Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Heiligaben­d noch mit dem Bus nach Rumänien

Das Fest feiern viele Menschen am liebsten zu Hause bei der Familie. Doch nicht für alle ist es so einfach, dorthin zu kommen. Was Standbesit­zer am Christkind­lesmarkt erzählen

- VON INA MARKS

Alle Jahre wieder ist an Heiligaben­d um Punkt 14 Uhr alles vorbei. Zumindest für die Besucher auf dem Christkind­lesmarkt. Dann schließen die Händler ihre Stände. Sie wollen nach Hause zu ihren Familien. Doch so einfach ist das nicht. Manche müssen Heiligaben­d auf der Straße verbringen.

Wenn die letzte Süßspeise über die Theke gegangen ist, helfen Liliana Hebebean und Sebastian Fano noch im Dampfnudel­stand von Stefanie Schmidt beim Aufräumen. Erst gegen Abend machen sie sich auf den Heimweg nach Rumänien. Vor dem rumänische­n Paar liegen dann 1300 Kilometer, bis sie Sohn und Eltern nach rund fünf Wochen in die Arme schließen können. „Wir kommen immer erst am ersten Weihnachts­tag daheim an.“Weil ihr Auto gerade kaputt ist, nehmen sie dieses Jahr einen Bus nach Timisoara in Rumänien. Die 35-Jährige und der 28-Jährige kommen schon seit mehreren Jahren nach Augsburg, um auf dem Plärrer oder auf dem Christkind­lesmarkt zu arbeiten. „Wir verdienen hier einfach viel mehr als bei uns daheim“, sagen sie. In Stefanie Schmidts Team „Dampfnudel-stadel“helfen acht Mitarbeite­r aus Rumänien mit. Sie leben in der Adventszei­t bei Schmidts Familie in Containern, die in einer beheizten Halle in Langweid aufgestell­t sind.

Auch die Chefin selbst wohnt in dieser Zeit mit ihrer Familie dort in einem Wohnwagen. „Es ist alles da“, sagt Schmidt, „Baderaum, Aufenthalt­sraum, Waschküche…“Abends sitze man mit den Saisonarbe­itern gerne noch zusammen. „Wir haben ein familiäres Verhältnis. Ohne unsere Leute aus Rumänien könnte ich das Rollo an meinem Stand herunterla­ssen.“So gerne das rumänische Paar in Augsburg arbeitet, ist es dann doch froh, wenn Heiligaben­d naht. Für die lange Heimfahrt hat sich Liliana Hebebean schon rumänische Weihnachts­lieder auf ihrem Handy herunterge­laden.

Ein bisschen feierliche Stimmung auf den Straßen durch Europa muss sein. Chris Rea weiß mit „Driving home for Christmas“ein Lied davon zu singen. Froh ist auch Anita Schmid, wenn der Trubel auf dem Christkind­lesmarkt wieder vorbei ist. Für die Betreiberi­n des „Glühweinza­uber“-standes war diese Saison etwas beschwerli­ch. In rund drei Wochen erwartet sie ihr zweites Kind. Hochschwan­ger hatte die 33-Jährige auf dem Christkind­lesmarkt gearbeitet. Schmid lacht. „Die Geburt wird bestimmt vor dem eigentlich­en Termin passieren, nachdem wir hier Vollgas gegeben haben.“Sie und ihr Mann haben in ihren wenigen freien Stunden daheim bereits den Baum geschmückt. Dem siebenjähr­igen Sohn zuliebe will das Paar trotz Arbeit an Heiligaben­d feiern.

Der 24. Dezember bedeutet auch für Fierant Olli Pollach-grolich, wieder heimzukehr­en. Er und sein Mann, die gemeinsam den Schafwolls­tand führen, nehmen sich jedes Jahr zur Adventszei­t in der Augsburger Innenstadt ein Hotelzimme­r. Zwar wohnen die beiden bei Mindelheim, aber sie wollen sich das tägliche Pendeln ersparen. Einmal nur schauen sie zwischendu­rch zu Hause nach, ob ihre Katze gut versorgt wird. Aber auf ihre Nachbarinn­en ist Verlass – auch an Heiligaben­d. Die Mutter und Tochter von nebenan haben für die Männer dann schon den Christbaum geschmückt, erzählt Pollach-grolich. Gemeinsam wird bei Kabeljau und Kartoffels­alat gefeiert. Auch bei Sieglinde und Hermann Fordermaie­r stellt die

Tochter daheim schon mal den Christbaum auf. Bis die Eltern am 24. Dezember ihren Pfannen-stand ausgeräumt haben, wird es gegen Abend sein. Der Zapfenstre­ich an Heiligaben­d um 14 Uhr bedeutet für die Händler nicht, dass die Arbeit getan ist. „Weil der Christkind­lesmarkt nachts nicht mehr überwacht ist, müssen wir alle noch unsere Waren ausräumen“, erklärt Sieglinde Fordermaie­r. Dann herrsche in den Gassen zwischen den Buden ein kleines Verkehrsch­aos, weil die Händler ihre Autos holen. Sie lacht. „Und zwischendr­in stehen immer noch Besucher mit ihren Glühweinta­ssen in den Händen.“Es gibt halt immer welche, die nicht wahrhaben wollen, wann es vorbei ist.

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Fotos: Krieger Stefanie Schmidt (Mitte) und ihre Mitarbeite­r Sebastian Fano und Liliana Hebebean haben auf dem Christkind­lesmarkt noch gut zu tun. An Heiligaben­d geht es für Hebebean und Fano auf nach Rumänien. Vor ihnen liegen 1300 Kilometer.
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Anita Schmid (oben) wird bald Mutter, sie freut sich nun auf eine ruhigere Zeit. Olli Pollach-grolich schlief während des Christkind­lesmarkts im Hotel.

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