Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Land unter in Bayern

Starkregen lässt die Pegel im Freistaat steigen. In den Städten entlang der Iller stehen Sandsäcke parat, am Ammersee rückt die Feuerwehr aus – doch der Schaden bleibt überschaub­ar. Wie sich die Lage entwickeln wird

- VON VERONIKA LINTNER

Augsburg Regen, der nicht enden will. Grauer Himmel und braune Flüsse, die über die Ufer treten. Der Dienstag stand in weiten Teilen Bayerns im Zeichen von extrem widrigem Wetter: Die Pegel stiegen, von Iller bis Ammer, von Loisach bis Donau.

Der Regen brach Montagvorm­ittag über Bayern herein und legte kaum eine Pause ein. „Wir mussten die Warnungen noch einmal aufstocken, vor allem für Oberbayern“, erklärte der Meteorolog­e Reik Schaab vom Deutschen Wetterdien­st (DWD) am Dienstagvo­rmittag. 70 bis 120 Liter pro Quadratmet­er würden in den Alpen noch fallen, in Spitzen bis zu 135 Liter – Starkregen, der Flusspegel steigen lässt.

In vier Risikostuf­en bewertet der Hochwasser­meldediens­t die Überschwem­mungsgefah­r. Stufe drei rief er am Dienstag für die Stadt Kempten aus. „Der Pegel der Iller soll bis auf fünf Meter steigen“, erklärte Michael Fackler vom Amt für Katastroph­enschutz in Kempten am Nachmittag. Deshalb entschloss sich die Stadt, den Illersteg und Radwege entlang des Flusses zu sperren. 1000 Sandsäcke standen abgefüllt bereit. Bewohner in der Nähe des Flusses wurden aufgeforde­rt, ihre Autos nicht entlang der Straße zu parken. „Derzeit steht noch kein einziger Keller unter Wasser, es gab keinen einzigen Einsatz. Alles ist vorbereite­t, aber wir sehen keinen Anlass zur Sorge“, sagte Fackler. Die Stadt Kempten rechne damit, dass die Pegel am Mittwochmo­rgen wieder sinken. Die Iller sollte am Dienstag gleich an mehreren Orten Alarmberei­tschaft auslösen: Auch etwa 70 Kilometer nördlich von Kempten, in Illertisse­n, wappnete sich die Stadt ebenfalls mit Sandsäcken gegen die Wassermass­en.

Die höchsten Warnstufen erreichten an diesem Tag auch die Kreise Weilheim-schongau, Garmisch-partenkirc­hen und Bad Tölz sowie Landshut und Kelheim. Doch auch den Süden von München traf der Starkregen: Am Deininger Weiher bei Straßlach-dinghartin­g drohte er eine Gaststätte zu überschwem­men, das Wasser hatte schon die Terrasse geflutet. Starke Pumpen und mehr als 100 Helfer konnten dabei das Schlimmste abwenden. Überschwem­mungen können auch Retentions­becken verhindern – das sind Stauanlage­n, die Wassermass­en eines Hochwasser­s aufnehmen können. Auch das Retentions­becken des Ammersees füllte sich am Dienstag, doch es hatte laut Hochwasser­meldediens­t am Nachmittag noch eine Speicherka­pazität von weiteren 90 Millionen Litern. Die Region um den See kann zudem auf einen zweiten Rückhalt bauen: auf den Windach-speicher, ein Rückhalteb­ecken bei Oberfinnin­g. Dennoch mussten nahe des Ammersees Helfer eingreifen. Die Freiwillig­e Feuerwehr Dießen rückte zu acht Einsatzort­en aus. „In fast jedem Ortsteil hatten wir einen Einsatz“, berichtete Kommandant Florian König. „Es waren fast ausschließ­lich geflutete Keller. Der Wasserstan­d hat da von zehn Zentimeter­n bis zu 1,50 Meter gereicht.“Doch die Gefahr sei überschaub­ar. Am Nachmittag entspannte sich in Dießen die Lage.

Der Regen platzte auch in den Bahnverkeh­r: Zwischen Augsburg und Friedberg verspätete­n sich Züge, vereinzelt fielen sie aus. Weil der Regen bei Friedberg ein Schlammloc­h in Gleisnähe ausgehöhlt hatte, musste der Zugverkehr bremsen. Gegen 9 Uhr morgens wurde zudem die Strecke zwischen Ulm und Augsburg zeitweise gesperrt – die Gleise standen unter Wasser, ein Erdrutsch drohte.

Viele Menschen in Neuburg an der Donau erinnern sich derzeit wohl an das Pfingsthoc­hwasser von 1999. Fast auf den Tag genau 20 Jahre nach der Jahrhunder­tüberschwe­mmung musste sich Neuburg nun wieder auf den Ernstfall vorbereite­n. Am Dienstagna­chmittag maß der Pegel der Donau gut vier Meter. Schon jetzt mussten sensible Bereiche entlang des Ufers gesperrt werden. Als Vorsichtsm­aßnahme installier­te die Kommune einen mobilen Hochwasser­schutz und hievte ein schwimmend­es Kunstwerk aus dem Wasser. Der Pressespre­cher der Stadt warnte: „Überschwem­mungen wird es in jedem Fall geben.“Auf Donauhochw­asser stellte sich auch Leipheim ein: 700 Handzettel wurden dort an die Bewohner von drei Stadtteile­n verteilt. Sie sollten sich vorbereite­n, wertvolle Gegenständ­e aus den Kellern holen und Öltanks sichern. Mittwochmo­rgen soll der Pegel Warnstufe drei von vier erreichen – Leipheim hofft, mit einem blauen Auge davonzukom­men. Und die Gemeinde Bubesheim hofft mit: Sie ist derzeit von der Notwasserv­ersorgung der Stadt Illertisse­n abhängig. Das Hochwasser könnte diese Versorgung eventuell gefährden.

Doch noch während der Regen am Dienstag fiel, versprach der DWD baldige Entwarnung. Am Donnerstag solle wieder Frühlingsw­etter herrschen – zumindest bis Samstag. Aus Sicht des DWD ist der heftige Regen kein allzu seltenes Ereignis: „Wir hatten vor gar nicht langer Zeit schon so viel Niederschl­ag – aber in fester Form, mit den Schneefäll­en im Januar“, erklärt Schaab. Der Regen habe auch gute Seiten. „Das ist nach trockenen Monaten eine Wohltat für die Natur.“

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