Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
In Badeshorts auf die Schanze
Zuletzt hat es ein paar Flocken auf die Berge rund um Oberstdorf geschneit. Mit etwas Glück bleibt der weiße Hauch bis Sonntag liegen und verleiht dem Auftakt der Vierschanzentournee einen winterlichen Rahmen. Für die Schanze reichte das bisschen Puder nicht. 80 Lkw-ladungen Schnee haben die Organisatoren herangekarrt und auf den Aufsprunghügel gekippt. Glücklicherweise sind die Skispringer bescheiden. Die vergleichsweise geringen Schneemengen für ihre Bedürfnisse dürften auch in einigen Jahren noch zu beschaffen sein. Die fragilsten Wintersportler begegnen dem Klimawandel am robustesten.
Ausblenden können aber auch sie das Problem nicht (mehr). „In 20 Jahren haben wir ziemlich sicher gar keinen Schnee mehr. Man glaubt immer noch: Nächstes Jahr wird sicher wieder ein besserer Winter, aber nein, wird es nicht“, sagte der norwegische Cheftrainer Alexander Stöckl unlängst.
Treffen wird diese Prognose vor allem den alpinen Skirennsport. Sie stehen vor Problemen, für die es keinen Lösungsansatz gibt. In so einer Situation ist es ein bewährtes Mittel, das Problem zu ignorieren oder dessen Existenz zu leugnen. Prominentester
Vertreter dieser Herangehensweise ist Peter Schröcksnadel.
Auf den Skisport sieht er „keinerlei Pro- bleme“zukommen. Der Mann ist Präsident des Österreichischen Skiverbandes und größter Wintersport-unternehmer der Alpenrepublik. Als solcher liest er ungern Fragen, wie sie die FAZ kürzlich stellte: Ist Skifahren noch zeitgemäß? Eine Studie der Münchner LMU gibt einen Hinweis auf die richtige Antwort. Die Wissenschaftler prognostizieren, dass es 2050 in Deutschland nur noch ein Skigebiet gibt: auf der Zugspitze.
Noch aber ist Skifahren ein Milliarden-geschäft. Die FAZ zitiert ein Forschungsprojekt der Sporthochschule Köln: 48,2 Millionen Wintersportler gibt es in den Alpen, die in 1300 Skigebiete strömen, wo rund 10000 Lifte und 50000 Schneekanonen stehen.
Diese Zahlen dürften in den kommenden Jahren zusammen mit den Gletschern dahinschmelzen. Der Wintersport blickt einer ungewissen Zukunft entgegen. Gut, dass zumindest die Skispringer entspannt bleiben können. Zur allergrößten Not springen sie auf Matten, während ringsum die Maiglöckchen blühen. Und dann hätte sich auch die leidige Diskussion um manipulierte Sprunganzüge erledigt, denn Veränderungen an Badeshorts sind einfach zu erkennen.