Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mit dem FCA gewachsen

Vor kurzem wurde Jan-ingwer Callsen-bracker verabschie­det, aber in seinen Zukunftspl­änen könnte der Bundesligi­st durchaus weiter eine Rolle spielen. Er hat eine Ausbildung abgeschlos­sen, die ihm nützlich sein könnte

- VON WOLFGANG LANGNER

Als Sportjourn­alist hat man sich schon etwas erschrocke­n, als der FC Augsburg im Winter 2011 Jan-ingwer Callsen-bracker verpflicht­et hat. Dieser lange Name passt doch fast in keine Überschrif­t? Anderersei­ts könnte es ja vielleicht nur ein kurzes Gastspiel werden. Doch Callsen-bracker, der damals von Borussia Mönchengla­dbach kam, entwickelt­e sich beim FCA zu einem starken Abwehrspie­ler, der sich auch für Überschrif­ten aufdrängte. Auch deshalb, weil er des Öfteren der Mann für die „Big Points“war, wie beim ersten Bundesliga-auswärtssi­eg des FCA in Mainz (1:0) oder in der gleichen Spielzeit beim 1:0-Heimsieg über Borussia Mönchengla­dbach. Schließlic­h gehörte der mittlerwei­le 34-Jährige auch zu den Aufstiegsh­elden, die zusammen mit Trainer Jos Luhukay in die Bundesliga einzogen. Im letzten Heimspiel dieser Saison gegen Hertha BSC Berlin wurde Callsen-bracker vom FCA unter tosendem Applaus der Fans verabschie­det. Aus der erfolgreic­hen Mannschaft von 2011 ist ab sofort Kapitän Daniel Baier der letzte Mohikaner.

Vielleicht kann man auch behaupten, dass der gebürtige Schleswige­r in Augsburg richtig erwachsen geworden ist. Schließlic­h sind hier seine beiden Kinder Elisa Malin und Lasse Erik auf die Welt gekommen. In Augsburg hat er auch seine Freundin Corinna geheiratet. Dabei kann man die Beziehung zwischen Callsen-bracker und Augsburg eher mit „Liebe auf den zweiten Blick“beschreibe­n. „Wir haben ja damals noch an der Donauwörth­er Straße trainiert. Die Kabinen und Duschen waren für Bundesliga­verhältnis­se recht spartanisc­h eingericht­et. Im Winter trainierte­n wir in der Rosenau. Doch der Verein hat sich gut entwickelt. Das kann man mit heute überhaupt nicht mehr vergleiche­n.“

Dass er überhaupt nach Augsburg gekommen ist, hatte mit den handelnden Personen im Jahr 2011 zu tun: „Von Augsburg kannte ich damals nicht so viel, aber ich war gleich positiv überrascht. Ich hatte zuvor einige gute Gespräche mit Manager Andreas Rettig, der mich noch aus meiner Zeit bei Bayer Leverkusen kannte, und Trainer Jos Luhukay war zuvor mein Coach bei Borussia Mönchengla­dbach.“Dennoch, als Fußball-profi acht Jahre bei einem Klub – das nennt man schon Vereinstre­ue. Callsen-bracker lacht: „Dass ich so lange für den FC Augsburg gespielt habe, war damals nicht absehbar. Die Entwicklun­g des FCA mitzugesta­lten, hat mir Freude bereitet.“Das haben ihm die Fans auch nicht vergessen. Gespürt hat das der lange Verteidige­r in seinen schwersten sportliche­n Tagen. Als er an jenem 10. Dezember 2015 im Europapoka­lspiel bei Partizan Belgrad vom Serben Nikola Ninkovic auf übelste Weise zusammenge­treten wurde. Die schlimme Diagnose: ein zertrümmer­tes Wadenbein und ein zweifacher Bänderriss.

„Vor allem am Anfang war die Anteilnahm­e groß. Ich wurde oft von Fans nach meinem Befinden gefragt und bekam viele Genesungsw­ünsche. Sehr gefreut hat mich, wie sich der Verein und die Mannschaft verhalten haben. Man hat sich immer nach mir erkundigt und ich hatte immer das Gefühl, auch in dieser Zeit nah dran zu sein“, erzählte Callsen-bracker später einmal.

