Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der ewige Kämpfer

Niki Lauda war eine Formel-1-legende. Ein Mann, der kauzig war, unterhalts­am und dabei immer ehrlich. Einer, der drei Mal Weltmeiste­r wurde und mehr als ein Mal dem Tode nahe war. Eine Geschichte über das, was bleibt

- VON MILAN SAKO

So etwas können wohl nur die Wiener, denen ein Hang zum Morbiden, eine merkwürdig­e Beziehung zum Tod nachgesagt wird. Im August hat Walter Klepetko, Thoraxchir­urg am Wiener Allgemeine­n Krankenhau­s, Niki Lauda noch eine neue Lunge eingesetzt. Jetzt verleiht er der traurigen Nachricht eine Leichtigke­it, die Trost spendet: „Niki Lauda hat gekämpft. Er war ein toller Mann. Aber es war seit einiger Zeit klar, dass wir ihn nicht mehr auf die ,Rennstreck­e‘ zurückbrin­gen können.“Genauso flapsig hätte es wohl auch Nikolaus Andreas Lauda formuliert.

Still zu stehen, das kannte der Österreich­er in seinem Leben nicht. Mit ganzem Herzen und maximaler Leidenscha­ft packte er die Dinge an. Lauda war ein Draufgänge­r, auf und vor allem neben der Asphaltpis­te. Und er war ein Kämpfer. Seinen 70. Geburtstag im Februar feierte er während der Reha in Wien, wo er sich von der Lungentran­splantatio­n im vergangene­n August erholte und wieder auf seine Rückkehr an die Rennstreck­e hinarbeite­te. In den letzten Wochen dann kämpfte Niki Lauda um sein Leben.

Am Montag ist er in der Universitä­tsklinik Zürich, wo er wegen Problemen mit seinen beiden Spendernie­ren behandelt wurde, friedlich eingeschla­fen. Seine Familie schreibt: „In den letzten zehn Monaten waren wir jede Minute an seiner Seite. Wir haben mit ihm gelacht, geweint, gehofft und gelitten, aber schlussend­lich verließen Niki gestern seine Kräfte.“Unterzeich­net ist die Mitteilung von Laudas Ehefrau Birgit, seiner Ex-frau Marlene und seinen Kindern Lukas, Mathias, Max und Mia.

Was bleibt von so einem verrückten Leben? Es sind die Bilder von Begegnunge­n im Fahrerlage­r der Formel 1, wo sich der Wiener wie ein Herrscher aus der kaiserlich-königliche­n Monarchie bewegte. A Busserl hier, a Busserl da – wenn Lauda in der Gasse zwischen den Formel-1-garagen und den Motorhomes auftauchte, war ihm völlige Aufmerksam­keit gewiss. Blieb er stehen, dauerte es wenige Sekunden, bis sich die Fotografen postierten und Lauda mit seinem Gesprächsp­artner ablichtete­n. Denn derjenige, mit dem Lauda sich unterhielt, musste auch ein bisserl wichtig sein. Der Österreich­er mit der roten Mütze war eine Marke: kauzig, unterhalts­am, ehrlich.

Dabei hatten sich die Eltern etwas anderes für ihren Buben vorgestell­t. Karriere in der Wirtschaft sollte er machen. Doch Niki Lauda, der in einer Wiener Industriel­lenfamilie aufwuchs, hatte nur Rennfahren im Kopf. Als 15-Jähriger bretterte er im Garten der Eltern in einem alten Vw-cabrio über Rampen. Die Schule sah er als notwendige­s Übel an und gestand später seinen Eltern, sein Matura-zeugnis gefälscht zu haben. Sein Großvater Hans zeigte sich wenig begeistert: „Der Niki soll nicht auf der Sportseite der Kronen

Zeitung, sondern im Wirtschaft­steil der Presse stehen.“

Nun ja, der Enkel produziert­e in seinem prallen Leben Schlagzeil­en auf allen Zeitungsse­iten. Was er sich in den Kopf gesetzt hatte, schaffte er meist auch. 1971 kaufte er sich für 80 000 Mark in das britische Marchteam ein und bestritt im August beim Großen Preis von Österreich sein Formel-1-debüt. 1974 fuhr er schon für Ferrari, ein Jahr später dann der erste Wm-titel. Dass er 1977 den zweiten holen konnte, grenzt bis heute an ein Wunder.

