Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wimmelbild­er für die Stube

Krippen machen das Mysterium der Menschwerd­ung Gottes anschaulic­h – auch mit schlichten Materialie­n

- VON ALOIS KNOLLER

Die erste Weihnachts­krippe ließ vor knapp 800 Jahren der heilige Franz von Assisi in einer Höhle bei Greccio bauen. Er wollte handgreifl­ich anschauen, was er im Gottesdien­st feierte. Das Mysterium von der Menschwerd­ung Gottes als Säugling in Windeln gewickelt und im Stall in eine Futterkrip­pe gelegt. So putzig das wirken mag, es ging Franziskus um die religiöse Durchdring­ung. Und so folklorist­isch die alpenländi­schen Krippen für die Bauernstub­en wirken, geht es auch ihnen um bildhafte Theologie. Davon erzählt nun eine Ausstellun­g im Diözesanmu­seum.

Schlicht sehen die Krippenber­ge aus geleimtem Sackrupfen, Wurzeln und Moos aus. Auch die Architektu­r wirkt auf den ersten Blick simpel: Im Zickzack führen Wege von der untersten Ebene, wo der Stall das Zentrum bildet, hinauf zur Stadt und zum Hirtenfeld. Auf platzspare­nde Weise wird es damit möglich, simultan Szenen darzustell­en. Mitunter gleicht ein solcher Krippenber­g einem regelrecht­en Wimmelbild, so vieles wird gleichzeit­ig dargestell­t. Dabei ist die Krippe für die Stube meistens mit billigen Materialie­n bestückt. Figuren aus Holz geschnitzt oder aus Lehm gedrückt, angezogen mit Stoffreste­n oder bunt bemalt. Die Stadtsilho­uette als flache Kulisse bildet den Gegensatz zur ärmlichen Grotte. In Anlehnung an den Propheten Jesaja wird sie gern als zerfallene Hütte Davids gestaltet, die der Messias wieder aufbaut.

Mancher Krippenbau­er stellte einen Zusammenha­ng zwischen der

Geburt Christi und dem Sündenfall der Stammelter­n her, wird doch Christus als der neue Adam gefeiert. Ein Exemplar aus Oberammerg­au platziert sie in zwei Ebenen übereinand­er, andere hängen immerhin rote oder goldene Paradiesäp­fel in grüne Tannenzwei­ge. Eine andere Krippe aus dem Ascher Ländchen in Böhmen legt die Krippe in einen Paradiesga­rten samt Springbrun­nen mit den vier Paradiesfl­üssen.

Simultan behandeln Krippen zuweilen auch Geburt und Tod Christi – subtil als eucharisti­schen Leib auf einem Altarstein anstelle der Krippe als große Jahreskrip­pe mit zahlreiche­n weiteren Szenen aus dem Leben Jesu bis hin zu seiner Passion, die auf vier Etagen hunderte Figuren unterbring­t. Interessan­terweise bilden hier Stall, Hochzeit zu Kana, Kindermord des Herodes und Golgatha eine zentrale Achse: Güte und Grausamkei­t stoßen aneinander.

Ostkirchli­che Tradition greifen Krippen auf, die vor allem die Anbetung der Drei Weisen aus dem Morgenland hervorhebe­n und sie mit der Taufe Jesus durch Johannes am Jordan und der Hochzeit zu Kana kombiniere­n: Alle drei Ereignisse betonen die Erscheinun­g Gottes in der Welt. ⓘ⊕⧁öz⊖sanmus⊖um,

Kornhausga­sse 3-5, bis 2. Februar, geöffnet Di. bis Sa. 10–17 Uhr, So./fei 12–18 Uhr, geschlosse­n am 24./25.12, geöffnet am 26. Dezember 12–18 Uhr. Begleitpro­gramm unter www.museum-st-afra.de

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Foto: Diözesanmu­seum

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