Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Einst doppelt abgelehnt
Münchens Pinakothek der Moderne zeigt den Künstler Hermann Glöckner
München Angeschrägte Klötzchen in unterschiedlichen Größen stehen unter einer Glashaube. Sie sind schwarz, weiß, grau, blau, orange, lila, gelb. Wobei diese „Farbigen Baukörper“(1978) bei näherem Hinsehen aus Pappe geformt sind. Sie dürften als Modell für etwas weithin Sichtbares gedient haben, zu dem es nicht gekommen ist – wie so vieles im Leben von Hermann Glöckner, der nun in der Pinakothek der Moderne präsentiert wird.
Der 1889 in Dresden geborene Künstler wurde 98 Jahre alt, und er hat von Anfang an den Aufbruch in die Moderne verfolgt – Cézanne, van Gogh und die Nabis, später die Brücke-maler. Aber die politischen
Umstände waren für den offenen Geist nie die richtigen. Was er schuf, galt bei den Nazis als „entartet“, entsprechend musste er seine konstruktiven Überlegungen im Stillen verfolgen und sich mit dekorativer Wandgestaltung den Unterhalt sichern. Auch später dann in der DDR. Da passte Glöckner nicht der SED, für sie war er zu „formalistisch“. Das hat aus dem zurückhaltenden Asketen dennoch keinen einsam vor sich hin werkelnden Eigenbrötler gemacht. Glöckner wusste immer, was draußen vor dem Eisernen Vorhang geschah. Anfangs durfte er noch reisen – etwa 1955 zur ersten Documenta. Doch eigene Arbeiten konnte er nur in den eigenen vier Wänden in Dresden-loschwitz ausstellen. Glöckner musste 80 werden, um 1969 im Dresdner Kupferstichkabinett eine erste repräsentative Würdigung zu erfahren – das hatten die Museumsleute eingefädelt. Und als ihn L’humanité, die Zeitung der französischen Kommunisten, 1976 als „Patriarchen der modernen Kunst“bejubelte, musste selbst die SED einsehen, dass der nonkonformistische Glöckner kein zu vernachlässigendes Provinzphänomen war.
In den „Farbigen Baukörpern“sind Papier, Pappe, Karton gefaltet, gerollt, verschränkt – und das so spielerisch, fantasievoll, witzigfrech, dass man manches gerne ins große Format umgesetzt sähe. Dann würde deutlich, dass sich Glöckner lässig in der Liga der Serras, Stellas, Judds, Kellys bewegt (bis 19. Januar). Christa Sigg