Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Erst Prachtbau, dann Schuppen
Die Dominikanerkirche, in der das Römische Museum untergebracht war, ist eine außergewöhnliche Augsburger Kirche – mit einer bewegten Geschichte. Sie diente sogar als Lazarett
Maschinen sind es jetzt, die gelegentlich die Ruhe in der Dominikanerkirche in Augsburg stören. Große Gebläse stehen im Kirchenraum, um die Temperatur konstant zu halten. Ansonsten liegt die Kirche, die bis zum 5. Dezember 2012 noch ein Museum war, im Tiefschlaf. Der Boden ist abgedeckt, ein Laufsteg verbindet den Eingangsbereich mit den hinteren Räumen, die an das Kirchenschiff angebaut sind. Schwarze Planen sind über den Boden ausgebreitet, damit nicht so viel Staub aufgewirbelt wird.
An diesem Boden liegt es auch, weshalb das Römische Museum letztlich geschlossen werden musste. Die Platte, die dort einmal eingezogen war, lag auf Grüften, in denen sich über Jahrhunderte weg die Augsburger Patrizier haben bestatten lassen. Salopp könnte man sagen, dass die Dominikanerkirche früher der angesagteste Platz in der Stadt war – für die Totenruhe. Wer es dorthin schaffte, gehörte zu den wichtigen und bestimmenden Familien der Stadt. An manchen Stellen der Kirche gibt es deshalb zwei unterirdische Etagen, wie Manfred Hahn, der Leiter des Römischen Museums, sagt.
Boden unter der Bodenplatte war nicht massiv, sondern hatte große Hohlräume. An manchen Stellen kollabierten die Rundbögen der Grüfte, woraufhin die Bodenplatte nachgab. Und dann musste die Stadt von einem Tag auf den anderen den Museumsbetrieb schließen.
Seit sieben Jahren nun kann dieses Kirchen-schmuckstück in Augsburg nicht mehr gesehen werden. Wer dem großen Glanz vergangener Tage nachspüren will, muss sowieso anderswo auf Spurensuche gehen. Von der reichen Innenausstattung ist nicht mehr viel in der Kirche übrig geblieben. Zu sehen gibt es dort noch die vier „Gulden Stein“, vier Gedenksteine an den Kirchenwänden, die der Habsburger Kaiser Maximilian I. gespendet hat. Sie erinnern an Maximilian I. und drei weitere Habsburger. Jetzt, wo das Maximilian-gedenkjahr langsam zu Ende geht, zeigt sich, dass die Stelle, an der der Kaiser in Augsburg tatsächlich selbst eine Spur hinterlassen hat, an der er einen Gedenkstein an sich geschaffen hat, das ganze Jahr über nicht zu sehen gewesen war.
Von den Kunstwerken, die die Kirche früher geschmückt haben, hebt Hahn vor allem zwei hervor, zum einen einen Moses aus Bronze von Hubert Gerhard im Victoria and
Albert Museum in London, zum anderen eine Maria Magdalena aus Lindenholz, von Gregor Erhart zwischen 1515 und 1520 geschaffen.
Hahn erklärt auch, warum das alles verstreut worden ist. Die Kirche wurde 1802 säkularisiert. Damals bestand der Konvent des Dominikanerklosters St. Magdalena noch aus zwanzig Patres, sechs Fraters und einem Novizen. Einige Mönche blieben bis 1808 in dem Kloster und mussten mitansehen, wie die Dominikanerkirche erst der französischen Armee während der Besatzung Augsburgs als Lazarett und Depot diente. 1807 übernahm die königlich bayerische Armee den Komplex als provisorische Kaserne für Kavallerietruppen. Die Kunstgegenstände waren nicht mehr weiter wichtig, deshalb gelangten sie unter anderem auch auf den Kunstmarkt. Hahn sagt, dass damals allerdings durch die Säkularisation so viele Kirchenschätze gleichzeitig angeboten wurden, dass sie praktisch nichts mehr wert waren.
Das bayerische Militär verließ über zwei Etappen die Kirche, 1808 räumte es den Konvent und übergab diesen der Stadt. Das Kirchengebäude nutzte die Armee bis 1836 weiter – als Salpeter- und Schwefelmagazin. Als der Stadt das kompletder te Ensemble zufiel, wurde die gesamte Anlage als Lagerhalle genutzt. Die angesagteste Kirche der Augsburger Patrizier war im 19. Jahrhundert, als die Industrialisierung alles grundlegend veränderte, ein Schuppen geworden.
Es war ein Augsburger, der durch die neue Maschinentechnik zu Geld gekommen war, der dieses Trauerspiel beendete. Der Textilfabrikant Hugo Ritter von Forster ermöglichte eine umfassende Renovierung der Kirche. Danach diente die Kirche als städtischer Ausstellungsraum. 1966 richtete die Stadt in der Dominikanerkirche das Römische Museum ein – bis es im Dezember 2012 geschlossen werden musste.
Im Dehio für Schwaben, dem Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, heißt es, dass die Kirche zu den frühesten und bedeutendsten Sakralbauten der Renaissance in Deutschland gehört – ausgewogen, hell und weit. Der berühmte Kunsthistoriker Dehio fand das Raumbild der Kirche das „eigentümlichste und wohl auch schönste unter den Kirchen Augsburgs“. Seit sieben Jahren ist der Prachtbau nicht mehr öffentlich zu sehen. Immer noch hat die Stadt weder einen Zeitplan noch ein Konzept für die Zukunft der Dominikanerkirche erarbeitet.