Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Oberhausen: Ein Brennpunkt für Jugendliche?
Der mutmaßliche Haupttäter der Kö-attacke stammt aus dem nördlichen Stadtteil. Dort soll er Teil einer Jugendgang gewesen sein. Von einer Sonderrolle des Viertels wollen Schule und Polizei nicht sprechen
Der Übergriff, bei dem ein 49-Jähriger am Königsplatz zu Tode kam, liegt zwei Wochen zurück. Die Tat hat die Aufmerksamkeit der Stadtgesellschaft nicht nur auf den zentralen Platz gezogen, sondern auch auf Oberhausen. Dort leben einige der Verdächtigen – unter anderem auch der Jugendliche, der dem Mann den tödlichen Schlag verpasst haben soll.
Der 17-Jährige soll nach Angaben von Bekannten aus seinem Umfeld einer Art Jugendgang angehören, die sich „54er“nennt – in Anlehnung an die Endung der Postleitzahl 86154, die für Oberhausen steht. Der Stadtteil – ein Brennpunkt für Jugendkriminalität?
Helmut Jesske, Chef des Augsburger Stadtjugendrings, sieht es nicht so. Grundsätzlich sei Oberhausen ein Stadtteil, in dem sich keiner Sorgen machen müsse, wenn er nachts um zehn auf die Straße gehe. Die Streetworker des Stadtjugendrings suchen in dem Stadtteil den Draht zu Jugendlichen: Sie treffen sie an Orten, an denen die Gruppen sich gerne aufhalten, etwa am Drei-auen-platz im Norden Oberhausens. Hier weisen diverse Graffiti darauf hin, wie sehr sich einige Jugendliche des Viertels mit ihrem Stadtteil identifizieren: Die „54“ist oft an Wänden zu sehen. Jesske sagt, das Besondere an Oberhausen sei, dass dort Menschen aus vielen unterschiedlichen Nationen zusammenleben, teils mit ganz spezifischen Problemen. Eines ist zum Beispiel Armut. Manchmal lade man beim Stadtjugendring zum Bowling ein, das koste die Jugendlichen ein, zwei Euro, sagt Jesske. Es gebe immer wieder welche, die sich das nicht leisten könnten. Das gebe es in anderen Stadtteilen in diesem Umfang so nicht.
Bereits vor einigen Tagen schilderte ein Streetworker des Stadtjugendringes unserer Zeitung, dass manche Jugendliche in Oberhausen die Sorge hätten, nun im öffentlichen Raum vor allem als Angstfaktoren wahrgenommen zu werden. Jesske sagt, er könne verstehen, wenn Jugendliche dort diese Sorge hätten. Es sei auch falsch, Oberhausen auf negative Aspekte zu reduzieren. Der Stadtteil bringe auch eine ganze Reihe von positiven Dingen hervor, das Zusammenleben dort funktioniere.
Auch die Polizei wirft einen differenzierten Blick auf Oberhausen. Generell sei die Anzahl der Delikte von 14- bis 18-Jährigen deutlich rückläufig. „Lediglich in der Gesamtschau der bis 21-Jährigen ist ein leichter Anstieg festzustellen“, sagt Sprecherin Maria Enslin vom Polizeipräsidium Schwaben Nord. Dabei läge die Anzahl der Delikte pro Jahr aber noch im zweistelligen Bereich.
Das Auftreten von Jugendgruppen sei kein neues Phänomen.
immer haben sich Jugendgruppen je nach Altersstruktur zusammengeschlossen. Dies gilt nicht nur für den Stadtteil Oberhausen“, sagt Enslin. Die Polizei versuche vor Ort, durch die regelmäßige Kontrolle bekannter Treffpunkte die Strukturen zu erfassen und gegebenenfalls auffällige Jugendliche genauer im Auge zu behalten. Im Fall der Mitglieder dieser Jugendgruppen fielen „typische jugendspezifische Straftaten“an – Beleidigungen, Sachbeschädigungen, Bedrohungen, einfache und gefährliche Körperverletzungen, Eigentumsdelikte sowie Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. „Körperverletzungsdelikte sowie Nötigungen,
Sachbeschädigungen und Eigentumsdelikte sind in den meisten Fällen unter den verschiedenen Jugendgruppierungen festzustellen und haben kaum Auswirkungen auf den Normalbürger“so die Polizeisprecherin.
Schulleiter Reiner Wendlinger von der Heinrich-von-buz-realschule will ebenfalls nicht von einem Brennpunkt sprechen. „Die gibt es vielleicht in Berlin oder Bremen, aber nicht in Oberhausen. Die Schüler sind ein Abbild der Augsburger Stadtgesellschaft.“Diese entwickle sich schnell. Man müsse versuchen, Schritt zu halten. Ein Problem sieht Wendlinger in der rasanten medialen Entwicklung: „Kinder und Ju„schon gendliche kommunizieren heutzutage anders. Viele Eltern kennen sich da gar nicht so gut aus und wissen auch nicht, was ihre Kinder im Internet so machen.“Hier seien die Eltern selbst gefordert, aber auch die Schulen, die sich beispielsweise mit Medienscouts behelfen. Präventionsarbeit und der Kontakt zu den Jugendbeamten der Polizei hält Wendlinger für eine wichtige Maßnahme. Ab Januar erhält die Oberhauser Realschule Unterstützung von dann zwei Sozialpädagogen, die 20 Stunden in Einzelfallbetreuung und 20 Stunden in Teambuildingmaßnahmen investieren.
Von Straftaten, die an Oberhauser Schulen verübt worden sind, will der Augsburger Schulamtsleiter Markus Wörle nichts wissen. Es gebe laut seiner Auskunft auch keine Auffälligkeiten gegenüber anderen Stadtteilen. Die Zahlen sprechen eine etwas andere Sprache: In ihrer Statistik weist die Polizei für das Jahr 2018 für den Stadtteil Oberhausen immerhin 32 Straftaten am „Tatort Schule“auf. Darunter fallen unter anderem Rohheitsdelikte, wie gefährliche und einfache Körperverletzung, Nötigung oder Bedrohung, sechs Delikte unter Diebstahl, weitere sechs Delikte unter Beleidigung. Diese wurden nicht nur an öffentlichen Schulen verübt, sondern etwa auch an Ausbildungsanstalten und sonstigen Schulen.
Und wie sieht es mit der Betreuung der Schulen durch Sozialarbeiter aus? Grund- und Mittelschulen sind laut Schulamtsdirektor Markus Wörle im gesamten Stadtgebiet mit mindestens einer sogenannten Jasfachkraft (Jugendsozialarbeit an Schulen) ausgestattet. Daneben habe jede Grund- und Mittelschule eine feste Zuteilung, was die Beratungslehrkräfte und die Schulpsychologen angehe. „In Oberhausen arbeiten wir zusätzlich mit Beraterinnen und Beratern ,Migration‘, die sich zur Unterstützung an Kinder, Eltern, Lehrer und an die Schulgemeinschaft wenden.“Wörle verweist auf zahlreiche Präventionsprojekte in allen Klassenstufen, wie Klasse-team, PIT (Prävention im Team) oder „Schule in der Werkstatt“. Von einem Brennpunkt oder mangelnder Unterstützung könne keine Rede sein...