Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ein neues Jahr, die alten Probleme
2020 beginnt mit einer wegweisenden Entscheidung für Augsburg: Im März wird eine neue Stadtregierung gewählt. Wie sie die Herausforderungen meistert, hängt von vielen Faktoren ab
Der Jahreswechsel führt uns nicht nur in ein neues Jahr, er führt uns auch in eine neue Dekade: die 20er. Was werden sie für die Stadt und die Region Augsburg bringen? So viel steht fest: Es wird spannend. Denn gleich zu Beginn dieser Dekade wird in Bayern gewählt. Im März stimmen die Bürger über ihre Kommunalparlamente ab. Über die Gremien also, in denen Politik durch den Wähler am stärksten beeinflussbar ist und deren Folgen er am unmittelbarsten zu spüren bekommt.
Für die 300000-Einwohnerstadt Augsburg wird diese Wahl vor allem deshalb interessant, weil Amtsinhaber Kurt Gribl (CSU) nicht mehr antritt. In zwei Amtsperioden hat er viele Themen vorangebracht, die vorher keine Regierung anpackte (Uniklinik, Theatersanierung…). Behilflich war ihm dabei auch sein gutes persönliches Verhältnis zum früheren Ministerpräsidenten Horst Seehofer, zur CSU und ihrer Schwesterpartei CDU. Eine Konstellation, die künftig so nicht mehr besteht. Dafür gibt es in Augsburg die Option auf etwas Neues – personell wie inhaltlich. Man sollte sich jedoch vor Augen halten: Die Probleme für die Stadt werden nach der Wahl dieselben sein. Die entscheidende Frage ist, ob eine neue Regierung dafür auch neue Lösungen hat.
Größte Herausforderung ist die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt: Mieten und Immobilienpreise steigen, gleichzeitig wurden in den vergangenen Jahren zu wenig bezahlbare Wohnungen gebaut.
Die Folge: Viele Augsburger können sich Wohnen in ihrer Stadt nicht mehr leisten. Die amtierende Regierung hatte das erkannt, unter OB Gribl startete die Stadt ihre Offensive Wohnraum. Richtig funktioniert hat sie nie: Weder entstanden ausreichend neue Wohnungen noch ließen sich die Bürger auf gut gemeinte, aber teils naive politische Vorschläge ein. Wer baut schon Immobilien aus oder verdichtet das eigene Grundstück, wenn er nicht selbst Bedarf hat?
Auch in anderen Bereichen sind Weichenstellungen notwendig. In Augsburgs Schulen wurde zuletzt sehr viel Geld investiert, doch der Kommunalpolitik fehlt ein Generalplan dafür, wie der Sanierungsstau in einem Zeitraum X konsequent zu beheben wäre. Die Folge waren einige Bauchentscheidungen, die für viele Schulen nicht die gewünschten Verbesserungen brachten. Hinter zwei Millionenprojekten stehen ebenfalls Fragezeichen: Der Umbau des Hauptbahnhofs könnte am Ende abgeschlossen sein, ohne dass die versprochene Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr von Anfang an funktioniert, weil man sich nicht auf eine Trasse für die Tramlinie 5 einigen kann. Ähnliches droht bei der Theatersanierung: Weil das Projekt teurer wird, steht im Raum, es so anzugleichen, dass viele der in Aussicht gestellten Verbesserungen unter den Tisch fallen würden.
Auf den neuen Stadtrat werden ab 1. Mai diese und andere wichtige Entscheidungen zukommen. Fest steht, dass er sie unter der Leitung eines neuen Oberbürgermeisters – oder einer neuen Oberbürgermeisterin – treffen wird. Nur: Ein neuer Kopf an der Spitze bedeutet nicht automatisch, dass neue Impulse gesetzt werden. Das liegt schon an der bisherigen kommunalpolitischen Konstellation: Die drei Politiker, zwischen denen sich das Rennen um den Posten des Oberbürgermeisters wahrscheinlich entscheiden wird, standen schon in den vergangenen sechs Jahren in der Verantwortung des regierenden Dreierbündnisses von CSU, SPD und Grünen: Eva Weber (CSU) hat als Wirtschafts- und Finanzreferentin entscheidend an den bisherigen Entscheidungen mitgewirkt. Auch Dirk Wurm (SPD) als Referent für Ordnung und Sport und Martina Wild (Grüne) als Fraktionschefin gaben die Richtung mit vor. Werden sie in der Lage sein, die Dinge nach den Wahlen neu anzugehen, wo dies nötig ist?
15 Parteien und Gruppierungen treten im März voraussichtlich in Augsburg an, manche von ihnen waren bisher kaum politisch aktiv. Vielleicht ist dies der Grund dafür, dass sie teils überraschend innovative Ideen für alte Probleme präsentieren. Ob und wie sie in die kommunalpolitische Arbeit eingebracht werden (können), hängt von der künftigen Regierungskonstellation ab. Wird es wieder eine übermächtige „Groko“geben, die wie in den vergangenen sechs Jahren „durchregiert“? Gelingt es dank der Vielzahl an Wahlmöglichkeiten, eine Opposition zu bilden, die eigene Vorschläge durchbringen kann? Wird das Verhältnis zwischen Stadtund Staatsregierung künftig ähnlich gut sein wie unter OB Gribl? All diese Faktoren werden beeinflussen, wie es in Augsburg in den kommenden sechs Jahren weitergeht.
Ein neues Gesicht bedeutet noch keine Veränderung