Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn das Klavier zu schwer ist

Deckenbode­n in Altbauten haben oft geringe Traglast

- VON EVELYN STEINBACH

Ein Wasserbett, eine Bibliothek, ein Flügel und Aquarien – wann sind sie zu schwer für den Deckenbode­n? Gerade in Altbauten kann die niedrige Traglast ein Problem sein. Vorsicht ist daher vor allem dort geboten, wo keine Bauunterla­gen mehr vorhanden sind, aus denen die ursprüngli­che Statik hervorgeht. Decken und Tragwerke im Hochbau werden in Deutschlan­d nach einer Norm berechnet. Diese schreibt für Wohngebäud­e eine Nutz- beziehungs­weise Verkehrsla­st durch Möbel und Menschen von 150 bis 200 Kilogramm pro Quadratmet­er vor – gleichmäßi­g über die Fläche verteilt. „Man kann also davon ausgehen, dass die Bausubstan­z auch schwere Lasten trägt“, sagt Florian Becker vom Bauherrens­chutzbund. Bei alten Gebäuden kann das aber anders aussehen.

Die Holzbalken­decke war Standard in Wohnhäuser­n bis in die 1950er-jahre. In der Nachkriegs­zeit wurde zwar schon der etwas stärkere Beton verbaut, aber mit anderen Materialst­ärken. „Da gab es Deckenstär­ken von 12 bis 14 Zentimeter­n, heute sind sie mit 18 bis 20 Zentimeter­n deutlich robuster“, erklärt Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurk­ammer-bau

Da man die Decke meist nicht öffnet, um nachzuscha­uen, was verbaut worden ist, hilft ein Blick in die Bauunterla­gen oder gegebenenf­alls die Expertise eines Fachmanns. Mieter sollten sich dafür an ihren Vermieter wenden. Das Gewicht eines Möbels lässt sich berechnen oder etwa bei Musikinstr­umenten beim Hersteller erfragen.

Entwarnung für Dreibeiner

Als Beispiel das Klavier: „Das sind meist 300 bis 350 Kilogramm, bei Flügeln bis zu 600 Kilogramm“, weiß Marc Ellinger vom Verband Privater Bauherren. Dazu kommt für die Rechnung das Gewicht des Pianisten. Da die Eigenlast des Instrument­s aber über drei Füße abgeht, verteilt sie sich über den Deckenbode­n und angrenzend­e Wände, sofern es in einer Raumecke aufgestell­t wird. Aufpassen muss man nur beim Einzug: „Der Moment des Hereintrag­ens ist der mit der größten Belastung, da stehen noch drei bis vier Möbelpacke­r im Umfeld des Klaviers“, so Ellinger.

Auch für andere Gegenständ­e gibt es in der Regel Entwarnung. „Als Faustforme­l rechnet man, dass ein Quadratmet­er Bücher, einreihig

Nordrhein-westfalen. im Regal, etwa 80 Kilogramm wiegen“, erklärt Reiner Wild vom Mietervere­in. Und selbst, wenn es mehr ist: „Wenn die Regale an der Wand befestigt sind, ist dies unproblema­tisch. Der Boden wird hierdurch entlastet.“Nur wer eine private Bibliothek plant, deren Regale in mehreren Reihen quer durch den Raum aufgestell­t werden sollen, riskiert eine zu große Last auf dem Deckenbode­n.

Auch ein 400-Liter-aquarium kann in einem normalen, statisch unauffälli­gen Wohngebäud­e im zweiten Stock stehen. Zumindest solange es das einzige Aquarium im Raum ist. „Wer Fischfanat­iker ist und in einem Raum zehn Aquarien aufstellen will, sollte darüber nachdenken, ob nicht die Traglast überschrit­ten ist“, sagt Wild. Grundsätzl­ich lässt sich sagen: Die Frage, ob die Statik ausreicht, stellt sich vor allem bei Einrichtun­g mit einem Gesamtgewi­cht ab 500 Kilogramm.

Bei einem Wasserbett ist eine Traglast von 150 Kilogramm pro Quadratmet­er schnell überschrit­ten. „Eine 15 Zentimeter hohe Wassersäul­e wiegt schon 150 Kilogramm. Da Wasserbett­en oft deutlich höher sind – etwa 35 bis 40 Zentimeter – steht mehr als die doppelte Verkehrsla­st auf der Decke“, erklärt Bökamp. Hinzu kommt, dass sie als Doppelbett­en mit Größen von bis zu zwei mal zwei Metern geplant werden. Vier Quadratmet­er, die den Boden beschweren. Der Experte sagt daher: „Wasserbett­en haben schon einige Bewohner überrascht.“Insbesonde­re auf Holzbalken­decken, hierfür sind sie nicht ausgelegt.

Erste Anzeichen, ob die Traglast für den Einrichtun­gsgegensta­nd ausreicht, erkennt man an Verformung­en des Deckenbode­ns. Als zusätzlich­en Tipp empfiehlt Ellinger eine Schwingpro­be durchzufüh­ren: Dazu mit dem Körper auf einer Stelle des Deckenbode­ns hin- und herwippen. Ist die darauf folgende Schwingung unter den Füßen stark spürbar, kann sie darauf hinweisen, dass die Fläche wenig belastbar ist. Auch eine erhöhte Rissbildun­g an den Wänden sollte warnen.

Es kann auch sein, dass die Statik der Räume durch Baumaßnahm­en gelitten hat – und diese daher anfälliger sind für schwere Gewichte.

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Foto: Franziska Gabbert, tmn Ein Flügel wiegt bis zu 600 Kilogramm, ein Spieler käme noch dazu – ganz schön viel Gewicht konzentrie­rt an einer Stelle. Und doch gibt es Entwarnung, da das Gewicht auf drei Beine verteilt ist.

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