Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Er verhilft Migranten zu ihrem Recht
Flüchtlinge und Menschen aus Nicht-eu-staaten sind oft in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt. Was der Jurist Mustafa Alia für diese Menschen tun kann
Ein Logistikunternehmen, das seinem syrischen Paketfahrer kündigt und ihn um 5800 Euro prellt. Ein Gastronom, der seinem marokkanischen Koch bei Krankheit den Lohn streicht, ihm anschließend rechtswidrig mündlich kündigt und insgesamt 5400 Euro einbehält. Flüchtlinge und Arbeitsmigranten aus außereuropäischen Ländern kennen meist weder ihre Rechte noch die Funktion deutscher Gewerkschaften. So werden sie leicht Opfer unfairer Unternehmenspraktiken.
Der Syrer und der Marokkaner erfuhren über Mundpropaganda von Mustafa Alia, der seit Juni ein Büro auf dem Gelände des Zentrums für interkulturelle Beratung des Vereins Tür an Tür hat. Sein Job: Berater bei „Faire Integration“, einem Projekt, das bundesweit Arbeitnehmer aus Ländern außerhalb der Europäischen Union bei der Wahrnehmung ihrer Rechte unterstützt. Je nach Bundesland sind verschiedene Träger für die Umsetzung zuständig. In Bayern ist es der Europäische Verein für Wanderarbeiter (EVW), der in Nürnberg eineinhalb und in Augsburg eine Vollzeitstelle eingerichtet hat. Bis 2022 werden das Bundesarbeitsministerium und der Europäische Sozialfonds die Beratung finanzieren.
Seit dem Start im Juni fanden schon 97 Menschen den Weg in Mustafa Alias Büro. „Ich habe unter meinen syrischen Bekannten und Freunden auf Facebook ein wenig Werbung gemacht und bin selbst erstaunt über den Zulauf“, erklärt der 47-Jährige. Alia ist selbst vom Fach. In Damaskus studierte er Jura und arbeitete dort 15 Jahre als Anwalt. 2013 verließ er Syrien und machte sich wegen politischer Schwierigkeiten in Saudi-arabien selbstständig. Doch nach drei Jahren erklärten die dortigen Behörden sein Visum für ungültig. Er musste das Land verlassen und floh mit Bussen, Boot und zu Fuß durch die Türkei, Griechenland und die Balkanländer nach Deutschland. In Rekordtempo absolvierte er hier nach seiner Anerkennung als Flüchtling die Deutschkurse und erreichte mit der C1-prüfung 2018 das höchstmögliche Niveau für allgemeine Sprachkenntnisse.
Mit seinem syrischen Abschluss kann er laut einer Anerkennung des Amtsgerichts München als außergerichtlicher Rechtsdienstleister arbeiten. Seinen beiden aus Syrien und Marokko stammenden Klienten beispielsweise erklärte er ihre Rechte, schrieb Briefe an die Arbeitgeber und erreichte eine Teilzahlung der ausstehenden Forderungen. Alia beantragte noch den Beratungshilfeschein, das war es. Für den gerichtlichen Weg treten die Klienten entweder der jeweiligen Gewerkschaft bei, die die ausstehenden Beträge vor Gericht einklagt, oder sie suchen sich einen Anwalt.
Derzeit arbeitet sich Alia durch das 2000 Seiten starke Standardwerk zur Arbeits- und Sozialordnung der Bundesrepublik. „Das ist alles sehr komplex in Deutschland, aber auch sehr spannend. Ich berate derzeit zu 90 Prozent Syrer und andere Araber. Aber auch eine Russin war schon hier und ein Rumäne. Themen sind meist Kündigungen, ausstehender Lohn, unbezahlte Urlaubsansprüche und die Überprüfung von Verträgen“, erklärt der Jurist.
„Augsburg ist die Stadt in Bayern, die diese Stelle am besten gebrauchen kann. Wir sind froh, dass wir das Projekt hier realisieren und mit Mustafa Alia mit jemandem besetzen konnten, der selbst Jurist ist und mehrere Sprachen spricht. Er steht ja nicht nur Flüchtlingen zur Seite, sondern auch anderen ausländischen Arbeitnehmern“, erklärt Helmut Schwering, Vorstandsmitglied des Beratungszentrums Tür an Tür. Die Stelle arbeitet mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und anderen Gewerkschaften zusammen.
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Kontakt Mustafa Alia, Zentrum für interkulturelle Beratung, Wertachstraße 29. Termine unter 0175/5355867 oder mustafa.alia@emwu.org auf Arabisch, Französisch, Englisch oder Deutsch. Mehr unter www.faire-integration.de.