Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
O Plastikbaum, o Plastikbaum
Weihnachtskitsch und Besinnlichkeit mit Chris Murray
Eines vorneweg: Chris Murray ist ein hervorragender Musicaldarsteller. Seine Präsenz, sein schillerndes Spiel als Jakob Fugger und sein kräftiger Tenor machten „Herz aus Gold“auf der Freilichtbühne im Sommer 2018 zu einem Erfolg. Die Jubiläumsausgabe seines Weihnachtsprogramms lässt einen jedoch ratlos zurück. Die Kulisse mit ihrem Durcheinander aus Weihnachtlichem, Esoterik und Kitsch erinnert an das Weihnachtsschaufenster eines 1-Euro-ladens in der Gelsenkirchener Fußgängerzone.
Wenn Murrays Begleiter, Tonmeister Philipp Polzin, E-piano spielt, entstehen zusammen mit seinem Stimmvermögen leicht überzogene, aber trotzdem besinnliche Versionen beliebter Weihnachtsund Musicalhits. Leider gibt es zu oft auf Knopfdruck Rhythmus oder ein Orchester aus der Konserve dazu, was den Stücken einen Alleinunterhalter-charakter verleiht. Die Musik für die Einlagen des Gesangsensembles „Joy of Voice“, die mal zwischen, mal mit Murray auftreten, kommt meist komplett vom Band. Ihre Choreografien gleichen Tanzeinlagen eines Broadwaystücks, verweihnachtlicht mit den Nikolaus- und Rentierkopfbedeckungen aus dem 1-Euro-laden. Die vorherrschende Farbe dieses Abends ist: Trash.
Die ernsthaften Stücke mit weihnachtlicher Botschaft werden mit Versatzstücken aus Buddhismus, Kirchengeschichte und Küchenpsychologie angekündigt, vorgetragen mit Kermit-stimme und Kinskimimik, unterbrochen von Kalauergeschichten über Plastikbrontosaurier in der eigenen Krippe.
Selbst das wohl besinnlichste Weihnachtslied „Stille Nacht“, nach fast drei Stunden Programm das letzte Stück vor den Zugaben, verlor dank des Verteilens von Neonknicklichtern (aus dem, Sie wissen schon) die ergreifende Wirkung. Den Fans von Murray gefiel es trotzdem, sehr sogar.