Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Zur Bestform gereizt

Nach der Kritik vom Trainer zeigt Leon Draisaitl eine hervorrage­nde Leistung. Der Sieg gegen die Finnen lässt die deutsche Mannschaft von einem Erfolg im Viertelfin­ale träumen

- VON MILAN SAKO

Kosice Wenn kleine Buben zum Eishockey kommen, ist es ihr erstes Ziel, möglichst fest zu schießen und dann hoch. Aber die Basis des schnellste­n Mannschaft­ssports der Welt ist eine andere, wie das gestrigen Match der deutschen Mannschaft gegen Finnland zeigte. „Das Allerwicht­igste war: Wir sind gelaufen. Im ersten Drittel vielleicht noch nicht so richtig, aber danach sind wir besser ins Spiel gekommen. Das hat letztendli­ch den Unterschie­d ausgemacht“, befand Stürmer Markus Eisenschmi­d von den Adlern Mannheim. Der gebürtige Kaufbeurer steuerte eine Vorlage zum ersten Treffer zum 1:1 von Marc Michaelis bei. Eisenschmi­d zählte zu den auffällige­n Stürmern, doch der entscheide­nde Mann beim 4:2 (1:1, 1:1, 2:0), dem ersten Sieg nach regulärer Spielzeit seit 26 Jahren gegen Finnland, war Leon Draisaitl.

Der Torjäger des Nhl-klubs Edmonton Oilers erzielte in der 45. Minute die erstmalige Führung zum 3:2 und beseitigte in der Schlussmin­ute mit dem 4:2 ins leere finnische Tor die letzten Zweifel. Davor hatte Dominik Kahun von den Chicago Black Hawks zum zweiten Mal in diesem Match zum 2:2 ausgeglich­en. Fünf Wm-erfolge in einem Turnier hatte die deutsche Mannschaft zuletzt 1983 bei den Titelkämpf­en in Dortmund und München gefeiert.

Draisaitl zeigte nicht nur wegen seiner beiden Tore und einer Vorlage – er führt mit fünf Treffern und drei Pässen die deutsche Scorerlist­e vor Eisenschmi­d (1/6) an – seine beste Leistung bei der Eishockeyw­m in der Slowakei. Am Tag zuvor hatte Bundestrai­ner Toni Söderholm ungewöhnli­ch offen seinen Star wegen dessen mangelhaft­er Abwehrarbe­it kritisiert und ohne Not ein Fass aufgemacht. Der Finne versuchte unmittelba­r danach, seine Kritik zu relativier­en, wohl wissend, dass er seinen Ausnahmest­ürmer nicht vergraulen sollte. Doch die unglücklic­he Äußerung war auf dem Markt. Die Chemie zwischen dem Trainer und dem Schlüssels­pieler scheint dennoch intakt. „Ich sage dazu nichts“, wischte der 23-Jährige das Thema gestern nach dem Match schnell vom Tisch.

Die beste Turnierlei­stung bringt der deutschen Mannschaft zwar keinen leichteren Gegner. Doch ein Erfolg gegen eine der großen Eishockey-nationen tut gut. „Die Finnen sind mit am schwersten zu spielen bei einer WM, sehr giftig und sehr talentiert. Aber wir haben gut dagegengeh­alten“, befand Draisaitl. Sein Trainer zeigte sich nach dem Erfolg gegen sein Heimatland zu Scherzen aufgelegt. Die Mannschaft hatte ihn aufgeforde­rt, einen auszugeben, etwas zu zahlen. „Ich habe ihnen gesagt: Wenn sie gutes Coaching kriegen und ich dann auch noch zahlen muss, dann weiß ich nicht, was los ist.“Deb-präsident Franz Reindl ist mit der Arbeit des Sturm-nachfolger­s zufrieden: „Sechs Top-leistungen, fünf Siege und 15 Punkte sind eine herausrage­nde Leistung unseres Teams. Die Mannschaft darf mit großem Stolz und gesundem Selbstvert­rauen ins Viertelfin­ale einziehen“, lobte Deb-präsident Franz Reindl.

Zum K.-o.-spiel muss die Mannschaft in die Hauptstadt Bratislava reisen. Mit der Bahn geht es am Mittwoch einmal vom Osten quer durch die Slowakei, vorbei an Flüssen, Seen und der Hohen Tatra, dem wild-schönen Gebirge des kleinen Landes. Philipp Grubauer ist aus der National Hockey League eher Flugreisen gewöhnt. Der 27-Jährige erinnert sich: „Vor sieben Jahren sind wir einmal in der NHL mit dem Zug nach Philadelph­ia gefahren. Aber das ist okay. Im Zug kannst dich gut erholen, und denn geht’s auf.“Die bayerische­n Wurzeln des Rosenheime­rs, der für die Colorado Avalanche spielt, sind immer noch herauszuhö­ren.

Am Donnerstag (16.15 Uhr/

Sport1) wartet in der Runde der letzten Acht die große Eishockeyn­ation Tschechien, der zwölfmalig­e Weltmeiste­r. Markus Eisenschmi­d lässt sich davon nicht beeindruck­en: „Wir sind hier von Spiel zu Spiel besser geworden, jetzt müssen wir eben noch eine Schippe drauflegen.“

 ?? Foto: Getty Images ?? Leon Draisaitl zieht mit dem Puck gen gegnerisch­es Tor – und weil es leer ist, hat er keinerlei Probleme, das 4:2 gegen die Finnen zu erzielen. Es ist bereits sein fünfter Treffer bei dieser Weltmeiste­rschaft.
Foto: Getty Images Leon Draisaitl zieht mit dem Puck gen gegnerisch­es Tor – und weil es leer ist, hat er keinerlei Probleme, das 4:2 gegen die Finnen zu erzielen. Es ist bereits sein fünfter Treffer bei dieser Weltmeiste­rschaft.

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