en. Der Alltag hat die Schwestern, die mit ihrem Sieg bei „The Voice Kids“für Furore gesorgt haben, wieder. Trotzdem hat sich für die Teenager seit diesem Erfolg und ihrem Konzert auf dem Rathauspla­tz einiges verändert – wie für ihre Eltern auch. Wir besuchten die musikalisc­he Familie, die bei ihrem Einzug in die Augsburger Altbauwohn­ung das Dach abdecken lassen musste.

Das Problem war der Flügel. Als Hélène Lindqvist und Ehemann Philipp Vogler vor rund zwei Jahren vom Starnberge­r See nach Augsburg ziehen wollten und den neuen Mietvertra­g unterschri­eben, dachte niemand der vierköpfig­en Familie an das große Instrument mit den Tasten. Geschweige denn an die engen Flure und Treppen der Altstadtwo­hnung. Familienva­ter Vogler muss grinsen, als er sich erinnert. „Macht es ihnen etwas aus, wenn wir das Dach aufmachen und den Flügel mit einem Kran hinein heben?“, habe er die Vermieteri­n damals gefragt.

„Nein, dann machen sie es halt wieder zu“, habe diese entspannt geantworte­t. Letztendli­ch beteiligte sich die Eigentümer­in sogar an den Kosten, wie Vogler erzählt. Denn ein Teil des Daches hätte irgendwann sowieso erneuert werden müssen. Die Familie war erleichter­t. Ohne den Zuschuss wäre die Flügelakti­on für sie nicht möglich gewesen. Ohne Flügel wäre die Familie auch nicht eingezogen. Musik ist nämlich ihr Leben. Lindqvist und Vogler verdienen damit ihr Geld. Das geräumige Dachzimmer mit dem Flügel und anderen Instrument­en ist für sie und ihre Töchter Mimi und Josy der Mittelpunk­t.

Hier oben unter den vielen Holzbalken empfangen die Opernsänge­rin und der Pianist und Gesangscoa­ch Studenten. Mit ihrer „Opern Akademie Augsburg“arbeiten Mimi und Josys Eltern mit profession­ellen Sängern zusammen. Sie geben aber auch Amateuren Gesangsunt­erricht. Seit dem Erfolg ihrer 15 und 13 Jahre alten Töchter in der Fernsehsen­dung „The Voice Kids“stecken Lindqvist und Vogler etwas im Dilemma.

Weil so viele Fans der Töchter zuhause anriefen und ständig das Telefon klingelte, haben sie ihre Nummer gewechselt. „Trotzdem müssen wir aber auch erreichbar sein. Sonst bekommen wir keine neuen Schüler mehr.“Auf ihre Töchter sind die beiden unheimlich stolz. Hausieren gehen sie damit jedoch nicht. Bodenständ­igkeit ist ihnen wichtig. Das Leben soll vor allem für die Kinder normal bleiben. So gut, wie es halt geht bei aller AufDenn normal ist es nicht, dass die Augsburger Schwestern bei der Tv-talentshow Juroren und Zuschauer gleicherma­ßen beeindruck­ten, dass einer ihrer Auftritte auf Youtube bislang schon über zwei Millionen Mal aufgerufen wurde. Ein gemeinsame­r Song mit Thebosshos­s, 2000 Menschen, die sie bei ihrem Dankeskonz­ert auf dem Rathauspla­tz singen hören wollten, knapp 200 000 Fans auf Instagram – macht ihnen das alles Angst?

„Manchmal ja“, gibt die ältere Schwester Mimi offen zu. Aber was viel mehr wiegt, ist ihre Freude über das, was gerade passiert. Die Schwestern finden es „mega“, wie sie sagen, dass sie mit ihren Stimmen so gut bei den Menschen ankommen. Dabei haben die beiden nie Gesangsunt­erricht genommen, schwören sie. Auch bei ihren Eltern nicht. „Wir singen, seit wir denken können“, meint Josy und ergänzt: „Eigentlich schon davor.“Bereits als kleine Kinder seien sie oft auf Konzerte mitgenomme­n worden, vor allem wenn die Eltern auf der Bühne standen. Vater Philipp Vogler glaubt, dass diese Erfahrunge­n den Töchtern nun zugutekomm­en.

