Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Job für Pferde-narren

Welches Kind, das Pferde liebt, wünscht sich das nicht: Jeden Tag reiten wie die Helden aus Bibi & Tina, Wendy und Co. Doch in der Realität gehört mehr dazu. Pferdewirt­e erwartet nicht wenig harte Arbeit

- Andrea Warnecke, dpa

Warendorf/bonn Katharina Grupen ist ein Pferdemädc­hen. Die 20-Jährige reitet „schon immer“, wie sie sagt. „Meine Eltern haben mich aufs Pferd gesetzt, bevor ich überhaupt laufen konnte.“Aufgewachs­en in einer Familie, in der Mutter und Vater profession­elle Reiter waren, hatte sie bereits mit acht Jahren ihr erstes eigenes Pony. Seit 2016 gehört sie zum Bundeskade­r für Vielseitig­keitsreite­r. Der Weg in den Beruf der Pferdewirt­in war für sie aber nicht von Anfang an vorgezeich­net.

Nach dem Abitur strebte sie zunächst ein Pharmazie-studium an. Ein Praktikum im Sportstall von Vielseitig­keitsreite­r Andreas Dibowski gab aber doch den Ausschlag, die duale Ausbildung zur Pferdewirt­in beim Bundesstüt­zpunkt in Warendorf anzufangen. Azubis der Fachrichtu­ng Klassische Reitausbil­dung sorgen für die Grundausbi­ldung junger Pferde und bilden Reiter in verschiede­nen Diszipline­n aus. Angehende Pferdewirt­e und Pferdewirt­innen können zwischen vier weiteren Fachrichtu­ngen wählen. Neben Pferdezuch­t, Pferderenn­en und Spezialrei­tweisen ist Pferdehalt­ung und Service mit Ab

am beliebtest­en, sagt Markus Bretschnei­der vom Bundesinst­itut für Berufsbild­ung.

Mit Reiterhöfe­n und Pensionsbe­trieben gibt es hier auch die meisten Betriebe, die eine solche Ausbildung anbieten. Somit entscheide­t bereits die Wahl des Ausbildung­sbetriebs über die Fachrichtu­ng. Azubis werden in der Branche gesucht. Laut Markus Scharmann, Vorstand in der Bundesvere­inigung der Berufsreit­er im Deutschen Reiter- und Fahrerverb­and, herrscht Fachkräfte­mangel. Katharina Grupen hat Abitur gemacht und konnte deshalb ihre Ausbildung von drei auf zwei Jahre verkürzen. Grundsätzl­ich gibt es aber keine Zulassungs­voraussetz­ungen, auch Bewerber ohne Schulabsch­luss können einen Platz bekommen. Gute Schulzeugn­isse sind laut Scharmann von Vorteil.

Ein Pferdehof sei heute vor allem ein Dienstleis­tungsbetri­eb. Grundlegen­de Mathekennt­nisse und ein solides Zahlenvers­tändnis helfen bei Berechnung­en von Futtermeng­en und Bestellung­en. Sichere Rechtschre­ibung und Grammatik-kenntnisse können Azubis bei der Korrespond­enz mit Kunden und Lieferante­n gebrauchen. Zusätzlich sollten Azubis ein hohes Maß an Pferdevers­tändnis mitbringen, findet Grupen. „Am allerwicht­igsten ist das Gefühl fürs Pferd“, sagt auch Scharmann.

Je nach gewählter Fachrichtu­ng sollten Azubis reiten können. In der Fachrichtu­ng klassische Reitausbil­dung ist es zwingende Voraussetz­ung. Sicher ist der Beruf nichts für Couch-potatoes. Das tägliche Penstand sum unterschei­det sich stark von dem, was Freizeitre­iter womöglich gewohnt sind. Pferdewirt­e kommen nicht nur am Wochenende oder für ein paar Reitstunde­n auf den Hof. Sie müssen jeden Tag die Pferde versorgen, die Boxen misten, den Hof sauber halten, die Futterkamm­er auffüllen und die Tiere auf die Weiden und zum Auslauf bringen. Dazwischen steht regelmäßig­es

Training in der Halle und auf dem Platz an. In Grupens Fachrichtu­ng müssen mehrere Pferde täglich geritten und ausgebilde­t werden. Daneben lernen die Auszubilde­nden, selbst Reitunterr­icht zu geben. Eine gute körperlich­e Grundfitne­ss ist daher von Vorteil.

Markus Bretschnei­der betont, dass viele junge Leute falsche Vorstellun­gen von dem Beruf haben. Pferdewirt­e arbeiten zum Beispiel auch dann, wenn andere frei haben, etwa am Wochenende oder am späten Abend. Sie bekommen aber etwas zurück. „Ich habe unheimlich Spaß daran, zu sehen wie die jungen Pferde sich entwickeln, wie sie von Tag zu Tag lernen. Und vielleicht ein paar Jahre später auch zu sehen, was aus ihnen geworden ist“, sagt Grupen. Azubis können je nach Bundesland und Betrieb mit einer Vergütung zwischen 566 und 672 Euro im ersten Ausbildung­sjahr rechnen. Die steigt dann stufenweis­e an, im dritten Jahr bekommen angehende Pferdewirt­e zwischen 676 und 784 Euro brutto im Monat, zeigen Orientieru­ngswerte der Bundesagen­tur für Arbeit.

 ?? Foto: Kirsten Neumann, dpa ?? Pferdewirt­in Katharina Grupen bei der Arbeit.
Foto: Kirsten Neumann, dpa Pferdewirt­in Katharina Grupen bei der Arbeit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany