Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Mit dem Leben spielen“
Bei dem Gesellschaftsspiel „Mensch ärgere dich nicht“gilt die Regel: Wenn man mit der eigenen Figur auf das Spielfeld des Mitspielers trifft, dann muss seine Figur weichen. Aber es ist ja nur ein Spiel. Er kann noch mal von vorne anfangen. Über hundert Jahre ist dieses Spiel mittlerweile alt. Neue Spiele sind hinzugekommen. Die Figuren unterscheiden sich nicht nur in den Farben, sie haben Eigenschaften, die sie in bestimmter Hinsicht anderen Spielfiguren überlegen sein lassen, z. B. an Schnelligkeit oder auch Schlagkraft.
Ich erinnere mich, wie einer unserer Söhne das Spiel „Das Schwarzes Auge“, ein Fantasy-spiel, mit ins Haus brachte. Die Spielfiguren waren nicht nur Menschen, sondern Zwerge, Orks, Drachen usw. Sie regten die Fantasie unseres Sohnes und seines Freundes so an, dass sie sich noch weitere Figuren mit besonderen Eigenschaften ausdachten und als Pappfiguren im Spiel auftreten ließen. Letztlich ging’s bei dem Spiel ums Überleben und Vernichten. Mittlerweile hat sich die Spielwelt dieser Fantasy-spiele mithilfe der Elektronik in eine virtuelle Welt verwandelt, die einen geradezu gefangen nimmt. Meist geht es darum, dem anderen überlegen zu sein, was der als Bedrohung empfindet. Man könnte allerdings auch so spielen, dass unterschiedliche Charaktere die Welt bereichern und die Gemeinschaft ergänzen, anstatt sich gegenseitig den Kampf anzusagen. Dass eine Vielfalt existiert, die letztlich für das Überleben aller wichtig ist. Bei kleinen Kindern habe ich schon beobachtet, wie sie mit großer Freude und ganz entschieden alle bunten Spielfiguren einfach auf das Spielbrett stellen, weil sie alle so schön und wichtig finden. Ist das nicht ein „göttliches Zeichen“, dass im Leben keiner ausgeschlossen sein soll, oder wie der Apostel Paulus meint, dass wir alle Glieder am Leib Christi sind, egal ob wir äußerlich gesehen als ein großes oder kleines Organ erscheinen. Nach dieser Spielregel können wir im Leben miteinander umgehen und dabei alle gewinnen.