Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Was die neue Datenbrille von Facebook kann
Die Oculus Quest will die virtuelle Realität neu erfinden. Sie braucht weder einen PC noch ein Kabel. Der Test
Kann es sein, dass in der Vr-industrie jemand die goldene Mitte gefunden hat? Die neue Virtual-reality-brille Quest der Facebook-firma Oculus könnte der Branche und den Spielern zum lang erhofften Durchbruch verhelfen. Sie hat keine Kabel, bietet trotzdem ein vollwertiges Spielerlebnis in der virtuellen Realität – und kostet 449 Euro.
Genauso viel wird auch die Oculus-brille Rift S kosten, die mit einem Kabel an einen PC angeschlossen wird und durch den Zugriff auf die leistungsstarke Grafikkarte hochwertigere Vr-qualität bieten soll. Der Clou an der Quest ist aber: Sie braucht überhaupt keinen PC. Auspacken, einrichten, losspielen. Facebook setzt darauf, dass sich durch die stark vereinfachte Nutzung auch viel mehr Leute für VR begeistern.
Die wichtigste Neuerung der Quest sind vier Sensoren, die direkt in die Brille integriert sind. Sie erkennen zum einen die Position im Raum und verfolgen zum anderen die Bewegungen der Controller in der rechten und linken Hand. Die vor drei Jahren erschienene Rift brauchte noch zwei externe Sensoren. Die einfache Oculus Go aus dem vergangenen Jahr hat überhaupt keine Umgebungssensoren – eignet sich dadurch aber auch nur für Video-inhalte oder sehr simple Vr-spiele. Die Go bleibe „vorerst“auf dem Markt, heißt es von Oculus etwas distanziert.
Den Vorteil der neuen Questsensoren merkt man schon beim Abstecken des sicheren Spielbereichs - also der Platzierung der virtuellen blauen Wände. Sie sollen verhindern, dass man sich mit der Brille vor den Augen außerhalb eines sicheren Bereiches bewegt. Die Quest hat dafür eine Funktion mit dem Namen Passthrough – man sieht in der Brille die tatsächliche Umgebung und kann mit dem Controller virtuelle Linien auf dem Boden ziehen.
Das von den Sensoren übertragene Umgebungsbild erinnert an die Qualität eines Nachtsichtgeräts – schwarz-weiß und verrauscht – aber es erfüllt seinen Zweck sehr gut. Das Bild des Zimmers verlasse dabei nicht die Brille und werde mit Blick auf den Datenschutz auch nicht mit Software-entwicklern geteilt, betont Oculus.
Zum Einrichten der Quest muss man sie zunächst mit einem Smartphone koppeln – unter anderem, um die Verbindung zum WLAN herzustellen. Insgesamt ist man in wenigen Minuten fertig – eine schnelle Internet-verbindung vorausgesetzt. Denn die Spiele sind in der Regel mehrere hundert Megabyte groß.
In der Quest arbeitet der Smartphone-chip Snapdragon 835 von Qualcomm. Und das setzt Grenzen für die Möglichkeiten der Brille im Vergleich zum Betrieb über Kabel mit angeschlossenem PC beim Schwestermodell Rift oder der HTC Vive. Nutzer müssen sich auf etwas einfachere Texturen, weniger Detailreichtum und weniger komplexe physikalische Effekte einstellen. Die gute Nachricht allerdings ist: Das stört das Spielerlebnis nicht.
Dank eines verbesserten Displays und der bereits bei der Oculus Go eingeführten neuen Linsen wirkt das Bild klar. Es ist scharf und gefühlt sogar weniger grobkörnig als bei der vor drei Jahren erschienenen ersten Rift-generation. Der sogenannte Fliegengittereffekt, bei dem man die Abstände zwischen den einzelnen Bildpunkten sieht, wirkt deutlich reduziert. Bei einem Spiel wie „Beat Saber“, in dem Spieler auf sie zufliegende farbige Würfel zum Musik-rhythmus mit Laserschwertern zerschneiden müssen, ist die Illusion des virtuellen Raums so gut, dass man sich nichts besseres wünscht.
Die reichhaltige Optik von Riftspielen wie „Stormland“oder „Asgard’s Wrath“würde dagegen die Quest hoffnungslos überfordern, räumen auch Oculus-manager ein. Und zumindest in der Quest-vorabversion des Spiels „Superhot“, bei dem die Action nur so schnell abläuft wie Spieler sich bewegen, waren die Gegner insgesamt merklich langsamer und damit auch harmloser als auf der Rift. Zum Marktstart sollen zunächst 50 Spiele für die Quest verfügbar sein.