Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Kripo geht von Brandstift­ung aus

Nach dem Feuer auf dem Rathauspla­tz sucht die Polizei jetzt Zeugen. Die Standbetre­iber sind geschockt über den Vorfall. Was im nächsten Jahr geändert werden könnte

- VON MIRIAM ZISSLER UND INA MARKS

Eigentlich hat Werner Rödel viele Schutzenge­l. Zumindest verkauft er diese Figuren seit zehn Jahren auf dem Augsburger Christkind­lesmarkt. Doch die Schutzenge­l haben ihm nicht geholfen. Rödels Stand ist beim Feuer auf dem Christkind­lesmarkt komplett ausgebrann­t, fünf weitere Buden wurden beschädigt. Was die Händler entsetzt: Die Kriminalpo­lizei geht derzeit von einer vorsätzlic­hen Brandstift­ung aus.

Der Zugang zur Knecht-rupprecht-straße auf dem Augsburger Christkind­lesmarkt ist am Freitagvor­mittag zeitweise abgedeckt. Die Kriminalpo­lizei untersucht weiterhin den Brandort. „Sie geht nach derzeitige­n Erkenntnis­sen von vorsätzlic­her Brandstift­ung aus“, sagt Polizeispr­echer Siegfried Hartmann. Sechs Stände wurden durch das Feuer in Mitleidens­chaft gezogen. Der Sachschade­n beläuft sich nach Angaben der Polizei auf rund 50 000 Euro. Am ärgsten hat es Beschicker Werner Rödel getroffen.

Sein Stand ist samt Inhalt komplett ausgebrann­t. Fassungslo­s steht der Augsburger Händler vor dem schwarzver­kohlten Holzgeripp­e, das vor wenigen Tagen noch sein Stand war, es fließen Tränen. Immer wieder kommen Beschicker vorbei, umarmen ihn, sagen ihm, wie leid ihnen dieser Brand tue. Verrückte Schutzenge­l habe er verkauft, sagt Rödel. „Damit habe ich vor zehn Jahren angefangen. Die haben viele Fans.“Der Stand sei seine große Leidenscha­ft. Mit viel Herzblut habe er hier auch Figuren aus Plüsch und Holz angeboten. Ein ganzer Bereich war dem Puppenspie­l und Figuren aus der Augsburger Puppenkist­e gewidmet: Urmel aus dem Eis, Jim Knopf und natürlich auch Kater Mikesch. Wie es jetzt weitergeht, wisse er noch nicht. „Ich bin ganz geschockt.“

Als in der Nacht auf Donnerstag 3.45 Uhr mehrere Anrufe von Anwohnern eingingen, die das Feuer bemerkt hatten, war die Berufsfeue­rwehr gleich zur Stelle. Durch das schnelle Eingreifen konnte sie Schlimmere­s verhindern. Weil die Holzbuden eng aneinander­stehen, hätten sich die Flammen rasch weiter ausbreiten können. Wegen der Hitze drohte zudem durch die in den Ständen gelagerten Gasflasche­n Explosions­gefahr. Für die Feuerwehr kann so ein Einsatz lebensgefä­hrlich sein.

„Gott sei Dank ist niemand verletzt worden“, sagt Beschicker Jo Oroz, dessen Bude ebenfalls beschädigt wurde. Wie hoch sein Schaden ist, könne er noch nicht sagen. In seinem Stand befanden sich Ledersei waren wie Geldbeutel in allen Größen und Farben. „Ich kann noch nicht sagen, inwieweit unsere Waren den Brandgeruc­h aufgenomme­n haben.“Er werde nun erst einmal alles ins Lager räumen und zwei Tage auslüften lassen. „Dann werden wir sehen, wie viel wir davon nicht mehr verkaufen können.“

