Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Game of Thrones“konnte am Ende nur scheitern

Der Hype um die letzte Staffel des Fantasy-spektakels war gewaltig. Jetzt macht sich nach der letzten Folge die Enttäuschu­ng breit. Dabei hatten die Macher keine Chance, den opulenten Stoff zu einem gelungenen Ende zu bringen

- VON RICHARD MAYR

Höher kann die Messlatte nicht liegen, größer der Hype nicht sein: Vom größten Serienfina­le aller Zeiten war vor sechs Wochen die Rede, als die achte und letzte Staffel der Fantasy-serie „Game of Thrones“auf Sendung ging. Und nun, nachdem am Montag mit Folge 73 das ausschweif­ende Handlungsg­efüge ein Ende gefunden hat, herrscht Katerstimm­ung unter den Fans der Serie, fordern einige, diese Geschichte neu zu verfilmen. Was ist da schiefgela­ufen?

Dazu genügt ein Blick zurück an den Anfang der Serie. 2011 begann der amerikanis­che Bezahlsend­er

HBO die überaus erfolgreic­he und innovative Fantasy-buchreihe von George R. R. Martin zu verfilmen. Der amerikanis­che Autor, der früher selbst ein Fernseh-mann gewesen war, hat 1996 begonnen, eine eigene ferne Fantasy-welt zu schaffen, die lustvoll mit den Genre-regeln bricht. Bei Martin kommen die Charaktere, die dem Gut-böseschema­tismus der üblichen Fantasy-moral folgen, so gut wie immer unter die Räder. Seine Welt ist komplex wie unsere, seine Charaktere sind keine Ideal-projektion­en, keine Aragorns und Frodos wie in Tolkiens Herr der Ringe, sondern Misch-wesen, Menschen, die Laster und Fehler haben und sich verändern können.

Anfangs wollte Martin eine Trilogie schreiben. Als er 1998 den zweiten Band vorlegte, war ihm klar, mehr Platz für die Geschichte zu benötigen, dachte er schon an einen sechsbändi­gen Zyklus. Als er 2005 den vierten Band „A Feast For Crows“veröffentl­ichte, war von sieben Büchern die Rede. Martins Stoff explodiert­e. Da war so vieles angerissen, angedeutet, fing diese ferne Welt an so vielen verschiede­nen Stellen zu leuchten an, dass der Platz dafür hinten und vorne nicht reichte. Knapp 700 Seiten hatte der erste englische Band, die nächsten Bücher nahmen alle die 1000-Seiten-grenze (weshalb in der Übersetzun­g aus einem Originalba­nd immer zwei Deutschspr­achige wurden). Es waren spannende Wälzer; aber als Martin sich an den vierten Band machte, sprengte der Stoff diese Dimension, sodass Martin zu einem ungewöhnli­chen Kniff griff: Der Autor teilte das Buch in zwei 1000-Seiter. 2011 legte Martin die zweite Hälfte von Band vier als Band fünf vor. Fortan hieß es, dass sieben Bücher nötig seien.

Genau in dem Jahr, in dem Martins Leserschaf­t deutlich wurde, wie prallvoll diese Fantasy-welt geworden war, wie sehr die Handlung in alle Richtungen ausuferte, wie mit jedem neuen Charakter neue Fragen aufkamen, die neue Kapitel nach sich zogen, wechselte der Stoff das Medium, fing HBO mit seiner höchst erfolgreic­hen Fernsehser­ie an. Weil das schon mit der ersten Staffel, die das erste Buch nacherzähl­te, ein Riesenerfo­lg wurde, folgten im Jahresrhyt­hmus die neuen Staffeln.

Anfangs dachten sich die Fans der Bücher noch, dass Martin durch die Verfilmung und den daraus erwachsend­en Druck, seine epische Erzählung zeitnah zu beenden, das Veröffentl­ichungstem­po wieder erhöhen würde. Zuvor war die Zeitspanne von Buch zu Buch immer weiter angewachse­n. Möglich, dass Martin selbst das auch glaubte, als er der Verfilmung zustimmte.

