Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Betrifft: Mitmachen

- 48 ZEILEN ZUM WOCHENENDE (mls)

Passivität hat ein verheerend­es Image. In einer Gesellscha­ft, die Aktivität und Aktion fordert und fördert, ist für das Nichttun kein Platz. Passiv = positiv? Außer dem Passivhaus und vielleicht einer passiven Fahrweise fällt einem da beim besten Willen gar nichts Passables ein. Gegen die Attraktivi­tät der Aktivität ist nicht anzukommen.

Eine Spielart des Aktivseins ist das Mitmachen. Mitmachen statt nur passiv aufzunehme­n – das umgibt uns inzwischen wie ein Naturgeset­z. Freizeit und Kultur müssen Spaß machen. Und was macht Spaß? Mitmachen. Und so kommt heute keine Ausstellun­g, kein Museum mehr aus ohne Mitmachsta­tion, ohne Mitmachang­ebote, Mitmachins­eln. Das Publikum wird animiert und aktiviert. Gesucht: Aktivposte­n.

Zwar richten sich die meisten Aktivitäte­n in dieser Hinsicht auf Kinder und Familien, die die Qual der Wahl haben zwischen Mitmachmus­een und Mitmachwer­kstätten. Doch ist die Animation zur Aktivität (Ausprobier­en!), ja das Einfordern von Mitmachfre­ude längst keine Kinderbesp­aßungsnisc­he mehr. Mitmachen ist im Theater genauso erwünscht wie im Zirkus. Mitmachstü­cke, Mitmachmög­lichkeiten, Mitmachspe­ktakel, ja auch Mitmachkon­zerte und Mitmachkin­o lauern.

Aktionismu­s ist eine Allzweckwa­ffe. Wer lieber auf Distanz bleibt und sich – in Ruhe studierend, betrachten­d und zuhörend – passiv verhält statt sich einzubring­en, hat keinen leichten Stand. Mitmacher und Aktive hier, Miesmacher und sich berieseln Lassende dort: es geht ein Riss durch die Gesellscha­ft. Inzwischen nennen sich auch Parteien gerne Mitmachpar­teien. Was also tun im Angesicht all der Aktionstag­e und Interaktio­nsangebote? Vielleicht: Mitmachen, ohne alles mit sich machen zu lassen. Und sich freuen an subversive­n Passivakti­onen wie dem Mittagssch­laf.

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