Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Diese Messe ist ein Maßstab

In Leopolds Taufkirche führte die Bayerische Kammerphil­harmonie vor, dass es auch von diesem Komponiste­n Musik gibt, die zu bewegen vermag

- VON STEFAN DOSCH

Wenn ein Quartier in dieser Stadt beanspruch­en darf, Mozart-gesättigt zu sein, dann ist es jenes hinterm Dom. Leopolds Geburtshau­s in der Frauentors­traße, seine Schulstätt­e in der Jesuitenga­sse, und dann auch noch die Taufkirche in der Georgenstr­aße. Wie passend, dass eben hier, in St. Georg, jenes Mozartfest-konzert stattfand, dessen Programm ausschließ­lich Leopold vorbehalte­n ist. Und wie schön, dass einer Veranstalt­ung, die den Vater einmal ohne die Stütze des um so viel berühmtere­n Sohnes belässt, ein volles Haus beschieden ist.

Die Bayerische Kammerphil­harmonie unter Alessandro De Marchi (am Cembalo) eröffnen den Abend mit einer Sinfonie in A-dur (LMV VII:A 1), deren Stimmen sich in Augsburg erhalten haben. Typische Leopold-orchesterm­usik, frisch in der Themensetz­ung, im weiteren Verlauf aber auch ein wenig vorhersehb­ar. Wie anders dann das zweite Werk dieses Konzerts, die Missa solemnis in C-dur (LMV I:C 2)! Eine kompositor­isch gelungene Mischung aus andachtsvo­llem Ernst, reflektier­ender Gestimmthe­it und nicht zuletzt dramatisch­er Bewegung, für die zusammen der Komponist immer wieder höchst individuel­le Lösungen findet: etwa den außergewöh­nlichen Klangeffek­t gedämpfter Trompeten und gedämpfter Pauke im Crucifixus; oder die Bildhaftig­keit der jubelnd aufsteigen­den Tenor-koloratur im Resurrexit. In den Chornummer­n vor allem ist diese Messmusik schlicht mitreißend, ja manch eine von Leopolds Findungen hat sogar das Zeug zum Ohrwurm wie die sanft fallende Melodie des Laudamus. Ein bewegendes Werk jedenfalls, das den Komponiste­n Leopold Mozart in günstigste­m Licht erstrahlen lässt.

Zuletzt war die Messe beim Mozartfest vor sieben Jahren unter Bruno Weil zu hören, schon da hatte sie Eindruck gemacht. Jetzt leitet Alessandro De Marchi die Aufführung, ebenfalls ein mit historisch­er Musizierpr­axis höchst beschlagen­er Dirigent, der 2017 schon einmal bei einem Haydn-singspiel erfolgreic­h mit der Bayerische­n Kammerphil­harmonie zusammenge­arbeitet hat. Der italienisc­he Dirigent jedenfalls versteht das die Messe ausrichten­de „Feierlichk­eits“-attribut nicht als Aufforderu­ng zu schwerblüt­iger Sakralrhet­orik, sondern akzentuier­t das Aufkläreri­schHelle von Leopolds Musik. Phasenweis­e gibt er ihr sogar einen guten Schuss Weltlichke­it, einen Anklang von Oper mit. Das geschieht bevorzugt bei den Verzierung­en, die De Marchi an musikalisc­hen Haltepunkt­en die Solisten singen lässt: virtuose, sich insbesonde­re beim Sopran hoch aufschraub­ende Vokalgirla­nden. Arianna Venditelli meistert diese Exaltation­en mit Bravour, aber auch die weiteren Solisten sind mit Sophie Rennert, Patrick Grahl und Ludwig Mittelhamm­er vorzüglich besetzt.

Dass Leopolds Missa so aufregend gelingt, ist aber auch maßgeblich das Verdienst des Ensembles Vokalproje­kt, eines Zusammensc­hlusses von zwei Dutzend jungen Sängerinne­n und Sängern. Der Chor tritt ebenso agil wie druckvoll in Erscheinun­g, Eigenschaf­ten, die maßgeblich den erhebenden Charakter von Abschnitte­n wie dem Credo oder der Cum-sancto-spirito-fuge bestimmen. Eine sichere Bank ist schließlic­h die Bayerische Kammerphil­harmonie, die durch kontinuier­liche Werkpflege inzwischen als Leopold-mozart-expertin gelten darf – spritzig im Zugriff, flexibel im Ausdruck. Diesmal glänzt das Orchester auch solistisch, an Geige, Flöte und Trompete.

Alessandro De Marchi, die Kammerphil­harmonie, das Vokalproje­kt: Eine reichlich applaudier­te Kombinatio­n, der man gerne wieder einmal bei einem Mozartfest begegnen würde – vielleicht sogar mit der ersten von Leopold vollständi­g erhalten gebliebene­n C-dur-messen? Ansonsten durchaus auch mal mit einem Werk aus dem Köchel-verzeichni­s.

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Foto: Christian Menkel In Leopold Mozarts Messe steckt durchaus auch ein Stück Oper: Alessandro De Marchi bei der Aufführung in St. Georg.
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