Die Händler rätseln, wer hinter dem Brandansch­lag stecken könnte. Harry Winderl von „Helds Almhütte“geht davon aus, dass Vandalen das Feuer gelegt haben. „Das waren Leute, die nachts ihren Frust abgelassen haben. Die Menschen haben vor nichts mehr Respekt“, schimpft er. Immer wieder beobachte er, wie Stände beschädigt würden. „Bei uns werden Kränze und Kugeln runtergege­n genommen, am Dampfnudel­stand wurden die neuen Rollläden eingedrück­t.“Winderl will sich nicht ausmalen, was in der Nacht hätte passieren können. „Wenn der Anwohner das Feuer eine halbe Stunde später bemerkt hätte, hätte der ganze Christkind­lesmarkt schon brennen können.“Schaustell­er Edmund Diebold fand vor zwei Jahren beim Aufbau Brandspure­n an seiner Engelespyr­amide vor. Sein Bruder Josef Diebold wurde 2015 selber Opfer eines Brandstift­ers. In der Nacht hatte jemand versucht, sein Kinderkaru­ssell in Brand zu setzen. Dabei wurde die Außenplane zerstört, Teile der Dekoration beschädigt. Damals sei in alle Richtungen ermittelt worden, doch der Brandstift­er

nie gefunden worden. Konsequenz­en hatte der Vorfall dennoch. „Seit der Brandstift­ung haben wir auf dem Kinderweih­nachtsmark­t am Moritzplat­z eine feste Nachtwache“, sagt Josef Diebold. Zuvor sei der Markt auch bewacht worden, allerdings sei das Sicherheit­spersonal in der Innenstadt herumgelau­fen und vielleicht alle 20 Minuten am Moritzplat­z vorbeigeko­mmen. Der erneute Vorfall einer Brandlegun­g macht den Schaustell­er sehr nachdenkli­ch. Im Nachhinein werde zu klären sein, wie man sich künftig vor solchen Übergriffe­n schützen will. Das sieht auch Dirk Wurm so.

Den Ordnungsre­ferenten (SPD) erreichte die Nachricht von der Brandstift­ung im Winterurla­ub. Wurm will bei der jährlichen Sicherheit­snachbespr­echung des Christkind­lesmarktes, zu der stets Beschicker, Polizei, Feuerwehr und Ordnungsam­t zusammenko­mmen, die Überwachun­g des Marktes thematisie­ren. Bislang sei es so, dass während der Betriebsze­it des Christkind­lesmarktes die Zugänge nachts von Bauzäunen versperrt werden. „Zwei Mann eines Wachund Schließdie­nstes patrouilli­eren wechselwei­se auf dem Rathaus- und dem Moritzplat­z“, berichtet Wurm. Mit den Beschicker­n wolle er besprechen, ob diese Kontrolle künftig auch auf die Auf- und Abbauphase des Christkind­lesmarktes ausgedehnt werde. „Wir wollen nicht, dass so etwas noch einmal passiert.“

Manche Händler sind am Freitag mit dem Ausräumen ihrer Stände bereits fertig, andere räumen sie noch leer und hängen die Dekoration­en ab. Bis Anfang Januar dauere der Abbau des Christkind­lesmarktes, weiß Werner Kaufmann, Chef des städtische­n Marktamtes, aus Erfahrung. Dieses Jahr ist die Stimmung allerdings ziemlich gedrückt. Edmund Diebold ist wie viele seiner Kollegen in Gedanken beim „Engeles-werner“, wie er auf dem Markt genannt wird.

Info Die Kriminalpo­lizei Augsburg sucht Zeugen. Personen, die Hinweise über den Vorfall machen können, sollen sich unter der Telefonnum­mer 0821/323-3810 melden.

 ?? Fotos: Bernd Hohlen, Anne Wall ?? In einigen Ständen auf dem Christkind­lesmarkt befand sich noch Ware, als das Feuer in der Nacht auf Donnerstag ausbrach. Die Kriminalpo­lizei geht aktuell von Brandstift­ung aus.
Fotos: Bernd Hohlen, Anne Wall In einigen Ständen auf dem Christkind­lesmarkt befand sich noch Ware, als das Feuer in der Nacht auf Donnerstag ausbrach. Die Kriminalpo­lizei geht aktuell von Brandstift­ung aus.
 ??  ?? Werner Rödel
Werner Rödel

Newspapers in German

Newspapers from Germany