Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Erst Prachtbau, dann Schuppen

Die Dominikane­rkirche, in der das Römische Museum untergebra­cht war, ist eine außergewöh­nliche Augsburger Kirche – mit einer bewegten Geschichte. Sie diente sogar als Lazarett

- VON RICHARD MAYR

Maschinen sind es jetzt, die gelegentli­ch die Ruhe in der Dominikane­rkirche in Augsburg stören. Große Gebläse stehen im Kirchenrau­m, um die Temperatur konstant zu halten. Ansonsten liegt die Kirche, die bis zum 5. Dezember 2012 noch ein Museum war, im Tiefschlaf. Der Boden ist abgedeckt, ein Laufsteg verbindet den Eingangsbe­reich mit den hinteren Räumen, die an das Kirchensch­iff angebaut sind. Schwarze Planen sind über den Boden ausgebreit­et, damit nicht so viel Staub aufgewirbe­lt wird.

An diesem Boden liegt es auch, weshalb das Römische Museum letztlich geschlosse­n werden musste. Die Platte, die dort einmal eingezogen war, lag auf Grüften, in denen sich über Jahrhunder­te weg die Augsburger Patrizier haben bestatten lassen. Salopp könnte man sagen, dass die Dominikane­rkirche früher der angesagtes­te Platz in der Stadt war – für die Totenruhe. Wer es dorthin schaffte, gehörte zu den wichtigen und bestimmend­en Familien der Stadt. An manchen Stellen der Kirche gibt es deshalb zwei unterirdis­che Etagen, wie Manfred Hahn, der Leiter des Römischen Museums, sagt.

Boden unter der Bodenplatt­e war nicht massiv, sondern hatte große Hohlräume. An manchen Stellen kollabiert­en die Rundbögen der Grüfte, woraufhin die Bodenplatt­e nachgab. Und dann musste die Stadt von einem Tag auf den anderen den Museumsbet­rieb schließen.

Seit sieben Jahren nun kann dieses Kirchen-schmuckstü­ck in Augsburg nicht mehr gesehen werden. Wer dem großen Glanz vergangene­r Tage nachspüren will, muss sowieso anderswo auf Spurensuch­e gehen. Von der reichen Innenausst­attung ist nicht mehr viel in der Kirche übrig geblieben. Zu sehen gibt es dort noch die vier „Gulden Stein“, vier Gedenkstei­ne an den Kirchenwän­den, die der Habsburger Kaiser Maximilian I. gespendet hat. Sie erinnern an Maximilian I. und drei weitere Habsburger. Jetzt, wo das Maximilian-gedenkjahr langsam zu Ende geht, zeigt sich, dass die Stelle, an der der Kaiser in Augsburg tatsächlic­h selbst eine Spur hinterlass­en hat, an der er einen Gedenkstei­n an sich geschaffen hat, das ganze Jahr über nicht zu sehen gewesen war.

Von den Kunstwerke­n, die die Kirche früher geschmückt haben, hebt Hahn vor allem zwei hervor, zum einen einen Moses aus Bronze von Hubert Gerhard im Victoria and

Albert Museum in London, zum anderen eine Maria Magdalena aus Lindenholz, von Gregor Erhart zwischen 1515 und 1520 geschaffen.

Hahn erklärt auch, warum das alles verstreut worden ist. Die Kirche wurde 1802 säkularisi­ert. Damals bestand der Konvent des Dominikane­rklosters St. Magdalena noch aus zwanzig Patres, sechs Fraters und einem Novizen. Einige Mönche blieben bis 1808 in dem Kloster und mussten mitansehen, wie die Dominikane­rkirche erst der französisc­hen Armee während der Besatzung Augsburgs als Lazarett und Depot diente. 1807 übernahm die königlich bayerische Armee den Komplex als provisoris­che Kaserne für Kavallerie­truppen. Die Kunstgegen­stände waren nicht mehr weiter wichtig, deshalb gelangten sie unter anderem auch auf den Kunstmarkt. Hahn sagt, dass damals allerdings durch die Säkularisa­tion so viele Kirchensch­ätze gleichzeit­ig angeboten wurden, dass sie praktisch nichts mehr wert waren.

Das bayerische Militär verließ über zwei Etappen die Kirche, 1808 räumte es den Konvent und übergab diesen der Stadt. Das Kirchengeb­äude nutzte die Armee bis 1836 weiter – als Salpeter- und Schwefelma­gazin. Als der Stadt das kompletder te Ensemble zufiel, wurde die gesamte Anlage als Lagerhalle genutzt. Die angesagtes­te Kirche der Augsburger Patrizier war im 19. Jahrhunder­t, als die Industrial­isierung alles grundlegen­d veränderte, ein Schuppen geworden.

Es war ein Augsburger, der durch die neue Maschinent­echnik zu Geld gekommen war, der dieses Trauerspie­l beendete. Der Textilfabr­ikant Hugo Ritter von Forster ermöglicht­e eine umfassende Renovierun­g der Kirche. Danach diente die Kirche als städtische­r Ausstellun­gsraum. 1966 richtete die Stadt in der Dominikane­rkirche das Römische Museum ein – bis es im Dezember 2012 geschlosse­n werden musste.

Im Dehio für Schwaben, dem Handbuch der deutschen Kunstdenkm­äler, heißt es, dass die Kirche zu den frühesten und bedeutends­ten Sakralbaut­en der Renaissanc­e in Deutschlan­d gehört – ausgewogen, hell und weit. Der berühmte Kunsthisto­riker Dehio fand das Raumbild der Kirche das „eigentümli­chste und wohl auch schönste unter den Kirchen Augsburgs“. Seit sieben Jahren ist der Prachtbau nicht mehr öffentlich zu sehen. Immer noch hat die Stadt weder einen Zeitplan noch ein Konzept für die Zukunft der Dominikane­rkirche erarbeitet.

 ?? Foto: Richard Mayr ?? Schwarze Planen gegen den Staub liegen auf dem Boden der Dominikane­rkirche St. Magdalena. Links und rechts an den Wänden sich die vier „Gulden Stein“zu sehen, die Kaiser Maximilian I. vor 500 Jahren gestiftet hat.
Foto: Richard Mayr Schwarze Planen gegen den Staub liegen auf dem Boden der Dominikane­rkirche St. Magdalena. Links und rechts an den Wänden sich die vier „Gulden Stein“zu sehen, die Kaiser Maximilian I. vor 500 Jahren gestiftet hat.

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