Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie Augsburg die verlorenen Putti zurück holte
Als in Frankreich vor Kurzem zwei Steinskulpturen auftauchten, war das eine Sensation. Sie stammen aus der Fuggerkapelle in St. Anna. Nun wurden sie versteigert und kommen auf komplizierten Wegen zurück in die Heimat
Es dauerte keine zehn Minuten, da war in Paris ein Stück Augsburger Geschichte für 2,35 Millionen Euro über den Tisch gegangen: Im Auktionshaus Sotheby’s wurden am Donnerstagnachmittag zwei Steinskulpturen versteigert, von deren Existenz bis vor kurzem noch gar niemand gewusst hatte. Der Fund hatte die Kunstwelt in Ekstase versetzt – nicht nur in Augsburg, für das die Putti eine herausragende Bedeutung haben. Deshalb wollte die Stadt sie unbedingt zurück haben. Am Ende bekam sie in Paris zwar nicht den Zuschlag – dennoch werden die Putti wohl bald nach Augsburg heimkommen. Eine komplizierte Geschichte, doch von Anfang an:
Die Figuren tauchten vor einigen Monaten im Nachlass der französischen Adelsfamilie Schickler-pourtalès auf. Sie sollten gemeinsam mit anderem Inventar des Familienschlosses Martinvast bei Sotheby’s versteigert werden. Schon bald war den Experten des Auktionshauses klar, wie besonders dieser Fund ist: Geschaffen im 16. Jahrhundert, zierte ein Ensemble von Engeln einst die Fuggerkapelle in der Augsburger Annakirche. Fünf Originale sind bis heute in ihrer Heimatstadt zu bestaunen: Sie „sitzen“im Maximilianmuseum. Ein Putto dagegen ging im 19. Jahrhundert verloren – und dass es noch einen siebten gibt, war gar nicht erst bekannt.
Christoph Emmendörffer, Leiter des Maximilianmuseums, sprach kurz nach dem Fund von einer sensationellen Wiederentdeckung. Deshalb setzten die Augsburger Kunstsammlungen alle Hebel in Bewegung, um die Putti zu ersteigern. Mithilfe der Ernst von Siemens Kunststiftung fädelte man einen Deal ein: „Wir haben schon früh Gespräche mit möglichen Interessenten geführt“, sagt Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung. Weltweit gebe es nur rund zehn bis 15 Leute, die als Käufer infrage kamen. Ihnen erläuterte man, wie wichtig es wäre, das Ensemble im Maximilianmuseum zusammenzuführen.
Und dann war da die Frage des Geldes: Sotheby’s hatte die Putti zunächst mit ein bis zwei Millionen Euro angesetzt, sie nach einer Begutachtung im Katalog aber anders gelistet: „Preis auf Anfrage“stand schließlich in der gedruckten Fassung. Martin Hoernes ist überzeugt, dass der Preis von 2,35 Millionen Euro, für den die Putti nun versteigert wurden, „sensationell“ist. „Wir hatten mit weitaus höheren Ausgaben gerechnet.“
Als Bieter in Paris vor Ort war die Bremer Galerie Neuse mit ihren Geschäftsführern Volker Wurster und Achim Neuse. Sie ersteigerten die Putti von Bildhauer Hans Daucher im Namen eines Konsortiums, hinter dem neben der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Stadt Augsburg auch der Bund steckt. Die Kulturstiftung der Länder hat ebenfalls eine Beteiligung an der Erwerbung in Aussicht gestellt. Der Stiftungsrat wird voraussichtlich auf seiner Herbstsitzung endgültig darüber entscheiden.
Es ist damit ziemlich wahrscheinlich, dass die sieben Putti der Fuggerkapelle bald wieder in Augsburg vereint sein könnten. Doch die Geschichte der kleinen, drallen Engel ist damit noch nicht zu Ende erzählt. Denn dass es einen siebten Putto gibt, wirft die bisherige Forschung über die Ausstattung der Fuggerkapelle erst einmal über den Haufen. „Man muss nun neu über Ausstattung und Architektur dieses bedeutenden Renaissancebaus nachdenken“, sagt Marin Hoernes. Die Wissenschaftler dürften einige Zeit damit beschäftigt sein.
Wie die Engel nach bisherigen Erkenntnissen einst angeordnet waren, kann man übrigens noch heute in der Annakirche sehen: Kopien der Putti zieren dort die Grablege der reichen Kaufmannsfamilie Fugger, an deren Gestaltung auch Albrecht Dürer beteiligt gewesen sein soll.