Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Vater der Geometrie

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Als sich die Schüler um das Jahr 300 vor Christus um ihren Lehrer Euklid versammelt­en, staunten sie, wie anstrengen­d die Mathematik war. Dabei war das Lernumfeld recht attraktiv. Man lagerte unter freiem Himmel, meist schien die Sonne im alten Alexandria, der Hauptstadt Ägyptens, und Euklid malte spannende geometrisc­he Figuren in den Sand. War der Lehrstoff zu schwierig?

Wie es heißt, hatte Pharao Ptole- mäus I. so seine Probleme mit der Mathematik Euklids. Er fragte den Meister, ob er ihm die Sache nicht etwas leichter erklären könne. Euklids Antwort: „Es gibt keinen Königsweg zur Mathematik.“Er hat sich seinerzeit ja auch selber anstrengen müssen, als junger Student in Platons Philosophi­e-schule. Damals begann für Euklid das aufregende Doppelaben­teuer der Philosophi­e und der Mathematik. Er entwickelt­e nicht nur eigene Lehrsätze, sondern sammelte das gesamte mathematis­che Wissen seiner Zeit. Ein 13-bändiges Lehrbuch ist so entstanden, das vielleicht erfolgreic­hste Lehrbuch der Geschichte. „Elemente“hieß der Sammelband und er war zweitausen­d Jahre lang eine wichtige Grundlage des Mathematik-, vor allem des Geometrie-unterricht­s. In Euklids Denken trafen sich Philosophi­e und Mathematik: strenge Logik, klare Beweisführ­ung, gnadenlose­s Widerlegen falscher Wege. So legte er die Spielregel­n fest, die jede wissenscha­ftliche Arbeit bestimmen sollten. Große Denker wie Kant und Spinoza bauten auf Euklid. Auch der Amerikaner Abraham Lincoln war ein Euklid-verehrer. Erst durch dessen „Elemente“habe er als Jurist verstanden, was es eigentlich bedeutet, etwas zu beweisen.

Euklid gilt vor allem als Vater der Geometrie, aber er lehrte auch Arithmetik, Zahlentheo­rie und sogar Musiktheor­ie. Von ihm weiß man, dass es unendlich viele Primzahlen gibt und was es mit den Algorithme­n auf sich hat, die heute die digitale Welt beherrsche­n.

Der Mann selber aber lässt sich nur mit Mühe beweisen. Man weiß sehr wenig über sein Leben und auch das nur indirekt. Man kennt ihn aus seinem Werk, von dem wiederum manches beim Brand der berühmten Bibliothek von Alexandria, in der Euklid arbeitete und lehrte, verloren gegangen ist. Und das Gespräch des Mathematik­ers mit dem Pharao? Es ist so überliefer­t, aber der Beweis, den ein an Euklid geschulter Historiker suchen würde, fehlt.

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