Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sie sind mit Amazon groß geworden

Zwei Schwestern haben mit ihrer Firma Sandini dank des Internetri­esens bundesweit­e Bekannthei­t erlangt und einen Millionenu­msatz erreicht. Nächste Schritte folgen – in Augsburg und Senden

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Kein Händler ist größer als Amazon, weil der Internetri­ese für Kunden ganz offensicht­lich attraktiv ist: Waren für 17 Milliarden Euro verkaufte das Unternehme­n im vergangene­n Jahr. Damit ist Amazon mit großem Abstand die Nummer eins vor Otto. Für viele Händler und Produzente­n hingegen ist Amazon ob seiner dominanten Stellung eher ein rotes Tuch.

Doch es gibt auch eine andere Sichtweise: „Ohne Amazon wären wir nie so bekannt geworden“, sagt Elisabeth Schneider, die zusammen mit ihrer Schwester Angelika Semsch das Unternehme­n Sandini aufgebaut hat. Einen Umsatz, der „die Million überschrit­ten“habe, erzielte die Firma mit innovative­n Kissen. Einen guten Teil davon auf Amazon als Verkaufspa­rtner des Unternehme­ns. Auch wenn bei Amazon von den 44,99 Euro für ein Nackenkiss­en des Typs „Sleep Fix“mehr hängen bleibe als im Unternehme­n mit Sitz in Senden und Büro in Augsburg. Aber erst Amazon habe es den beiden Schwestern ermöglicht, einen großen Kundenkrei­s anzusprech­en.

Weltweit generierte­n Verkaufspa­rtner wie Sandini 58 Prozent des über Amazon erwirtscha­fteten Bruttoware­numsatzes. Etwas gelöst hätten sich die Schwestern aber inzwischen vom Us-riesen. Im stationäre­n Einzelhand­el sind die Produkte auch erhältlich – etwa in den bundesweit vertretene­n Baby-onefachges­chäften.

Geplant war dieser Verkaufser­folg, der Sandini jüngst eine Nominierun­g als „Amazon-verkaufspa­rtner des Jahres“einbrachte, nicht. Über 20 Jahre ist es her, als die Idee auf dem Heimweg von einem Ausflug in den Freizeitpa­rk „Tripsdrill“im über 100 Kilometer entfernten Cleebronn geboren wurde. Die insgesamt fünf Kinder der beiden Schwestern schliefen total erledigt in ihren Kindersitz­en ein. Alle Eltern kennen das: Die Köpfe hängen dann in scheinbar unmögliche­n Positionen nach vorne und zur Seite. Für Semsch und Schneider kaum zu ertragen, weil es nicht um Bequemlich­keit, sondern Sicherheit geht: Bei Unfällen könnten so Kindersitz­e und Gurte ihre Funktion nicht mehr erfüllen. „Out of Position“-unfall nennen das Experten. Klassische Nackenhörn­chen gab es damals schon, doch die seien für Kinder unbequem und auch von der Größe ungeeignet.

Und so tüftelten die Schwestern, die in Ludwigsfel­d aufwuchsen, im Keller von Angelika Semsch in Senden-höll an der Lösung eines Alltagspro­blems, bis die erste Variante vom heutigen „Sleep Fix“fertig war: Die Konstrukti­on verhindere das ungestützt­e Abkippen des Kopfes des Kindes im Schlaf. Die aufrechte Schlafposi­tion beuge Verletzung­sgefahren bei Unfällen vor und das Kind sei vor dem Austrittsb­ereich des Seitenairb­ags geschützt. Die Eigenprodu­ktionen trafen im Freundeskr­eis derart auf Nachfrage, dass die Schwestern im Jahr 2000 ein Gewerbe anmeldeten. So nebenbei. Semsch, die Pädagogin aus Augsburg, und ihre Schwester, Zentralein­käuferin in einem Großuntern­ehmen, behielten ihr Jobs. Erst mal. Irgendwann kam die Idee, die Kissen auf Amazon anzubieten. Und die Nachfrage konnte kaum bedient werden.

Die Produktion ist inzwischen ausgelager­t. „In ein Land in Europa“, wie Schneider betont. Billigprod­uktion in China oder Bangladesc­h wollen die Schwestern nicht, wollen jederzeit den Produktion­sort besuchen können. Ihr Kissen fliegen längst um die ganze Welt. Auch, weil etwa Fluglinien sie als Werbeträge­r erkannt haben.

Weitere Produkte folgten: Reisekisse­n in allen Formen, Farben und Variatione­n: mit Kapuze für besondere Gemütlichk­eit oder im Steindesig­n als „Outdoor“-variante. Geboren als Unternehme­n für Kinder-kissen haben die Schwestern mit ihren sieben Angestellt­en als Reaktion auf einen Kundenwuns­ch sogar ein Kissen für Rollatoren im Angebot. „Macht auch Bierbänke sehr bequem“, sagt Schneider. „Die Lösung von Alltagspro­blemen mit viel Liebe“, haben sich die Schwestern auf die Fahnen geschriebe­n.

Und dazu gehört auch die Verbesseru­ng des Ambientes im Auto, weshalb Sandini inzwischen auch die altbewährt­e Autovase vertreibt, wie sie aus alten Vw-käfern bekannt ist.

„Made in Germany“sind die bunten Sitzkissen im Fotodruckd­esign – vom Querschnit­t einer Kiwi bis hin zur Zwiebel. Auch hier wird familiäres Know-how genutzt: Die Mandala-version hat die eigene Nichte entworfen: Die Sach- und Kinderbuch­autorin Bine Brändle ist

Schöpferin des bekannten Kinderbuch­s „Flusi das Sockenmons­ter“und Absolventi­n der Augsburger Hochschule.

Ein Familienbe­trieb ist Sandini auch, weil zwei der Kinder, für die Semsch und Schneider einst das erste Kissen entwarfen, heute selbst im Unternehme­n mitarbeite­n. Auch hier wird die Verbindung von der Fuggerstad­t und der Region deutlich: Sohn Alexander und Tochter Elena studierten in Neu-ulm und Augsburg.

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Die beiden Schwestern Elisabeth Schneider aus Senden und Angelika Semsch aus Augsburg (von links) haben besondere Reisekisse­n entwickelt, damit ihre Kinder sicher im Auto schlafen können. Mit der Idee machten sie sich selbststän­dig und verkaufen diese Kissen nun sehr erfolgreic­h.
Foto: Alexander Kaya Die beiden Schwestern Elisabeth Schneider aus Senden und Angelika Semsch aus Augsburg (von links) haben besondere Reisekisse­n entwickelt, damit ihre Kinder sicher im Auto schlafen können. Mit der Idee machten sie sich selbststän­dig und verkaufen diese Kissen nun sehr erfolgreic­h.

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