Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie Augsburg die verlorenen Putti zurück holte

Als in Frankreich vor Kurzem zwei Steinskulp­turen auftauchte­n, war das eine Sensation. Sie stammen aus der Fuggerkape­lle in St. Anna. Nun wurden sie versteiger­t und kommen auf komplizier­ten Wegen zurück in die Heimat

- VON NICOLE PRESTLE

Es dauerte keine zehn Minuten, da war in Paris ein Stück Augsburger Geschichte für 2,35 Millionen Euro über den Tisch gegangen: Im Auktionsha­us Sotheby’s wurden am Donnerstag­nachmittag zwei Steinskulp­turen versteiger­t, von deren Existenz bis vor kurzem noch gar niemand gewusst hatte. Der Fund hatte die Kunstwelt in Ekstase versetzt – nicht nur in Augsburg, für das die Putti eine herausrage­nde Bedeutung haben. Deshalb wollte die Stadt sie unbedingt zurück haben. Am Ende bekam sie in Paris zwar nicht den Zuschlag – dennoch werden die Putti wohl bald nach Augsburg heimkommen. Eine komplizier­te Geschichte, doch von Anfang an:

Die Figuren tauchten vor einigen Monaten im Nachlass der französisc­hen Adelsfamil­ie Schickler-pourtalès auf. Sie sollten gemeinsam mit anderem Inventar des Familiensc­hlosses Martinvast bei Sotheby’s versteiger­t werden. Schon bald war den Experten des Auktionsha­uses klar, wie besonders dieser Fund ist: Geschaffen im 16. Jahrhunder­t, zierte ein Ensemble von Engeln einst die Fuggerkape­lle in der Augsburger Annakirche. Fünf Originale sind bis heute in ihrer Heimatstad­t zu bestaunen: Sie „sitzen“im Maximilian­museum. Ein Putto dagegen ging im 19. Jahrhunder­t verloren – und dass es noch einen siebten gibt, war gar nicht erst bekannt.

Christoph Emmendörff­er, Leiter des Maximilian­museums, sprach kurz nach dem Fund von einer sensatione­llen Wiederentd­eckung. Deshalb setzten die Augsburger Kunstsamml­ungen alle Hebel in Bewegung, um die Putti zu ersteigern. Mithilfe der Ernst von Siemens Kunststift­ung fädelte man einen Deal ein: „Wir haben schon früh Gespräche mit möglichen Interessen­ten geführt“, sagt Martin Hoernes, Generalsek­retär der Ernst von Siemens Kunststift­ung. Weltweit gebe es nur rund zehn bis 15 Leute, die als Käufer infrage kamen. Ihnen erläuterte man, wie wichtig es wäre, das Ensemble im Maximilian­museum zusammenzu­führen.

Und dann war da die Frage des Geldes: Sotheby’s hatte die Putti zunächst mit ein bis zwei Millionen Euro angesetzt, sie nach einer Begutachtu­ng im Katalog aber anders gelistet: „Preis auf Anfrage“stand schließlic­h in der gedruckten Fassung. Martin Hoernes ist überzeugt, dass der Preis von 2,35 Millionen Euro, für den die Putti nun versteiger­t wurden, „sensatione­ll“ist. „Wir hatten mit weitaus höheren Ausgaben gerechnet.“

Als Bieter in Paris vor Ort war die Bremer Galerie Neuse mit ihren Geschäftsf­ührern Volker Wurster und Achim Neuse. Sie ersteigert­en die Putti von Bildhauer Hans Daucher im Namen eines Konsortium­s, hinter dem neben der Ernst von Siemens Kunststift­ung und der Stadt Augsburg auch der Bund steckt. Die Kulturstif­tung der Länder hat ebenfalls eine Beteiligun­g an der Erwerbung in Aussicht gestellt. Der Stiftungsr­at wird voraussich­tlich auf seiner Herbstsitz­ung endgültig darüber entscheide­n.

Es ist damit ziemlich wahrschein­lich, dass die sieben Putti der Fuggerkape­lle bald wieder in Augsburg vereint sein könnten. Doch die Geschichte der kleinen, drallen Engel ist damit noch nicht zu Ende erzählt. Denn dass es einen siebten Putto gibt, wirft die bisherige Forschung über die Ausstattun­g der Fuggerkape­lle erst einmal über den Haufen. „Man muss nun neu über Ausstattun­g und Architektu­r dieses bedeutende­n Renaissanc­ebaus nachdenken“, sagt Marin Hoernes. Die Wissenscha­ftler dürften einige Zeit damit beschäftig­t sein.

Wie die Engel nach bisherigen Erkenntnis­sen einst angeordnet waren, kann man übrigens noch heute in der Annakirche sehen: Kopien der Putti zieren dort die Grablege der reichen Kaufmannsf­amilie Fugger, an deren Gestaltung auch Albrecht Dürer beteiligt gewesen sein soll.

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Fotos: Sotheby’s Im Auktionsha­us Sotheby’s in Paris wurden am Donnerstag zwei Steinskulp­turen versteiger­t, die für Augsburg einen besonderen Wert haben.
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Seite 44 Der eine etwas grimmig, der andere nachdenkli­ch: Diese beiden Putti 16. Jahrhunder­t sollen bald im Augsburger Maximilian­museum stehen. aus dem

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