Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
In Augsburg gibt es immer mehr Holzbauten
Bauherren wie Kindergärten, Schulen oder Kirchen setzen verstärkt auf den klimaschonenden Baustoff. Nur Hochhäuser aus Holz gibt es in Augsburg noch nicht – die entstehen anderswo
Es riecht nach Kiefernholz. Man fühlt sich sofort warm und wohl in diesem großen Raum. Für eine Kirche mag die hölzerne Wandverkleidung, die aus einem preisgünstigen Restposten von Rollladenschienen gefertigt ist, ungewöhnlich sein. Doch mittendrin in diesem modernen großstädtischen Gotteshaus steht Pfarrerin Alexandra Caspari mit einem sehr zufriedenen Gesicht. Sie sagt: „Leute, die zum ersten Mal zu uns kommen, sind beeindruckt, wie schlicht und schön es hier ist.“
Die Kirche der alt-katholischen Gemeinde in Pfersee auf dem Sheridan-gelände ist ein moderner großvolumiger Holzbau. Es ist nicht der einzige in Augsburg. Gebäude in Holzbauweise liegen im Trend – nicht nur in Deutschland und Europa, sondern weltweit.
In München ist geplant, in der Messestadt Riem elf neue Hochhäuser aus Holz zu bauen. Mit einer Höhe bis zu 60 Metern sollen sie dort ein neues städtebauliches Markenzeichen setzen. In Wien entsteht gerade eines der weltgrößten Holzhochhäuser – das 84 Meter hohe „Hoho“mit Büros, Hotelzimmern und Apartments.
Auch in Augsburg und in der Region werden inzwischen unterschiedliche Gebäude in Holzbauweise errichtet. Der Augsburger Architekt Frank Lattke sagt: „Dabei geht es nicht um kleine romantische Blockhütten, sondern um innovative, nachhaltige Großbauten für unterschiedlichste Nutzungen.“
Zwar gibt es in Augsburg noch keine Holz-hochhäuser. Aber man findet in der Stadt immer mehr größere Büro-, Gewerbe- und Wohngebäude in den verschiedenen Holzbauweisen. Kindergärten und Kirchenbauten werden in Holz ausgeführt. Das künftige Umweltbildungszentrum am Botanischen Garten ist in Holzbauweise geplant, ebenso eine neue Wohnanlage der städtischen Wohnbaugruppe (WBG) in der Spicherer Straße.
Geschäftsführer Mark Dominik Hoppe sagt: „Holzbau fehlte uns noch im Portfolio, jetzt wollen wir mit einem Innovationsprojekt Erfahrungen sammeln.“Hoppe rechnet zwar mit bis zu 15 Prozent höheren Baukosten als bei einer konventionellen Bauweise. Die WBG wolle nun aber ausprobieren, ob Vorteile von Holzbauten den höheren Baupreis wettmachen. Auch im Umland gibt es bereits Industriebauten oder große Schulen aus Holz.
Der Augsburger Hochschulprofessor und Architekt Wolfgang Huß sagt: „Ein echter Holzbau-leuchtturm steht in Diedorf.“Dort haben die Professoren Hermann Kaufmann und Florian Nagler das Schmuttertal-gymnasium gebaut. Es gilt als das größte Schulzentrum Deutschlands in kompletter Holzbauweise und erhielt den Deutschen Architekturpreis.
Branchenkenner gehen davon aus, dass Süddeutschland, Österreich und die Schweiz derzeit weltweit führend im modernen Holzbau sind. Architekt Lattke, der selbst prämierter Spezialist in diesem Bereich ist, sagt, Schwaben sei vorne mit dabei. Er nennt auch Gründe, warum immer mehr große Holzbauten entstehen: „Die Bandbreite, in der wir uns beim Holzbau bewegen, wird größer.“Zum einen hat sich das Baurecht in Sachen Brandschutz geändert.
Die Folge: Seit einigen Jahren dürfen in Deutschland auch höhere Holzgebäude errichtet werden, was früher verboten war. Zum Zweiten können inzwischen großformatige Holzbauteile vorgeplant und automatisiert gefertigt werden, was die höheren Fertigungskosten im Holzbau senkt. Eine bekannte Spezialfirma im Netzwerk der Branche ist Gumpp & Maier. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Binswangen bei Wertingen.
Architekt Lattke nennt auch noch einen dritten Grund für den wachsenden Trend zu Holzbauten: innovative Baustoffe – etwa Buchenfurnierschichtholz. Diese „Baubuche“zeichnet sich durch eine höhere statische Leistungsfähigkeit aus. Auch bei der Ausbildung von Fachkräften läuft in Schwaben einiges: Die Hochschule Augsburg bietet beispielsweise ein berufsbegleitendes Studium zum „Fachingenieur Holzbau“an.
Gut ausgebildete Spezialisten sind aber nur die eine Seite. Bauherren in Augsburg treibt oft noch etwas anderes um, wenn sie sich für Holz entscheiden. Pfarrerin Alexandra Caspari sagt, man habe aus ökologischen Gründen die Kirche aus Holz gebaut. Der nachwachsende Rohstoff gilt als klimaschonend. Wälder mildern den Treibhauseffekt, weil sie Kohlendioxid speichern. Holz als Baustoff bindet Kohlenstoff auf lange Zeit.
Doch inzwischen hat Caspari auch noch den spirituellen Vorteil der Holzkirche entdeckt, der sie sehr freut: „Die Atmosphäre des Raumes überträgt sich auf die Stimmung des Gottesdienstes, die Architektur spricht zu den Gläubigen, sie trägt und fordert sie.“
Auch in einer Augsburger Kanzlei, die sich aus Umweltgründen für ein Gebäude in Holzbauweise entschieden hat, spricht man von weiteren positiven Effekten: Mitarbeiter fühlen sich in ihren Büros wegen des besonderen Raumklimas sehr wohl. Auf der Suche nach Fachkräften sei das ein großer Vorteil. Aber auch bei Klienten komme der Holzbau gut an.
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Informationen rund um das Thema Holzbau für private und kommunale Bauherren, Architekten sowie Planer bietet bis einschließlich Freitag, 11. Oktober die Ausstellung „Vom Baum zum Bau – Bauen mit Holz in Bayerischschwaben“. Sie ist zu besichtigen im Landratsamt Donau-ries in Donauwörth, Pflegstraße 2.