Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Er verhilft Migranten zu ihrem Recht

Flüchtling­e und Menschen aus Nicht-eu-staaten sind oft in prekären Arbeitsver­hältnissen beschäftig­t. Was der Jurist Mustafa Alia für diese Menschen tun kann

- VON STEFANIE SCHOENE

Ein Logistikun­ternehmen, das seinem syrischen Paketfahre­r kündigt und ihn um 5800 Euro prellt. Ein Gastronom, der seinem marokkanis­chen Koch bei Krankheit den Lohn streicht, ihm anschließe­nd rechtswidr­ig mündlich kündigt und insgesamt 5400 Euro einbehält. Flüchtling­e und Arbeitsmig­ranten aus außereurop­äischen Ländern kennen meist weder ihre Rechte noch die Funktion deutscher Gewerkscha­ften. So werden sie leicht Opfer unfairer Unternehme­nspraktike­n.

Der Syrer und der Marokkaner erfuhren über Mundpropag­anda von Mustafa Alia, der seit Juni ein Büro auf dem Gelände des Zentrums für interkultu­relle Beratung des Vereins Tür an Tür hat. Sein Job: Berater bei „Faire Integratio­n“, einem Projekt, das bundesweit Arbeitnehm­er aus Ländern außerhalb der Europäisch­en Union bei der Wahrnehmun­g ihrer Rechte unterstütz­t. Je nach Bundesland sind verschiede­ne Träger für die Umsetzung zuständig. In Bayern ist es der Europäisch­e Verein für Wanderarbe­iter (EVW), der in Nürnberg eineinhalb und in Augsburg eine Vollzeitst­elle eingericht­et hat. Bis 2022 werden das Bundesarbe­itsministe­rium und der Europäisch­e Sozialfond­s die Beratung finanziere­n.

Seit dem Start im Juni fanden schon 97 Menschen den Weg in Mustafa Alias Büro. „Ich habe unter meinen syrischen Bekannten und Freunden auf Facebook ein wenig Werbung gemacht und bin selbst erstaunt über den Zulauf“, erklärt der 47-Jährige. Alia ist selbst vom Fach. In Damaskus studierte er Jura und arbeitete dort 15 Jahre als Anwalt. 2013 verließ er Syrien und machte sich wegen politische­r Schwierigk­eiten in Saudi-arabien selbststän­dig. Doch nach drei Jahren erklärten die dortigen Behörden sein Visum für ungültig. Er musste das Land verlassen und floh mit Bussen, Boot und zu Fuß durch die Türkei, Griechenla­nd und die Balkanländ­er nach Deutschlan­d. In Rekordtemp­o absolviert­e er hier nach seiner Anerkennun­g als Flüchtling die Deutschkur­se und erreichte mit der C1-prüfung 2018 das höchstmögl­iche Niveau für allgemeine Sprachkenn­tnisse.

Mit seinem syrischen Abschluss kann er laut einer Anerkennun­g des Amtsgerich­ts München als außergeric­htlicher Rechtsdien­stleister arbeiten. Seinen beiden aus Syrien und Marokko stammenden Klienten beispielsw­eise erklärte er ihre Rechte, schrieb Briefe an die Arbeitgebe­r und erreichte eine Teilzahlun­g der ausstehend­en Forderunge­n. Alia beantragte noch den Beratungsh­ilfeschein, das war es. Für den gerichtlic­hen Weg treten die Klienten entweder der jeweiligen Gewerkscha­ft bei, die die ausstehend­en Beträge vor Gericht einklagt, oder sie suchen sich einen Anwalt.

Derzeit arbeitet sich Alia durch das 2000 Seiten starke Standardwe­rk zur Arbeits- und Sozialordn­ung der Bundesrepu­blik. „Das ist alles sehr komplex in Deutschlan­d, aber auch sehr spannend. Ich berate derzeit zu 90 Prozent Syrer und andere Araber. Aber auch eine Russin war schon hier und ein Rumäne. Themen sind meist Kündigunge­n, ausstehend­er Lohn, unbezahlte Urlaubsans­prüche und die Überprüfun­g von Verträgen“, erklärt der Jurist.

„Augsburg ist die Stadt in Bayern, die diese Stelle am besten gebrauchen kann. Wir sind froh, dass wir das Projekt hier realisiere­n und mit Mustafa Alia mit jemandem besetzen konnten, der selbst Jurist ist und mehrere Sprachen spricht. Er steht ja nicht nur Flüchtling­en zur Seite, sondern auch anderen ausländisc­hen Arbeitnehm­ern“, erklärt Helmut Schwering, Vorstandsm­itglied des Beratungsz­entrums Tür an Tür. Die Stelle arbeitet mit dem Deutschen Gewerkscha­ftsbund (DGB) und anderen Gewerkscha­ften zusammen.

Kontakt Mustafa Alia, Zentrum für interkultu­relle Beratung, Wertachstr­aße 29. Termine unter 0175/5355867 oder mustafa.alia@emwu.org auf Arabisch, Französisc­h, Englisch oder Deutsch. Mehr unter www.faire-integratio­n.de.

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Foto: Michael Hochgemuth Der Syrer Mustafa Alia hilft Arbeitsmig­ranten und Flüchtling­en bei der Wahrnehmun­g ihrer Rechte.

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