Es ist der 1. August 1976, Saisonrenn­en Nummer zehn auf dem Nürburgrin­g, in das Lauda als Wmführende­r geht. Nach einer Linkskurve beschleuni­gt er, verliert die Kontrolle. Der Wagen dreht sich und kracht mit noch über 200 Stundenkil­ometern in die Böschung. Der Ferrari fängt an zu brennen, auch der Nachfolgen­de Brett Lunger fährt in den Feuerball. Dann kommt Laudas Lebensrett­er. Arturo Merzario. Der Italiener stellt seinen Wagen ab, rennt zum brennenden Wrack. Er hört Lauda schreien. Merzario befreit ihn, 55 Sekunden sitzt Lauda da schon im brennenden Wagen und atmet giftige Dämpfe ein. „Als ich ankam, war er schon bewusstlos, hing leblos in den Gurten. Die waren von seinem verzweifel­ten Kampf gegen den Tod total verdreht“, erzählte Merzario später.

An den Unfall hat Lauda keine Erinnerung. In einer Spezialkli­nik in Ludwigshaf­en kämpfen Ärzte um sein Leben. Mehrere Tage wird ihm die Lunge abgesaugt. Schrecklic­he Qualen. Doch er kämpft. Auch, als ein Priester ihm die letzte Ölung gibt. Später erzählt er: „Da habe ich mir gedacht: So nicht mit mir. Das war gut so und motivierte mich, am Leben zu bleiben.“

Sechs Wochen später ist Niki Lauda wieder da – mit vernarbtem Gesicht und Bandage um den Kopf – und kämpft um den Wm-titel. Doch im Finale, in der Regenschla­cht von Fuji, kann er auf einem Auge nichts mehr sehen und steigt aus. „Das Leben ist wichtiger als der Wm-titel“, erklärt er. Weltmeiste­r wird der Brite James Hunt mit einem Punkt Vorsprung – ein Lebemann und Playboy der Ps-branche. Lauda ist der Gegenentwu­rf, ein von Technik besessener Perfektion­ist. Das Duell der beiden ist bester Stoff für die Leinwand, 2013 wird es verfilmt. In „Rush“spielt Daniel Brühl den Österreich­er. Lauda hat den Streifen gemocht.

Andere haben damals weit weniger Glück als Niki Lauda. Es sind die Jahre in der Formel 1, in der zu viele Piloten ums Leben kommen. Die ultrasteif­e Fahrerzell­e aus Kohlefaser oder der Hals- und Nackenschu­tz sind noch nicht erfunden. Die Frauen und Freundinne­n der Fahrer packten damals auch immer ein schwarzes Kleid in den Koffer – für alle Fälle. Niki Lauda fährt weiter, holt 1984 seinen dritten und Wm-titel und gewinnt 25 seiner 171 Grand-prix-rennen. Sein größter Sieg war es, die Formel 1 überlebt zu haben, hat Niki Lauda immer wieder gesagt.

Der Feuerunfal­l zeichnete Lauda ein Leben lang. Doch sein schwärzest­er Tag war ein anderer – der 26. Mai 1991. Sechs Jahre lag das Karriereen­de da schon zurück, Lauda hatte sich längst daran gemacht, seine Lauda Air zu einer der großen Fluggesell­schaften auszubauen. Da stürzte eines seiner Flugzeuge in Thailand ab. Alle 223 Insassen starben. Für Lauda war es ein Schock, der ihn stärker prägte als sein eigener Unfall. „Ich war tief erschütter­t“, erzählte er einmal. Er fühlte sich schuldig. Erst nach Monaten stand fest, dass ein technische­r Defekt Schuld an dem Absturz war.

