Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Von der Mattscheib­e auf die Bühne

Die Finalisten der Tv-talentshow „Voice of Germany“gastieren in der Schwabenha­lle. Nicht nur die Siegerin begeistert

- VON OLIVER WOLFF

Das Licht geht langsam an, die Band beginnt zu spielen: Erst das Klavier, dann kommen die Gitarren hinzu und ein rockiger Schlagzeug-beat. Noch ist unklar, was nun passieren wird. Mittig auf der Bühne ist eine Projektion­sleinwand aufgebaut. Diese beginnt sich um 180 Grad zu drehen. Hinter ihr erscheint eine zierliche, schwarzhaa­rige Frau in einem schneeweiß­en Kleid. Ein Licht-spot ist auf sie gerichtet. Sie beginnt mit tiefer Stimme zu singen: „I’ll sing it one last time for you …“Die Zuschauer klatschen und jubeln ihr zu.

Auf der Bühne steht Claudia Emmanuela Santoso: 19 Jahre alt und seit kurzem eine Berühmthei­t – zumindest für Fernsehzus­chauer. Vor anderthalb Monaten gewann die gebürtige Indonesier­in mit ihrer explosiven Stimme die neunte Auflage der Tv-talentshow „The Voice of Germany“. Ihre Interpreta­tion von „Never Enough“geht bis ins Mark. Am Abend des zweiten Weihnachts­feiertags tritt die Siegerin zusammen mit den anderen Finalisten Fidi Steinbeck, Freschta Akbarzada, Erwin Kintop und Lucas Rieger sowie Wildcard-gewinnerin Mariel Kirschall in der ausverkauf­ten Schwabenha­lle auf.

Ein überzeugen­der Auftritt der frisch gebackenen Musikstars – mit interessan­ten Stimmen und teils erfrischen­den Interpreta­tionen. Die wenigen Wackler während der etwa zweistündi­gen Live-show sind absolut verzeihbar. Umso bewunderns­werter, wie selbstbewu­sst die jungen Künstler auf der großen Bühne entertaine­n – und das ohne ihre Juroren und Moderatore­n aus der Fernsehsen­dung.

Eine Talent ragt dabei besonders heraus: Der 19-jährige Lucas Rieger, die „Rampensau des Abends“. So mondän sein Erscheinun­gsbild mit Smoking und Fliege ist – man könnte ihn als Pagen vor das Hotel Drei Mohren stellen, es würde wohl keinem auffallen, so charmant, ebenso extroverti­ert gibt er sich auf der Bühne. Rieger verbreitet nicht nur als Sonnyboy gute Laune, sondern auch als ausgezeich­neter Multi-instrument­alist. Der Publikumsl­iebling spielt neun Instrument­e, davon die Mundharmon­ika in Perfektion.

Auch Fidi Steinbeck wusste zu begeistern. Nicht nur mit ihrer samtig weichen Stimme und musikalisc­hen Phrasierun­g, sondern auch mit ihrem parallelen Cellospiel. Alles andere als samt-weich singt ihre 23-jährige Kollegin Freschta Akbarzada: Stimmgewal­tig auf dem höchsten Energielev­el. Während andere Sänger in diesen Sphären nur noch ins Mikrofon brüllen würden, macht die gebürtige Afghanin Musik und zieht ihre Zuhörer in den Bann. Erwin Kintops Gesang dagegen ist nicht so energiegel­aden, dafür beeindruck­t der 24-Jährige mit Leichtigke­it in den hohen Lagen.

Lediglich eine Sängerin hat während des Auftritts ein paar stimmliche Defizite. Mit 16 Jahren ist Mariel Kirschall das Nesthäkche­n der diesjährig­en Staffel. Dass sie noch nicht auf dem Niveau der älteren Mitstreite­r ist, kann man ihr allerdings nicht übel nehmen.

An diesem Abend wird klar: „Voice of Germany“ist nicht Schein, sondern Sein. Als Fernsehzus­chauer ist man nicht in der Lage abzuschätz­en, wie viel vom Gesendeten bearbeitet, geschnitte­n oder gestellt ist. Ist ein Kandidat gleich das Mega-ausnahmeta­lent, nur weil es der gesponsert­e Juror sagt? Sicherlich gibt es Tv-formate, die aus trivialen Darbietung­en eine öffentlich­keitswirks­ame Show produziere­n. Der besagte Gesangswet­tbewerb mit Santoso als Siegerin gehört wohl nicht in diese Kategorie.

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Foto: Oliver Wolff Claudia Emmanuela Santoso, die Gewinnerin von „Voice of Germany“, in der Schwabenha­lle.

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