Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Warum es weiter Wohnungen braucht
Der Zuwachs an Einwohnern scheint allmählich zu einem Ende zu kommen, doch nach den vergangenen Jahren hat die Stadt Nachholbedarf an Wohnungen. Es müssen allerdings die richtigen sein
Die Zeiten des großen Bevölkerungszuwachses in Augsburg scheinen vorbei. Das ist ok – Wachstum um seiner selbst Willen bringt niemandem etwas. Im Gegenteil: Zuletzt machten sich die negativen Folgen wie Kita- und Wohnungsmangel bemerkbar. Irgendwann wäre der Verkehr dazugekommen.
Die Zuzügler haben auch das soziale Gefüge der Stadt geändert. Sie sind häufig überdurchschnittlich gut gebildet, jung und (noch) kinderlos – die Klientel, die sich höhere Mieten eher leisten kann. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das zu einem Verdrängungswettbewerb mit alt eingesessener Bevölkerung führen kann – vermutlich hat er schon eingesetzt.
Die andere Seite der Medaille ist: Augsburg als Stadt mit dem statistisch höchsten Armutsrisiko in Bayern tut der Zuzug von hoch qualifizierten Beschäftigten gut. Sie steigern die durchschnittliche Kaufkraft und bringen über die Steuern Geld ins Stadtsäckel. Die Frage ist:
Bleiben die Zuzügler auch in der Stadt oder ziehen sie nicht früher oder später weiter, weil woanders das bessere Jobangebot lockt?
Und dann ist der Blick auch auf eine andere Gruppe unter den Zuzüglern zu richten: Das Wachstum der vergangenen Jahre speiste sich zum großen Teil aus Ausländern. Flüchtlinge spielen nicht die große Rolle, sondern Eu-ausländer, vor allem aus Osteuropa. Der Arbeitsmarkt saugt diese Menschen auf, doch klar ist auch, dass sich auch dadurch das soziale Gefüge der Stadt ändert. Die Zahl der Augsburger ohne Migrationshintergrund geht seit Jahren leicht zurück, die Zahl der Augsburger mit ausländischem Pass ist in den vergangenen Jahren hingegen überproportional stark gestiegen. Augsburg hat gezeigt, dass es die Herausforderungen der Integration meistern kann – einfach wird es auch in Zukunft nicht sein.
Das kurzfristig drängendste Problem ist aber: Wo sollen all die neuen (und bisherigen) Bürger wohnen? Und wie lassen sich die Wohnkosten für alle im Rahmen halten? In den vergangenen Jahren dürfte die Leerstandsquote bei den Augsburger Wohnungen angesichts des Zuzugs deutlich nach unten gegangen sein. Reserven gibt es inzwischen also kaum noch. Allein schon um Entspannung in den Wohnungsmarkt zu bringen, ist es wünschenswert, dass weiter gebaut wird. Der Wunsch hat nichts damit zu tun, dass so neue Bewohner angelockt werden sollen. In München gibt es schon Bürgerinitiativen, die ein weiteres Wachstum der Stadt stoppen wollen, um Zubau und Verdichtung zu verhindern. Das ist verständlich, führt aber zu nichts – außer, dass der Druck im Kessel für die Bestandsbevölkerung wächst. Letztlich muss es darum gehen, Wachstum halbwegs verträglich zu gestalten – bei Neubaugebieten wie auch bei Nachverdichtung. Die Stadt hat zuletzt neue Baugebiete mit hunderten von Wohnungen ausgewiesen, weitere Projekte in dieser Größenordnung sind in Bearbeitung. Spannend wird sein, wie es in Haunstetten-südwest laufen wird. Das riesige Gebiet dürfte ab 2025 bebaut werden können – unklar ist, ob dann überhaupt noch so viele Wohnungen gebraucht werden oder nicht. Doch es wäre fahrlässig, wenn die Stadt sich keine Gedanken über das Thema machen würde. Zumindest ist es nötig, einen Plan in der Schublade zu haben, auch im Hinblick darauf, dass Entwicklungen wie die Uni-klinik in ihren Auswirkungen nicht voll abschätzbar sind und der Wohnungsdruck in München noch wachsen könnte, was auch Auswirkungen auf Augsburg hätte. Im Hinterkopf muss die Stadt auch etwas anders haben: Die stagnierenden Einwohnerzahlen und demografischen Entwicklungen können damit zu tun haben, dass junge Familien ins Umland ziehen, weil sie in Augsburg kein bezahlbares Eigentum finden. Doch gerade junge Familien gälte es im Sinne einer zukunftsfähigen Stadtentwicklung zu halten. Die Stadt hat ein Familienförder-programm, doch die Grundstückszahl ist überschaubar. Und im Hinblick auf die Stadtplanung ist es ein Dilemma, dass Familien auf Reihen- oder Einfamilienhäuser mit Garten aus sind – die Wohnform, die in der Stadt mit ihrer Flächenknappheit am schwierigsten zu realisieren ist.
Und auch ein anderer Punkt ist wichtig: Als Heilmittel „Bauen, bauen, bauen“zu propagieren, greift zu kurz. Richtig ist: Neue Wohnungen müssen her, aber es müssen auch die richtigen sein. Ein Konzept, das den Anteil von geförderten Wohnungen in Neubaugebieten sowie weitere Rahmenbedingungen festlegt, ist überfällig. Die Stadt will es im Sommer vorstellen.