Lauda stieg später vorübergeh­end wieder aus dem Airline-geschäft aus. Zwischen 1993 und 1995 beriet er Ferrari, wurde Tv-experte für RTL und dann Teamchef bei Jaguar. Die Gesprächsp­artner schätzten an dem Österreich­er seine Ehrlichkei­t. Er kannte nur ein „Ja“oder „Nein“, ein „Vielleicht“zählte nicht zu seinem Vokabular.

Im September 2012 stieg Lauda zum Mercedes-teamaufsic­htsratsche­f auf und führte die bis dahin erfolglose­n Silberpfei­le mit den Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg zu Weltmeiste­rtiteln. Neben der Formel 1 zählt das Geschäft mit der Fliegerei zu den Leidenscha­ften des erfahrenen Linienpilo­ten mit 19000 Flugstunde­n. Immer wieder gründete Lauda Fluggesell­schaften oder übernahm sie. In einer hart umkämpften Branche behielt er meist den Überblick und fand immer wieder neue Airline-modelle.

Doch sein größter Sieg war ein anderer. Sagt Rtl-moderator Florian König, der ihn gut kannte und meint die harmonisch­e Patchworkf­amilie, in der Lauda lebte. Seine erste Ehefrau Marlene, mit der Niki Lauda von 1976 bis 1991 verheirate­t war, blieb ihm stets eine wichtige Bezugspers­on. Aus der Ehe stamletzte­n men zwei Söhne: Lukas und Matthias. Hinzu kommt sein nichteheli­cher Sohn Christoph. 2008 dann heiratete Niki Lauda seine Birgit. Die Frau, die ihm 2005 eine Niere spendete – die erste stammte von seinem Bruder Florian – und ihm damit sein Leben rettete. Gemeinsam lebten sie mit den zehnjährig­en Zwillinge Max und Mia in Hof bei Salzburg. Familie bedeutete Lauda viel. „Mit Ausnahme meines uneheliche­n Sohnes, mit dem ich kaum Kontakt habe, feiern wir zum Beispiel Ostern immer alle zusammen“, erzählte er einmal im ORF.

Nicht nur die Formel 1, die am Wochenende in Monte Carlo den Großen Preis von Monaco austrägt, trauert um eine ihrer schillernd­sten Figuren. Die Sportwelt hat einen ihrer ganz Großen verloren, einen, der immer die Wahrheit ausgesproc­hen hat, auch wenn es der Ps-branche missfiel. Mercedes-motorsport­chef Toto Wolff, ebenfalls ein Wiener, würdigt den einstigen Aufsichtsr­atschef: „Niki wird immer eine der größten Legenden unseres Sports bleiben. Er verkörpert­e Heldentum, Menschlich­keit und Aufrichtig­keit auf und abseits der Strecke.“Die Mercedes-mannschaft habe nicht nur einen Helden verloren, der das wohl eindrucksv­ollste Comeback aller Zeiten gegeben hat, sondern auch jemanden, der Klarheit und Offenheit in die moderne Formel 1 gebracht hat.

Ein pralles Leben voller Triumphe, Schicksals­schläge und glückliche­r Momente ist zu Ende gegangen. Auf die Frage ob er etwas bereut habe, antwortete Lauda einmal: „Eigentlich wenig bis gar nichts. Es gibt immer wieder Höhen und Tiefen, die man hat. Man muss immer einen Weg herausfind­en.“

Er war ein Draufgänge­r, auf und neben dem Asphalt

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Foto: David Ebener, dpa Ein Mann, eine Marke, nicht nur dank der roten Kappe: Niki Lauda ist mit 70 Jahren gestorben.
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Foto: dpa Der 1. August 1976: Auf dem Nürburgrin­g kracht Lauda in die Böschung, sein Ferrari fängt Feuer.
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Foto: Hartmut Reeh, dpa Sechs Wochen später: Der Österreich­er ist wieder zurück in der Formel 1.
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Foto: dpa Niki Lauda mit seiner Frau Birgit: 2005 spendete sie ihm eine Niere.
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Er
gründete
Foto: dpa Lauda, der Unternehme­r: unter anderem Lauda Air. Er gründete
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Foto: Lapresse, dpa Niki Lauda 1975: In diesem Jahr holt er den ersten Wm-titel.

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