Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Klassische Streicher treffen auf Orient-jazzer
„Philharmoniker meet bands“ist ein hochinteressantes Konzept des Staatstheaters. Im Konzert ist es noch etwas unentschlossen
„Philharmoniker meet bands – brechtbühne un/plugged“– mit diesem etwas sperrigen, aber durchaus vielversprechenden Titel geht im Ofenhaus eine neue Musikreihe des Staatstheaters an den Start, die Augsburgs Popmusik-mastermind Girisha Fernando kuratiert. Dieser hatte den vorzüglichen Einfall, den Klangapparat des großen Hauses, die Augsburger Philharmoniker, mit Musikern aus der Popularmusik zusammenzubringen. Eine Idee, für die das alte Gaswerk wie geschaffen ist, schließlich soll sich hier langfristig ein kultureller Ort der Kooperation und Vernetzung etablieren.
Nun hat man sich zur Premiere der Reihe für zwei Augsburger Formationen entschieden, die im vergangenen Jahr in der Stadt sehr präsent waren. Die Sängerin Hanna Sikasa
und ihr Oktett waren im März zuletzt im Abraxas Theater zu sehen, übrigens auch mit Gästen des Staatstheaters, damals waren es allerdings Tänzer. Das Harrycane Orchestra ist als aktueller Hansdampf der Augsburger Jazzbands von Kunstnacht bis Jazzsommer omnipräsent und definitiv ein Qualitätsgarant. Beide Formationen begrüßten als Gäste vier Streicher der Philharmoniker, besser bekannt als Leopold Mozart Quartett (LMQ), und bereits mit großer Erfahrung in der Popmusik gesegnet.
Sikasa setzt in ihrer Musik auf melancholische Kompositionen mit ausgefeilten Texten und Rhythmen, die geschickt nicht nur vom Schlagzeug, sondern auch durch Kontrabass und Cello unterstützt werden. Hauptaugenmerk bleibt aber der hervorragend gesetzte vierstimmige Gesang, umgarnt von solistischen
Einwürfen der Trompete. Die zusätzlichen vier Streicher fügen sich ganz famos in die besondere Klangatmosphäre dieser ohnehin schon speziell besetzten Combo ein, die Band geht mit der schwierigen Soundsituation auf der Bühne sehr professionell um, ein jazz-kammermusikalisches Erlebnis.
Im zweiten Teil dann also die Konglomeration des Harrycane Orchestras und des Streichquartetts. Die beiden Gruppierungen haben kürzlich erst ein Album gemeinsam aufgenommen, sind also eingespielt. Und das LMQ hatte von Beginn an auch gleich deutlich mehr zu tun: Die Arrangements sind voller ausgefeilter Rhythmen, mutiger, mit in sich verworrener Linienführung, die sich geschickt an den richtigen Stellen auflöst, die gesamte Range des jeweiligen Instruments ausreizend. Diese verspielte Art zu arrangieren passt hervorragend zum Orient-jazz der wieder einmal hervorragend aufspielenden Harrycanemusiker.
Es findet nun also Popularmusik auf der Brechtbühne statt, was zweifelsohne großartig ist, aber die Ankündigung des Konzerts verspricht mehr: Dass lediglich nur etwa ein Viertel der Musik mit den Gästen des Theaters gespielt wurde, der Rest in der normalen Besetzung, ist zu wenig. Harry Alt meinte treffend: „Wie schön wäre es, das ganze
Konzert mit Streichern zu spielen.“So ist es! Klar, der Aufwand 50 Minuten Programm mit zusätzlichen Streichern zu arrangieren und zu proben ist hoch. Es schwingt die gleiche Problematik mit, wie beim altbekannten „Puppet on a string“, dem fulminanten Klassik/popcrossover des Modular-festivals, das in den letzten Jahren an der Finanzierung und vielleicht auch am Mut der Veranstalter scheiterte. Diesen Mut können jetzt Intendan André Bücker und Girisha Fernando beweisen, diese tolle Reihe langfristig in der Brechtbühne zu etablieren.
Das sehr zahlreiche Premierenpublikum war jedenfalls hörbar begeistert. Auch die Musiker waren am Ende glücklich. Hanna Sikasa wird ihr nächstes Album mit dem Leopold Mozart Quartett aufnehmen.