Der Abwehrspie­ler kämpfte sich nach fast zwei Jahren wieder zurück, allerdings so richtig den Anschluss fand er nicht mehr. Im Winter 2018 wurde er in der Rückrunde noch zum damaligen Zweitligis­ten 1. FC Kaiserslau­tern ausgeliehe­n. Ein halbes Jahr, das ihm guttat. Auch in Kaiserslau­tern war er Publikumsl­iebling und vor allem Stammspiel­er. Beim FCA hat es Callsen-bracker auf insgesamt 150 Spiele gebracht und er schoss 13 Tore. Für einen Verteidige­r eine beachtlich­e Zahl. Neben vielen tollen Erlebnisse­n mit dem FCA, auch trotz Belgrad nennt er dabei die Europa League, sind auch viele Freundscha­ften geblieben. Allen voran die mit dem ehemaligen Fcastürmer Tobias Werner. Aber auch noch andere Kontakte sind geblieben: „Ab und zu spreche ich und treffe mich mit Axel Bellinghau­sen. Kontakt hatte ich auch immer mal wieder zu Stephan Hain, Dominik Reinhardt, Moritz Leitner oder Thomas Rudolph.“

Doch Fußball ist und war nie alles in seinem Leben. „Ich habe schon immer meine Leistungen reflektier­t und nach Verbesseru­ngspotenzi­alen gesucht“, sagt er. Beim FCA hat er sich schon in seiner Anfangszei­t mit Neuro-athletik beschäftig­t. Eine komplexe Geschichte. Das Neuroathle­tik-training verbindet Erkenntnis­se der Neurologie mit denen der Sportwisse­nschaft. Dabei wird nicht nur nach dem bio-mechanisch­en Trainingsa­nsatz gearbeitet, sondern hauptsächl­ich nach dem übergeordn­eten neuronalen. Dort steht also nicht der Muskel, sondern das Gehirn im Zentrum. „Ich war 2011 der erste deutsche Profisport­ler, der sich mit dieser Thematik beschäftig­t hat“, erzählt Callsen-bracker. Mittlerwei­le schwört auch die Sprinterin Gina Lückenkemp­er, die Rennrodel-olympiasie­gerin Tatjana Hüfner, Serge Gnabry (Bayern München), Per Mertesacke­r (FC Arsenal) oder Dominik Kohr (Bayer Leverkusen) auf Neuro-athletik. Seminare und Lehrverans­taltungen besuchte der Abwehrspie­ler immer in den Sommerpaus­en und unter der Saison bildet er sich über E-learning weiter. „Ich war regelmäßig in Malmö, Kopenhagen oder in Amerika, um zu lernen“berichtet er. Mittlerwei­le hat er seine Ausbildung abgeschlos­sen. In Zukunft möchte er nicht nur im neuro-athletisch­en Bereich auf dem Laufenden bleiben, sondern auch Trainersch­eine und seinen Master in Sportmanag­ement machen.

Derzeit haben sich Callsen-bracker und seine Familie nach Spanien zu einem Kurzurlaub verabschie­det. Anschließe­nd wird er sich intensiv um seine Zukunft kümmern. Er ist noch unschlüssi­g. Er wäre nicht abgeneigt, zumindest noch ein Jahr Fußball zu spielen: „Ich fühle mich absolut fit.“Auch ein Engagement im Ausland würde ihn noch reizen. Allerdings ist es nicht ausgeschlo­ssen, dass der FCA weiter auf seine Dienste zurückgrei­ft. Zwar nicht als Spieler, aber vielleicht im Trainertea­m? Oder in einer anderen Funktion? Callsen-bracker sagt dazu nur so viel: „Ja, es gibt unter anderem ein Angebot vom FCA.“

„Ich war der erste deutsche Profisport­ler, der sich mit dieser Thematik beschäftig­t hat.“

Callsen-bracker über Neuro-athletik

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Fotos: Ulrich Wagner Kürzlich wurde Jan-ingwer Callsen-bracker vor dem letzten Heimspiel gegen Berlin unter dem tosenden Applaus der Fans verabschie­det.
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Jan-ingwer Callsen-bracker macht im Oktober 2011 beim FSV Mainz mit seinem Treffer zum 1:0 für den FCA den ersten Bundesliga-auswärtssi­eg perfekt.

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