Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ordnungsdienst lernt, mit Gewalt umzugehen
Weil es im Einsatz immer rauer zugeht, hat die Stadt Augsburg einen Trainer engagiert. Der setzt in erster Linie auf Kommunikation. Wie man mit aufgebrachten Bürgern verfährt
Die Angriffe gegen uniformierte Ordnungskräfte nehmen zu. Für die Polizeieinsatzkräfte sehen die Zahlen so aus: 7689 Fälle von körperlicher und verbaler Gewalt vermeldete das Innenministerium für das abgelaufene Jahr allein in Bayern. Eine ähnliche Statistik für Mitarbeiter der Ordnungsdienste fehlt, doch auch hier kommt es immer wieder zu Übergriffen. Die Stadt Augsburg hat reagiert und die Ausbildung verbessert. Seit einem halben Jahr trainiert ein Experte für Gewaltprävention und ganzheitliches Konfliktmanagement die Männer und Frauen des Ordnungsdienstes.
„Es geht darum, uns ein weiteres Stück zu professionalisieren“, erklärt der Chef des Augsburger Ordnungsdienstes, Andreas Bleymaier. Bislang wurden die Mitarbeiter einmal im Jahr von der Polizei ausgebildet, dazu gab es Konfliktschulungen von einem Psychologen und Selbstverteidigungstraining – viel zu wenig für die 25 uniformierten Ordnungsdienstler, die jeden Tag in der Stadt mit Bürgern umgehen müssen, findet Bleymaier. „Draußen geht es auch mal ruppig zu“, weiß er. Durchschnittlich einmal im Monat müssten sich Mitarbeiter der Nachtschicht mit Gewalt oder Beleidigungen auseinandersetzten. „Das kann auch einmal ein Betrunkener mit einer abgebrochenen Glasflasche in der Hand sein“, weiß Bleymaier.
Durch Empfehlungen kam man auf den 43-jährigen Polizeibeamten Jürgen Schaffrath, der neben seiner Arbeit bei der Polizei auch Behördenmitarbeiter, Lehrer und Schüler, Rettungskräfte und Privatleute in Konfliktmanagement und Selbstverteidigung ausbildet. Im Rahmen der Stadtakademie, einer stadteigenen Ausbildungseinrichtung, schult er jetzt monatlich den Ordnungsdienst. Die Mitarbeiter der Verkehrsüberwachung, die es ebenfalls regelmäßig mit erbosten Bürgern zu tun bekommen, werden einmal im
Jahr in abgespeckter Form weitergebildet.
„Wenn ich Menschen anspreche, weil sie etwas falsch gemacht haben, ist es völlig normal, dass manche emotional oder aufbrausend reagieren“, weiß Trainer Schaffrath. Ob das Gespräch sachlich bleibe oder womöglich aus dem Ruder laufe, hänge zu einem großen Teil von den Kommunikationsfähigkeiten des Mitarbeiters ab. Aus diesem Grund gehe es bei der Ausbildung zum größten Teil um professionelle Gesprächsführung und nur zu einem kleinen Teil um klassische Selbstverteidigung.
„Das wichtigste Einsatzmittel des Ordnungsdienstes ist seine Persönlichkeit“, schärft er den Männern und Frauen im Training immer wieder ein. „Wenn ich den Bürger anspreche, bin ich höflich, stelle mich vor und erkläre, was ich von ihm will“, nennt er ein Beispiel. Ein gebelltes „Ausweis!“wäre dagegen kontraproduktiv. „Je kritischer eine Situation ist, umso mehr Zeit muss ich mir nehmen“, ist ein weiterer Tipp. Oft beruhigten sich die Menschen wieder, wenn man ihnen nur in Ruhe zuhört und versucht, ihren Standpunkt zu verstehen.
Die sogenannte Personalienfeststellung sei ein Punkt, der oft zu Stress führt. „Solange ich nicht weiß, mit wem ich es zu tun habe, kann ich nicht arbeiten – das geht Polizisten genauso wie dem Ordnungsdienst“, weiß Schaffrath. Hin und wieder bedürfe es einiger Beharrlichkeit, bis der Betroffene bereit ist, seinen Ausweis zu zeigen. Auch für solche Situationen lernen die Mitarbeiter die richtige Argumentation.
Damit sie Situationen richtig einschätzen und gelernte Muster abrufen können, gibt ihnen Schaffrath ein sechsstufiges Modell an die
Hand. Das geht los mit „kontroversen Diskussionen“, bei denen die Bürger mit einer Maßnahme nicht einverstanden sind und darüber reden wollen, geht weiter mit „kritischen Gesprächen“, bei denen die Emotionen bereits hochkochen und vielleicht geschimpft wird. „Alles Situationen, die mit entsprechendem Training leicht in den Griff zu bekommen sind.“Auch Stufe drei, bei der es bereits um Sachbeschädigungen, Bedrohungen und Nötigung geht, könnten die Ordnungsdienstler im Team bewältigen. Bei den weiteren Eskalationsstufen mit zunehmender Gewalt hingegen gehe es vor allem um Selbstschutz oder Nothilfe – hier müsse die Polizei hinzugezogen werden. Allerdings: „Als Uniformträger kann man nicht wegschauen, wenn es beispielsweise im Nachtleben zu Gewalt kommt“, erklärt Schaffrath.
Für solche Situationen lernten die
Mitarbeiter einfache und auch unter emotionalem Stress umsetzbare Methoden. Auch die richtige Handhabung ihrer Einsatzmittel wie Pfefferspray und Handschellen bringt er ihnen bei. „Die Mitarbeiter sind sehr engagiert und diszipliniert bei der Sache“, lobt er. Die Rückmeldungen seiner Leute nach einem halben Jahr Ausbildung seien durchweg positiv, sagt Andreas Bleymaier. Einige hätten geäußert, dass sie sich durch das Training draußen sicherer fühlten.
Die Art, wie man mit Konflikten umgeht, sei im Grunde immer gleich, sagt Schaffrath. Höflichkeit und selbstbewusstes Auftreten lernten beispielsweise auch Schüler und Lehrer in dem Projekt „Heldenzeit“, das er gemeinsam mit seinem Team an Schulen anbietet. Die Aspekte der Selbstverteidigung bietet er in der Sportschule Rumbleclub in Königsbrunn an.