Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Shakespeare in Paris
Eigentlich wollte sie in New York einen Buchladen mit französischer Literatur eröffnen. Dann stellte sie ihre Idee auf den Kopf. Im Jahr 1919 machte Sylvia Beach stattdessen in Paris einen Buchladen mit amerikanischer und englischer Literatur auf. Sie hatte kaum Geld, aber sie schuf in der Rue de l’odéon ein Stück Literaturgeschichte.
Ihr Bookshop „Shakespeare & Company“lockte nicht nur lesefreudige Pariser mit englischsprachigem Migrationshintergrund an. Er wurde zum Treffpunkt der wichtigsten und kühnsten Autoren jener Zeit.
Einer, der immer wieder bei Sylvia Beach vorbeischaute, war der Ire James Joyce, der verzweifelt einen Verleger für seinen damals höchst umstrittenen „Ulysses“suchte. Schließlich erbarmte sich die Buchhändlerin und brachte den
Roman, der Geschichte machte, selber heraus. Joyce dankte es ihr nicht, trug aber zum Ruhm des Buchladens bei.
Ein besserer Freund war Ernest Hemingway. Er gehörte zur Gruppe der amerikanischen Künstler, die sich aus der spießigen Heimat ins freie Paris abgesetzt hatten. Hemingway war Dauerkunde und Helfer in der Not. Mit stark besuchten Lesungen half er dieser besonderen Buchhändlerin nicht nur einmal über Durststrecken hinweg.
Der Einmarsch der Nazis in Paris bereitete diesem kulturellen Kleinod ein Ende. Aber nach dem Krieg gab es eine Art literarischer Wiedergeburt. Der Amerikaner George Whitman gab – als Hommage an die inzwischen verstorbene Sylvia Beach – Anfang der Sechzigerjahre seinem bereits bestehenden Buchladen den Traditionsnamen
„Shakespeare & Company“. Wieder wurde daraus ein Treffpunkt neuer, frecher Literaten Amerikas.
Diesmal zog er – jetzt in die Rue de la Bucherie – Autoren der Beatgeneration an. Allen Ginsberg und William S. Burroughs waren dort gelegentlich anzutreffen. Ein häufiger gesehener Gast war Henry Miller, das Enfant terrible der amerikanischen Literatur. Auch der eine oder andere junge Paris-pilger aus dem allmählich wieder genesenen Deutschland schaute herein. (Aber das nur am Rande.)
Inzwischen setzt Tochter Sylvia Whitman quasi in dritter Generation die Tradition fort, die die erste Sylvia vor hundert Jahren begründet hat. Sylvia Beach bewies mit „Shakespeare & Company“, dass man keine Bücher schreiben muss, um in der Weltliteratur eine wichtige Rolle zu spielen.
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