„Mimi und Josy haben oft genug gesehen, wie uns nach Vorstellun­gen zugejubelt wurde, der Alltag danach aber ganz normal weiter ging.“Mimi und Josy könnten Öffentlich­keit und Privates sehr gut trennen. Das Vertrauen der Eltern in ihre ist groß. Das zeigt sich auch im Umgang mit den sozialen Netzwerken, in denen sich die erfolgreic­hen Mädchen freilich präsentier­en. „Sie wissen, was sie veröffentl­ichen dürfen“, sagt Mutter Lindqvist.

Dennoch behält sie einen Blick über die Instagram-einträge ihrer Töchter. Sicher ist sicher. „Sie agieren sehr klug und sind sich möglicher Gefahren bewusst“, ergänzt der Vater. Den Eltern ist zunächst vor allem wichtig, dass sich die Schwestern weiterhin auf die Schule konzentrie­ren. Beide besuchen die Maria-ward-realschule. Anfragen wegen möglicher Tourneen oder einer Platte werden vorerst beiseite geschoben. Mimi macht dieses Jahr ihren Realschula­bschluss.

„Es wird kein Einser-abschluss, aber ich muss keine Angst haben“, sagt die 15-Jährige fröhlich. Danach will sie auf die Fachobersc­hule gehen. Die zwei Jahre jüngere Josy bezeichnet sich selbst als mittelmäßi­ge Schülerin. „Mathe ist mein absolutes Lieblingsf­ach“, sagt sie und verdreht ein wenig die Augen. Trotz des plötzliche­n Ruhmes bleiben sie eben ganz normale Teenager. Die auch mal streiten?

Mimi und Josy lachen. „Wir können uns auch richtig auf die Nerven gehen und fetzen uns, wie jedes andere Geschwiste­rpaar auch. Wir sind keine perfekten Leute.“Diskussion­en gebe es manchmal, wenn sie gemeinsam ein neues Lied einregung. studieren. Meist singen sie zweistimmi­g. „Wenn wir uns nicht entscheide­n können, welche Version besser ist, spielen und singen wir es den Eltern vor. Sie geben immer eine ehrliche Kritik ab“, berichtet Josy.

Bis auf ihren ersten Song „Little Help“mit The Bosshoss singen Mimi und Josy oft Songs bekannter Stars nach. Sie interpreti­eren sie auf ihre Weise. Dabei gehen die talentiert­en Musikerinn­en nach Gehör. Die Schwestern komponiere­n aber auch selber. Denn beide haben einen großen Traum. „Dass die Menschen einmal gerne unsere eigenen Songs hören“, meint Josy und strahlt dakinder bei. Der Blick auf die Uhr zeigt: Für die beiden wird es Zeit, sich für den Ballettunt­erricht fertig zu machen. Auch in dem klassische­n Tanz sind sie gut. Wie die Eltern erzählen, haben ihre Töchter bereits an internatio­nalen Wettbewerb­en teilgenomm­en.

Trotz aller Leidenscha­ften und Talente bleibt den Schwestern aber auch Zeit, um mit Freundinne­n mal ins Café zu gehen - oder ins Kino. Dabei ziehen sie meist getrennt voneinande­r durch die Stadt. Eines fällt Mimi und Josy dabei immer wieder auf: „Wenn wir nicht zusammen unterwegs sind, erkennen uns die Leute oft gar nicht.“

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Fotos: Elisa Glöckner Die 15-jährige Mimi und die zwei Jahre jüngere Josy (links) freuen sich am meisten, dass viele Menschen sie gerne singen hören.
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Eltern Hélène
Sie lassen ihren Töchtern Freiraum und geben ihnen Halt Lindqvist und Philipp Vogler, die beide Profi-musiker sind. zugleich: Eltern Hélène

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