Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein neues Jahr, die alten Probleme

2020 beginnt mit einer wegweisend­en Entscheidu­ng für Augsburg: Im März wird eine neue Stadtregie­rung gewählt. Wie sie die Herausford­erungen meistert, hängt von vielen Faktoren ab

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger-allgemeine.de

Der Jahreswech­sel führt uns nicht nur in ein neues Jahr, er führt uns auch in eine neue Dekade: die 20er. Was werden sie für die Stadt und die Region Augsburg bringen? So viel steht fest: Es wird spannend. Denn gleich zu Beginn dieser Dekade wird in Bayern gewählt. Im März stimmen die Bürger über ihre Kommunalpa­rlamente ab. Über die Gremien also, in denen Politik durch den Wähler am stärksten beeinfluss­bar ist und deren Folgen er am unmittelba­rsten zu spüren bekommt.

Für die 300000-Einwohners­tadt Augsburg wird diese Wahl vor allem deshalb interessan­t, weil Amtsinhabe­r Kurt Gribl (CSU) nicht mehr antritt. In zwei Amtsperiod­en hat er viele Themen vorangebra­cht, die vorher keine Regierung anpackte (Uniklinik, Theatersan­ierung…). Behilflich war ihm dabei auch sein gutes persönlich­es Verhältnis zum früheren Ministerpr­äsidenten Horst Seehofer, zur CSU und ihrer Schwesterp­artei CDU. Eine Konstellat­ion, die künftig so nicht mehr besteht. Dafür gibt es in Augsburg die Option auf etwas Neues – personell wie inhaltlich. Man sollte sich jedoch vor Augen halten: Die Probleme für die Stadt werden nach der Wahl dieselben sein. Die entscheide­nde Frage ist, ob eine neue Regierung dafür auch neue Lösungen hat.

Größte Herausford­erung ist die Entwicklun­g auf dem Wohnungsma­rkt: Mieten und Immobilien­preise steigen, gleichzeit­ig wurden in den vergangene­n Jahren zu wenig bezahlbare Wohnungen gebaut.

Die Folge: Viele Augsburger können sich Wohnen in ihrer Stadt nicht mehr leisten. Die amtierende Regierung hatte das erkannt, unter OB Gribl startete die Stadt ihre Offensive Wohnraum. Richtig funktionie­rt hat sie nie: Weder entstanden ausreichen­d neue Wohnungen noch ließen sich die Bürger auf gut gemeinte, aber teils naive politische Vorschläge ein. Wer baut schon Immobilien aus oder verdichtet das eigene Grundstück, wenn er nicht selbst Bedarf hat?

Auch in anderen Bereichen sind Weichenste­llungen notwendig. In Augsburgs Schulen wurde zuletzt sehr viel Geld investiert, doch der Kommunalpo­litik fehlt ein Generalpla­n dafür, wie der Sanierungs­stau in einem Zeitraum X konsequent zu beheben wäre. Die Folge waren einige Bauchentsc­heidungen, die für viele Schulen nicht die gewünschte­n Verbesseru­ngen brachten. Hinter zwei Millionenp­rojekten stehen ebenfalls Fragezeich­en: Der Umbau des Hauptbahnh­ofs könnte am Ende abgeschlos­sen sein, ohne dass die versproche­ne Anbindung an den öffentlich­en Nahverkehr von Anfang an funktionie­rt, weil man sich nicht auf eine Trasse für die Tramlinie 5 einigen kann. Ähnliches droht bei der Theatersan­ierung: Weil das Projekt teurer wird, steht im Raum, es so anzugleich­en, dass viele der in Aussicht gestellten Verbesseru­ngen unter den Tisch fallen würden.

Auf den neuen Stadtrat werden ab 1. Mai diese und andere wichtige Entscheidu­ngen zukommen. Fest steht, dass er sie unter der Leitung eines neuen Oberbürger­meisters – oder einer neuen Oberbürger­meisterin – treffen wird. Nur: Ein neuer Kopf an der Spitze bedeutet nicht automatisc­h, dass neue Impulse gesetzt werden. Das liegt schon an der bisherigen kommunalpo­litischen Konstellat­ion: Die drei Politiker, zwischen denen sich das Rennen um den Posten des Oberbürger­meisters wahrschein­lich entscheide­n wird, standen schon in den vergangene­n sechs Jahren in der Verantwort­ung des regierende­n Dreierbünd­nisses von CSU, SPD und Grünen: Eva Weber (CSU) hat als Wirtschaft­s- und Finanzrefe­rentin entscheide­nd an den bisherigen Entscheidu­ngen mitgewirkt. Auch Dirk Wurm (SPD) als Referent für Ordnung und Sport und Martina Wild (Grüne) als Fraktionsc­hefin gaben die Richtung mit vor. Werden sie in der Lage sein, die Dinge nach den Wahlen neu anzugehen, wo dies nötig ist?

15 Parteien und Gruppierun­gen treten im März voraussich­tlich in Augsburg an, manche von ihnen waren bisher kaum politisch aktiv. Vielleicht ist dies der Grund dafür, dass sie teils überrasche­nd innovative Ideen für alte Probleme präsentier­en. Ob und wie sie in die kommunalpo­litische Arbeit eingebrach­t werden (können), hängt von der künftigen Regierungs­konstellat­ion ab. Wird es wieder eine übermächti­ge „Groko“geben, die wie in den vergangene­n sechs Jahren „durchregie­rt“? Gelingt es dank der Vielzahl an Wahlmöglic­hkeiten, eine Opposition zu bilden, die eigene Vorschläge durchbring­en kann? Wird das Verhältnis zwischen Stadtund Staatsregi­erung künftig ähnlich gut sein wie unter OB Gribl? All diese Faktoren werden beeinfluss­en, wie es in Augsburg in den kommenden sechs Jahren weitergeht.

Ein neues Gesicht bedeutet noch keine Veränderun­g

 ?? Archivfoto. Ulrich Wagner ?? Am 1. Mai nimmt die neue Stadtregie­rung im Augsburger Rathaus ihre Arbeit auf.
Archivfoto. Ulrich Wagner Am 1. Mai nimmt die neue Stadtregie­rung im Augsburger Rathaus ihre Arbeit auf.
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