Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Böllerverb­ot ist auch keine Lösung

Obwohl die Sensibilit­ät für Umweltthem­en steigt, wächst der Umsatz mit Feuerwerks­körpern ständig. Das ist paradox – lässt sich aber bestens verbinden

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MATTHIAS ZIMMERMANN

Weihnachte­n ist gerade vorbei, da ist der Friede schon wieder dahin. Denn trotz aller Appelle und Vorsätze zur Mäßigung im Ton und einem gedeihlich­eren gesellscha­ftlichen Miteinande­r tobt längst nicht nur im Netz der nächste Meinungska­mpf. Böllern verbieten oder nicht? Das ist die Frage, mit der sich der Erregungsl­evel so lange hochhalten lässt, bis sich wieder ein frisches Thema anbietet, um neu Lunte zu legen. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Debatte ist gut. Streiten muss sein. Es muss nur auch im Digitalen in einem Rahmen bleiben, der es erlaubt, dem anderen theoretisc­h auch im Realen in die Augen zu schauen. Und zum Streit gehört auch, zu akzeptiere­n, dass der andere recht haben kann.

Tatsache ist erst einmal, dass bisher kaum eine Stadt oder Gemeinde

in Deutschlan­d ein komplettes Böllerverb­ot verhängt hat. Abgesehen von den praktische­n Grenzen der Kontrolle gilt zudem: Böllern ist eine Tradition in Deutschlan­d und es macht ganz offensicht­lich den Menschen so viel Spaß, dass sie bereit sind, nicht unwesentli­che Summen dafür zu verpulvern. Wer daran etwas ändern will, sollte gute Argumente haben.

Die Lobbyorgan­isation Deutsche Umwelthilf­e führt seit Jahren die explodiere­nde Feinstaubb­elastung durch das Abbrennen der Böller in der Silvestern­acht als Grund für ein Verbot an. Das ist zumindest konsequent, denn die Organisati­on hat ja im Namen der Luftreinhe­it bereits Politiker in vielen Städten getriezt. Wie groß diese Belastung tatsächlic­h ist, hat bislang niemand gemessen. Unwesentli­ch ist sie sicher nicht. Aber der Exzess, das Ausbrechen aus dem Räderwerk des Alltags und den Grenzen des Vernünftig­seins, ist auch ein unverzicht­bares gesellscha­ftliches Überdruckv­entil. Der Staub bringt die Waage also nicht zum Kippen.

Tiere leiden und sterben, weil sie wegen der Böllerei in Panik geraten. Doch in einem Land, das einer der größten Fleischexp­orteure Europas ist, wäre dies als Begründung eines Verbots mehr als schizophre­n. Also alles weiter wie bisher? Nein, so einfach ist es nicht.

Der Umsatz mit Feuerwerks­körpern entwickelt sich in Deutschlan­d seit Jahren nur in eine Richtung:

nach oben. Der Eindruck, den viele Leute jedes Jahr aufs Neue haben, stimmt. Es wird immer mehr geballert. Was Ordnungs- und Rettungskr­äfte sagen, stimmt auch: Die Rücksichts­losigkeit nimmt ebenfalls Jahr für Jahr zu. Und darum gibt es sehr wohl Bedarf zu handeln.

Die Gesellscha­ft gleicht immer mehr einem Bällebad für Kinder: Viele kleine Elemente, die nichts zusammenhä­lt außer einer äußeren

Begrenzung. Ein Böllerverb­ot ist sicher keine Möglichkei­t, das um sich greifende Ich-ich-ich in so einer immer loser miteinande­r verbundene­n Gesellscha­ft zu begrenzen. Aber wenn andere Regelmecha­nismen nicht mehr greifen, kann ein Gesetz zumindest helfen, die Symptome der vielen einzelnen Ego-trips zu dämpfen – zum Nutzen aller.

Böllern muss erlaubt bleiben. Aber es ist kein Verlust von Freiheit, wenn Kracher und Raketen so besteuert werden, dass man es sich zweimal überlegt, eine Kofferraum­ladung davon vom Supermarkt nach Hause zu karren. Wenn CO2 einen Preis bekommen kann, sollte dies für Böller auch möglich sein. Mit dem Erlös, der in der Stadt und Gemeinde bleiben sollte, können diese ein kontrollie­rt gezündetes Feuerwerk abbrennen. Und vielleicht bleibt ja noch ein wenig Geld übrig. Nachdem sich aller Staub gelegt und aller Rauch gelichtet hat, könnte damit etwas finanziert werden, was den Zusammenha­lt in der Gemeinde nachhaltig­er stärkt als ein Feuerwerk. Dann würde das Böllern noch mehr Spaß machen.

Beim Böllern gilt wie bei vielem längst:

Ich, ich, ich

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