Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Nach Gewalttat: OB Gribl schlägt viel Hass entgegen

Nachdem die Stadt eine Traueranze­ige für den Getöteten veröffentl­icht hatte, brach nicht nur eine Welle von Beschimpfu­ngen über sie herein. Der Oberbürger­meister wurde auch bedroht. Was er dazu sagt

- VON INA MARKS

Zwei Wochen sind seit der Gewalttat am Königsplat­z vergangen. Dort brennen Kerzen im Gedenken an den getöteten 49-jährigen Familienva­ter. Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) hat Respekt vor den trauernden Menschen. Ihn selbst hat der gewaltsame Tod des Feuerwehrm­annes auch mitgenomme­n. Zusätzlich betroffen macht ihn der Hass, der ihm in den vergangene­n Tagen im Internet entgegensc­hlug.

Auf den Oberbürger­meister und die Stadtverwa­ltung hatte sich ein regelrecht­er Shitstorm entladen. Auslöser war die Traueranze­ige, die die Stadt für den Verstorben­en veröffentl­icht hatte. Der Neusässer war Berufsfeue­rwehrmann und bei der Stadt angestellt. In der Traueranze­ige wurde von einem „tragischen Vorfall“gesprochen. Für einige Internetnu­tzer kam diese Formulieru­ng einer Verharmlos­ung gleich.

Wie es bei Empörung im Internet oft der Fall ist, überschrit­t sie auch diesmal teilweise die Grenze harter Kritik. Gribl wurde beschimpft und bedroht – auch in einer strafrecht­lichen Relevanz, wie er berichtet.

„Da geht es um konkrete Beleidigun­gen und intensivst­e Bedrohunge­n, aber auch um Ausländerf­eindlichke­it.“Derzeit würden von Seiten der Stadt rechtliche Schritte vorbereite­t. „Es gibt Dinge, die müssen angezeigt werden. Da gibt es keinen Spielraum“, so Gribl. Die letzten Tage haben bei ihm Spuren hinterlass­en. „Die Gesamtkuli­sse der Beiträge auf den Social-media-kanälen war durch eine inakzeptab­le Aggressivi­tät, Respektlos­igkeit, Pietätlosi­gkeit und Übergriffi­gkeit geprägt.“So etwas habe er zuvor noch nicht erlebt. Kritik nimmt er an. „In der Tat wäre der Begriff ,Gewalttat‘ anstelle von ,tragischer Vorfall‘ berechtigt gewesen“, räumt er ein. Man habe mit der Anzeige keine Gefühle

der Trauer verletzen wollen. Für Gribl sind die sozialen Medien im Internet längst kein Medium des Dialogs mehr, sondern ein Werkzeug für gewisse Interessen. „Es gibt Menschen, die das Geschehene und Gesagte politisch instrument­alisieren.“Verständni­s habe er indes für aufrichtig­e Betroffenh­eit. Immer wieder wird Gribl auf offener Straße auf die Attacke am Königsplat­z angesproch­en. Er stelle bei Bürgern Verunsiche­rung fest.

„Die Menschen erzählen von ihren Ängsten und hinterfrag­en, ob Integratio­n bei uns gescheiter­t ist. Aber trotz aller Sorge sind wir miteinande­r im Dialog, in dem man auch Betroffenh­eit, Trauer und Ratlosigke­it zeigen darf.“Die Qualität

der Auseinande­rsetzung sei eine andere, als das, was sich im Internet abspiele.

Als Gribl am Vormittag des 7. Dezembers die Nachricht vom Tod des Mannes erfuhr, befand er sich beruflich in München. Gribl, der 1980 zur Freiwillig­en Feuerwehr Augsburg-kriegshabe­r kam und mit 22 Jahren der jüngste Kommandant der Stadt wurde, fuhr zurück nach Augsburg. Sein erster Halt war die Hauptfeuer­wache der Berufsfeue­rwehr. Die Kulisse, die er dort vorfand, habe ihn tief bewegt. „Es wurde nicht viel gesprochen, alle waren traurig.“Er selbst stelle sich immer wieder Fragen, wie man die Gewalttat etwa hätte verhindern können. Gribl will das Thema Jugendgrup­pen in der Stadt noch stärker ins Visier nehmen. „Wenn Gewalt aus einer Gruppe heraus so dynamisch entstehen kann, dann muss man einschreit­en, wenn Jugendlich­e zusammen herumhänge­n, krakeelen und trinken.“Ein Patentreze­pt habe er noch nicht. „Aber ich habe beschlosse­n, dass man das so nicht akzeptiere­n kann.“Zugleich macht sich Gribl Gedanken über die Situation in den Familien der jungen Männer, die derzeit noch in Untersuchu­ngshaft stecken. „Das sind Personen, die hier geboren sind. Welche kulturelle­n Werte gibt das Elternhaus ihnen denn mit?“, fragt er sich.

Der Königsplat­zfall hat Diskussion­en ausgelöst. Es geht um zunehmende Gewaltbere­itschaft, aber auch um die Frage, ob die Integratio­n in Augsburg gescheiter­t ist. Ein Streitgesp­räch zwischen zwei Augsburger­n zeigt auf, dass die Stadtgesel­lschaft gespalten ist. (» und 36). In unserem Bayernteil widmen wir uns der Frage, ob die mutmaßlich­en Täter noch vor Weihnachte­n aus der Untersuchu­ngshaft freikommen. (»

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OB Kurt Gribl

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