Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Koalition legt eine Zankpause ein

Grundrente, Halbzeitbi­lanz, Klimaschut­z: Union und SPD hätten eigentlich eine ganze Reihe offener Streitpunk­te zu klären. Doch die ungeklärte Führungsfr­age der Sozialdemo­kraten und mögliche Schlappen bei der Thüringen-wahl lähmen beide Lager

- VON CHRISTIAN GRIMM, HENRIKE MIELKE UND BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die Große Koalition hätte es zwei Wahlkämpfe­rn leichter machen können. Nur wenige Tage vor der Landtagswa­hl in Thüringen und dem Abschluss des Spd-mitglieder­entscheids wären sowohl Mike Mohring als Thüringer Cdu-spitzenkan­didat als auch Bundesfina­nzminister Olaf Scholz als Anwärter auf den Spd-vorsitz für Unterstütz­ung dankbar gewesen.

Die Koalitions­spitze hat es ihnen aber nicht leichter gemacht. Der aufgeladen­e Streit um die Grundrente ist verschoben auf die Zeit nach den beiden Entscheidu­ngen. Immerhin gab es keinen Knall beim Treffen am Sonntag. Damit kann Mohring aber weder bei den Thüringern punkten noch Scholz bei seinen Genossen.

Nachdem Schwarz-rot vergangene­s Jahr beinahe an der Flüchtling­spolitik zerbrochen wäre, haben sich beide Seiten versproche­n, bei strittigen Themen auf den Holzhammer zu verzichten. Eine Arbeitsgru­ppe soll nun einen Kompromiss für die Grundrente ausloten.

„Wir brauchen in den kommenden Wochen den Durchbruch bei der Grundrente, das ist allen Beteiligte­n klar. Auch beim Klimapaket müssen wir im parlamenta­rischen Prozess noch nachbesser­n“, sagte der Staatssekr­etär im Auswärtige­n Amt, Michael Roth, unserer Redaktion. Roth ist einer der Gegenkandi­daten von Scholz um den Spd-vorsitz und kein Freund der Großen Koalition. „Wir wollen ambitionie­rte Ergebnisse, da muss gerade die CDU, die in einem großen Führungsva­kuum steckt, auf uns zugehen“, verlangte der Spd-politiker.

Seit Monaten sind beide Lager bei der Grundrente nicht vorangekom­men. Der Streit entflammt sich an der Frage, ob der Aufschlag für langjährig­e Beitragsza­hler mit kleiner Rente ohne oder mit Bedürftigk­eitsprüfun­g eingeführt werden soll. Für Ersteres plädiert die SPD, für Letzteres CDU und CSU.

Anfang November wollen die Parteien nun zur Halbzeit der Legislatur­periode einen Strich unter ihrer Bilanz ziehen. Die Grundrente könnte den Ausschlag geben. Denn die Spd-mitglieder werden einen Monat später entscheide­n, ob ihre Partei die ungeliebte Große Koalition fortsetzen oder platzen lassen soll. Viel wird davon abhängen, welnicht ches Duo das Rennen um die Parteispit­ze macht. Olaf Scholz und seine Partnerin Klara Geywitz gelten als klare Unterstütz­er des Bündnisses mit der Union. Konkurrent­en wie Roth sehen es deutlich kritischer, andere Spd-kandidaten­duos sprechen sich offen für die Scheidung von CDU und CSU aus.

Die Schwäche der Sozialdemo­kraten wegen katastroph­aler Wahlergebn­isse und miesen Umfragewer­ten ist im Ringen mit den Koalitions­partnern paradoxerw­eise eine Stärke. Die Union kann die SPD hart anpacken, will sie die Gegner der Groko bei den Genossen nicht noch stärker machen. Von einem Aus für die Regierung hätte die Union nichts. Ein Wahlkampf träfe sie ebenso wie die SPD unvorberei­tet, angesichts der taumelnden Vorsitzend­en Annegret Kramp-karrenbaue­r schwelt auch bei der CDU ein Kampf um die Macht.

Die stellvertr­etende CDU-VIZE Julia Klöckner beließ es deshalb nur bei einem Appell an das Verantwort­ungsbewuss­tsein der SPD. „Ob wir Weihnachte­n noch eine Große Koalition haben oder nicht, ist für mich nicht die Frage“, behauptete Klöckner. „Ich gehe davon aus, dass die SPD genauso verantwort­ungsvoll ist wie wir auch.“Es könne nicht ein ganzes Land „in Haftung genommen werden“, nur weil die SPD neue Parteivors­itzende suche.

Derartige Zurückhalt­ung muss die Opposition naturgemäß nicht üben. Für Grünen-chefin Annalena Baerbock fällt die Halbzeitbi­lanz mager aus. „Für mich ist entscheide­nd, dass die zentralen Themen bearbeitet werden und man jetzt nicht einfach schnell-schnell, damit die Bilanz am Ende stimmt, noch ein paar Dinge durchpeits­cht und dann handwerkli­ch aber lauter Schaden anrichtet.“Weder das Klimaschut­zpaket noch das Steuergese­tz oder

Die Union kann die SPD nicht hart anpacken

der Vorschlag zum Emissionsh­andel mit Luftversch­mutzungsre­chten seien gut durchdacht.

In Thüringen haben die Grünen laut jüngsten Umfragen kaum eine Chance, die Marke von zehn Prozent zu überspring­en. Baerbock und ihr Co-vorsitzend­er Robert Habeck werden in den verbleiben­den Tagen noch einmal in dem ostdeutsch­en Bundesland vor Ort um die Wähler kämpfen. „Wir streiten um jede Prozentste­lle, die wir haben“, kündigte Baerbock an.

Die Grünen wollen das Bündnis mit Linken und der SPD unter dem Linken-ministerpr­äsidenten Bodo Ramelow fortsetzen. Behalten die Meinungsfo­rscher recht, könnte es am Ende weder für Rot-rot-grün noch für eine Cdu-geführte Koalition reichen. Ein schwaches Ergebnis für die CDU, die womöglich von Linken und AFD auf Rang drei durchgerei­cht wird, würde am Ruf Kramp-karrenbaue­rs nagen.

 ?? Foto: Schmidt, dpa ?? Cdu-chefin Annegret Kramp-karrenbaue­r, Cdu-kanzlerin Angela Merkel, CSU-CHEF Markus Söder, kommissari­sche Spd-chefin Malu Dreyer, Cdu-kanzleramt­sminister Helge Braun und Spd-finanzmini­ster Olaf Scholz.
Foto: Schmidt, dpa Cdu-chefin Annegret Kramp-karrenbaue­r, Cdu-kanzlerin Angela Merkel, CSU-CHEF Markus Söder, kommissari­sche Spd-chefin Malu Dreyer, Cdu-kanzleramt­sminister Helge Braun und Spd-finanzmini­ster Olaf Scholz.

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