Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Zusammen isst man weniger allein
Gesellschaft Jetzt ist Weihnachten. Aber wer geht schon gerne alleine zum Essen? Das muss nicht sein – dazu gibt es den Mischtisch. Ein Besuch in Kühners Landhaus in Kissing
Kissing Wer alleine essen geht, wird oft von anderen schief angesehen. Manche sehnen sich auch nach mehr Geselligkeit. Von Bad Füssing aus startete das Projekt Mischtisch – die Aktion ist gewachsen, sodass sie vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Bayern e.v. auf ganz Bayern ausgedehnt wurde. Inzwischen ist sie auch in Kissing angekommen. Man wolle einer zunehmenden Vereinsamung begegnen, damit die Leute wieder unter die Leute kommen. Der alte Stammtisch soll mit dem „Mischtisch“wieder aufleben. Tische werden geteilt und Menschen gemischt. Ein Tisch, der Menschen zusammenbringt, Geschichten erzählt, Erfahrungen teilt, Gesellschaft verspricht und für Begegnungen sorgt.
Als Andreas Kühner aus Kissing davon hörte, war er sofort Feuer und Flamme. Er wurde mit Werbematerialien und einem Aufsteller für den Tisch versorgt. „Ich finde es eine gute Sache, dass man Strukturen aufbricht und unbekannte Menschen hier zusammenkommen können“, so der Gastronom. Bisher herrscht noch Zurückhaltung, aber das werde sich bald ändern. Seine Mitarbeiter müssen die Gäste aber aktiv einladen, sich an den Mischtisch zu setzen. Glückliche Gäste kommen gerne wieder, etwa das Ehepaar Elisabeth und Fidelis Resch aus Augsburg, die alleinstehende Rentnerin Helga Wörle aus Kissing und die beiden Freundinnen Andrea Bernhard aus der Nähe von Odelzhausen und Tini Schäffler aus Laimering.
Eigentlich wollten Schäffler und Bernhard an diesem Abend in der Vorweihnachtszeit nur einen gemütlichen Freundinnenabend verbringen. Als die Stammgäste von Kühner gefragt wurden, ob sie heute mal am Mischtisch Platz nehmen möchten, sagten sie gerne zu. Die beiden setzten sich zu dem Ehepaar Resch, das bereits an diesem sogenannten „Stammtisch 4.0“saß, mit dazu. Auch Helga Wörle saß schon in der Runde. „Alleine hätte ich nicht essen wollen. Deshalb habe ich mich über diese Möglichkeit sehr gefreut“, sagte die Kissingerin. Schon anfangs wurde viel miteinander gelacht. Wie es sich für einen Stammtisch gehört, servierte Kühner eine leckere Brotzeitplatte mit vielen regionalen Produkten und selbst gebackenem Brot.
Es dauerte nicht lange, bis sich ein gutes Gespräch entwickelt hat. Da stellte man fest, dass man gemeinsame Bekannte hat, die gleichen Urlaubsziele mag und sogar den gleichen Beruf hatte. Helga Wörle und Elisabeth Resch arbeiteten früher beide in einer Bank und sind inzwischen im Ruhestand. Aber auch die Vor- und Nachteile eines Thermomix, gutes Essen, Chefs und ihre Macken, der Garten und vieles mehr waren Themen, über die man viel gelacht hat. Es ging quasi von Kissing nach Mallorca bis zur richtigen Zubereitung von Innereien und dem richtigen Kürbiskernöl. Kühners Mitmachtisch hat an diesem Abend Menschen zusammengebracht und glücklich gemacht. „Wir sind ein Mischtischstammtisch geworden“, sagen die Fünf und freuen sich schon aufs nächste Mal. „Das mit uns hat sofort gepasst“, so Tina Schäffler. „Es war so griabig und gemütlich. Das machen wir wieder“, ergänzte ihre Freundin Andrea Bernhard. „Wenn man mit Bekannten und Freunden zum Essen geht, da dreht sich immer alles um die gleichen Themen. An unserem Mischtisch kamen neue intensive Gespräche zustande. Das hat mir gut gefallen“, sagte Fidelis Resch. Früher ist er zum Kegeln gegangen, inzwischen geht er mit seiner Frau lieber gut zum Essen. Seit sie im Ruhestand sind, haben sie viel Zeit, die sie gerne mit netten Menschen teilen möchten. Helga Wörle hat sehr früh ihren Mann verloren und ist es gewöhnt, alleine zum Essen zu gehen. Den Mischtisch fand sie klasse. „Das werde ich ab jetzt öfters nutzen. Ich wohne ja gleich um die Ecke“, sagte die Kissingerin.
Kühners bisherige Erfahrungen sind unterschiedlich. Es gebe viele, die offen dafür sind und sich mit anderen unterhalten möchten. Man müsse aber auch akzeptieren, dass Paare sich lieber alleine an einen Tisch setzen möchten. Kühner sieht sich als Vorreiter in der Region. 37 Restaurants in Bayern mischen bereits mit, sein Lokal ist das erste im Wittelsbacher Land. „Wir brauchen nun weitere Gastronomen, die das mittragen“, fordert er.
Einige Lokale werden das auch bald tun. Eines ist das Restaurant „maximilian’s“im Hotel Drei Mohren in Augsburg. „Wir mischen ab Januar mit“, sagt Hoteldirektor
Theodor Gandenheimer. Aber auch im Gasthof zum Schloss in Stätzling rüstet man sich dafür auf. Die Unterlagen hat Wirtin Hildegard Haugg schon angefordert.
Es ist jetzt schon ein Stammtisch geworden…