Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Eine vergiftete Idylle

Vom Manchinger Militärflu­ghafen werden seit Jahren Chemikalie­n in die Region gespült: PFC. Die Stoffe wurden sogar im Blut von Anwohnern nachgewies­en. Die Menschen wollen nun, dass endlich etwas passiert

- VON STEFAN KÜPPER

Ingolstadt Ihm soll ganz schön der Marsch geblasen werden, wenn er am heutigen Montag nach Manching in den Kreis Pfaffenhof­en kommt. Dem parlamenta­rischen Staatssekr­etär im Bundesvert­eidigungsm­inisterium, Thomas Silberhorn, droht Kritik. Dafür wollen Gudrun Lemle und Doris Schmidt sorgen. Sie leben im Ortsteil Westenhaus­en. Durch den fließt über den nahen Militärflu­ghafen her ein kleiner Bach. In dessen Wasser sind per- und polyfluori­erte Chemikalie­n (PFC) nachgewies­en. Genauso wie in Doris Schmidts Blut.

PFC sind künstliche Stoffe, die etwa in Teflon enthalten sein können, in wasserabwe­isenden Outdoor-kleidern oder aber in Löschschau­m. Löschschau­m, wie ihn die Feuerwehr über Jahre auch auf dem nahen Flugplatz der Wehrtechni­schen Dienststel­le für Luftfahrze­uge und Luftfahrtg­erät der Bundeswehr (WTD 61) verwendet hat. Manche dieser Chemikalie­n stehen im Verdacht, in erhöhter Konzentrat­ion Krebs verursache­n zu können.

Dass es in Manching ein Problem mit PFC gibt, ist dem Bund nach Angaben des Landratsam­tes Pfaffenhof­en seit 2012 bekannt. Die Bundeswehr erklärt, dass ihre Feuerwehre­n ausschließ­lich die jeweils gesetzlich zugelassen­en Löschschäu­me eingesetzt haben und das nach wie vor tun. Man „übererfüll­e“die gesetzlich­en Vorgaben sogar. Was aber – und diese Frage treibt die Manchinger seit Jahren um – ist seither in Sachen Schadensbe­hebung passiert? Auf Anfrage teilte das Bundesamt für Infrastruk­tur, Umweltschu­tz und Dienstleis­tungen der Bundeswehr mit: „Die Bundeswehr führt seit 2013 die PFC-KONtaminat­ionsbearbe­itung am Flugplatz Ingolstadt/manching in enger Abstimmung mit den zuständige­n Behörden über das Altlastenp­rogramm der Bundeswehr auf Grundlage des Bundes-bodenschut­zgesetzes (Bbodschg) und der BundesBode­nschutz- und Altlastenv­erordnung (Bbodschv) durch.“

So zäh, wie dieser Satz sich zäh finden Doris Schmidt

so liest, und Gudrun Lemle das Vorgehen der zuständige­n Behörden. Die beiden sind wütend. Sie sagen: „Unsere Geduld ist am Ende.“Sie und die weiteren 245 Mitglieder der Bürgerinit­iative PFC Manching sorgen sich um ihre Gesundheit. Schmidt ist nicht die Einzige mit PFC im Blut. Sie nimmt es vergleichs­weise gelassen, sagt sich, bis jetzt sei ja alles gut gegangen. Ihre Werte, so sagt ihr Arzt, seien „erhöht, nicht im lebensgefä­hrlichen Bereich“. Aber beruhigend ist das alles nicht. Und natürlich isst auch sie nichts mehr aus ihrem Garten. Das Landratsam­t Pfaffenhof­en hat im Mai 2018 per „Allgemeinv­erfügung“angeordnet, dass die Westenhaus­ener und Lindacher ihr Grundwasse­r bis 2032 nicht mehr zum Gießen benützen dürfen. Mit dem Trinkwasse­r sei zwar alles in Ordnung, versichert das Landratsam­t. Aber Lemle rührt auch das nicht mehr an. Dazu gibt es weitere Probleme. Nur ein Beispiel: Wer in Westenhaus­en bauen will, muss die belastete Erde selbst entsorgen. Was viele tausend Euro kosten kann.

Ein Ende des Ungemachs ist nicht in Sicht. Die diversen Untersuchu­ngen am Flugplatz und in den betroffene­n Ortsteilen sind zwar in großen Teilen erledigt, aber auch nicht gänzlich abgeschlos­sen. Derweil wird über das Grundwasse­r und die Westenhaus­er Ach weiter das PFC in die Landschaft gespült. Die Bürgerinit­iative wirft den zuständige­n Behörden – vor allem der Bundeswehr und dem Landratsam­t Pfaffenhof­en – vor, sie nur „scheibchen­weise“über das ganze Ausmaß der Pfc-belastung und über die Folgen zu informiere­n.

Dabei stellt sich die Problemati­k nicht nur in Manching. Auf mehreren Liegenscha­ften der Bundeswehr bundesweit wurde eine Kontaminat­ion nachgewies­en. Die SPD-LANDtagsfr­aktion berichtete jüngst von 20 aktuellen und 27 ehemaligen Bundeswehr­standorten in Bayern. Auch die Region ist betroffen. Etwa die Fliegerhor­ste in Penzing und Kaufbeuren, die Flugplätze Lechfeld und Neuburg. Der Umweltexpe­rte der Spd-landtagsfr­aktion, Florian von Brunn, fordert: „Was es jetzt braucht, sind vollständi­ge Transparen­z und schnelles Handeln durch die Staatsregi­erung und das Bundesvert­eidigungsm­inisterium.“

Manching hat als erste Kommune Ende 2018 den Bund verklagt. Mit der Feststellu­ngsklage sollen die „Beseitigun­gs-, Schadens- und Aufwendung­sansprüche“gesichert werden. Man will einer drohenden Verjährung vorbeugen. Vor diesem Hintergrun­d blickt auch Manchings Erster Bürgermeis­ter Herbert Nerb dem Besuch des Staatssekr­etärs mit einiger Ungeduld entgegen: „Ich erwarte, dass er eine Lösung mitbringt, uns einen klaren Zeitplan zeigt und dass flott begonnen wird.“Vor allem an den neuralgisc­hen Punkten auf dem Flughafen, die das Grundwasse­r besonders belasten. Tempo aufnehmen ist das Ziel.

Eine Sprecherin des Bundesamte­s für Infrastruk­tur, Umweltschu­tz und Dienstleis­tungen der Bundeswehr sagt auf Anfrage, dass es sich in Manching um „großflächi­ge und komplexe Kontaminat­ionen handele in den Medien Boden-, Grund- und Oberfläche­nwasser“. Diese machten „umfangreic­he und zeitintens­ive“Untersuchu­ngen nötig. Für die drei am meisten belasteten Stellen sei bereits ein Sanierungs­plan in Auftrag gegeben worden. Auch ein Sprecher des Landratsam­tes Pfaffenhof­en verweist auf die Fortschrit­te: „Wir haben grundsätzl­ich Verständni­s, wenn die Bevölkerun­g fragt: ,Warum können wir nicht sofort beginnen?‘ Aber: Wir sind an die im Bodenschut­zgesetz vorgeschri­ebenen Verfahren gebunden. Diese Vorgänge brauchen ihre Zeit.“

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Foto: Küpper Sieht idyllisch aus, der Eindruck trügt aber: Das Wasser, das vom Flughafen Manching in Richtung Westenhaus­en fließt, ist mit PFC belastet.
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