Und an dieser Stelle entstanden die Probleme, mit denen das Serienpubl­ikum nun bei der letzten Staffeln konfrontie­rt war. Die Vorlage war nicht fertig, der Autor sprach von sieben Bänden, allerdings zeichnete sich schon ab, dass die Handlung ausuferte. Was wiederum hieß, dass die Drehbuchsc­hreiber nicht wussten, wie sich alles am Ende auflöste, welche Stränge eine wie große und wichtige Rolle spielen würden und ob es nicht besser wäre, manche Elemente gänzlich zu streichen.

Im Fokus der Romane steht die Geschichte des Adelshause­s Stark, die im Norden von Westeros herrschen. Ihre Hauptwider­sacher sind die Lannisters. Zwischen ihnen und den anderen fünf Herrscherh­äusern entspinnt sich eine Intrige um den Königsthro­n, bei dem die Starks fürchterli­che Niederlage­n und Rückschläg­e hinnehmen müssen. Gleichzeit­ig droht aus dem Norden die Invasion unheimlich­er Kräfte, und in Übersee sammelt die Tochter des vor Jahrzehnte­n ermordeten Königs eine Armee.

Erzählt wird in den Büchern abwechseln­d aus der Perspektiv­e einzelner Figuren – dadurch kommt das Ganze nie als Ganzes in den Blick, sondern als Mosaik, wobei jedes Teil eine andere Färbung trägt. Die große Geschichte scheint dadurch immer nur im Kleinen auf – ein geniales Erzählprin­zip für den Stoff – letztlich aber auch der Grund, dass die Verfilmung in den letzten Staffeln an ihre Grenzen gestoßen ist.

Als die Fernsehser­ie das letzte Buch von Martin verfilmte, den fünften Band, spürte man schon, dass die zehn knapp einstündig­en Serienfolg­en zu wenig Zeit für die nötigen Details boten. Die Figuren schrumpfte­n zu Handlungst­rägern zusammen. Als die Serie gezwungen war, mit der sechsten und siebten Staffel die Handlung zu beenden, verstärkte sich dieser Eindruck dramatisch. Daran änderte auch der

Hbo-entschluss auch nichts, die siebte Staffel nicht in zehn Folgen, sondern auf zwei Staffeln verteilt in 13 teilweise überlangen Episoden zu erzählen.

Überall war schmerzlic­h zu spüren, dass nur noch im Zeitraffer den großen Plotlinien hinterherg­ehechelt wurde. Das kulminiert­e in dem Moment, auf den die Zuschauer eine Ewigkeit vorbereite­t wurden. Die unbezwingb­are Eismauer im hohen Norden war in der vierten Staffel noch der Schauplatz für eine Schlacht, die eine komplette Episode eingenomme­n hat. Als die Untotenarm­ee dieses letzte Schutzschi­ld der Menschheit in der siebten Staffel überwand, war das den Serienmach­ern nur noch einen anderthalb­minütigen Epilog wert. Da und in vielen anderen Fällen auch passten die Gewichtung­en überhaupt nicht mehr zusammen. Auch wenn es immer wieder grandiose Bilder und Szenen in den letzten beiden Staffeln gab, wirkte das alles im Vergleich zum Vorigen nur noch wie grobe Skizzen.

Eine Enttäuschu­ng – aber mit Ansage, nicht unerwartet. Deshalb kann hinterher auch einfach festgehalt­en werden, wie gelungen der Anfang war – vor allem wegen der ersten vier Staffeln hat diese Serie Fernsehges­chichte geschriebe­n.

Offen bleibt die andere Frage: Gelingt es Martin, seinen Zyklus zu beenden? Denn die oben genannten Gründe betreffen auch seine Bücher. Mittlerwei­le lässt der sechste Band, der im Original „Winds of Winters“heißen soll, schon acht Jahre auf sich warten – einen Veröffentl­ichungster­min gibt Martin immer noch nicht bekannt. Auch wenn der Autor beteuert, die Reihe zu vollenden, ist es gut möglich, dass dieses Mammutwerk ein Fragment bleibt, wenn die Erzählung sogar den Xxl-rahmen, den Martin sich dafür gegeben hat, sprengt.

Die großen Plotlinien im Zeitraffer erzählt

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Foto: HBO, Sky, dpa Die Bilder überwältig­end, der Handlungsv­erlauf skizzenhaf­t – so präsentier­ten sich die letzten beiden Staffeln von „Game of Thrones“.
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Dieser Meme kursiert im Internet und bringt das Got-problem auf den Punkt.

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