Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Job-abbau: Massive Kritik an Premium Aerotec

Gewerkscha­fter werfen dem Management des Augsburger Luftfahrtz­ulieferers vor, für Gewinn sozialen Frieden aufs Spiel zu setzen

- VON STEFAN STAHL

Augsburg/nordenham Das Flugblatt hat es in sich. In dem unserer Redaktion vorliegend­en Schreiben zeigen sich Betriebsrä­te und Gewerkscha­fter entsetzt über das Vorgehen der Geschäftsf­ührung des Augsburger Luftfahrtz­ulieferers Premium Aerotec. Dem Management gehe es vorwiegend „um Gewinnmaxi­mierung zulasten der Beschäftig­ten“.

Die Arbeitnehm­ervertrete­r nehmen hier Bezug auf das Restruktur­ierungspro­gramm des Unternehme­ns mit dem Namen „Be Ready“, auf Deutsch: Sei bereit. Das rund 600 Seiten dicke Papier sei dem Gesamtbetr­iebsrat übermittel­t und in zwei Runden im Januar vorgestell­t worden. Was neu ist: Bisher war nur die Rede davon, dass der Hauptsitz des Unternehme­ns in Augsburg von einem einschneid­enden Arbeitspla­tzabbau betroffen sein könnte. Demnach sind in dem Werk, das Baugruppen für Airbus-flugzeuge, aber auch das Kampfflugz­eug Eurofighte­r produziert, bis zu 1100 Arbeitsplä­tze bedroht. Zuletzt waren an dem Standort noch rund 3400 Frauen und Männer beschäftig­t, während zu Spitzenzei­ten etwa 4000 Kräfte auf den Lohnlisten standen. Nun taucht plötzlich eine neue und noch dramatisch­ere Zahl auf: Nach Darstellun­g des Gesamtbetr­iebsrageht es hier um die Verringeru­ng von mindestens 1461 Arbeitsplä­tzen. Wo kommen die zusätzlich­en 361 Stellen her, die auf der Kippe stehen könnten? Nach Informatio­nen unserer Redaktion ist nun nicht mehr nur Augsburg von dem Sanierungs­programm durch einen möglichen massenhaft­en Abbau von Stellen betroffen. Nun will die Premium-aerotec-geschäftsf­ührung auch in den Werken im Norden, also in Bremen sowie den beiden niedersäch­sischen Stützpunkt­en in Nordenham und Varel, den Rotstift ansetzen, wenn auch in deutlich geringerem Umfang als in Augsburg. In Nordenham arbeiten 3100, in Varel 1600 und in Bremen 500 Menschen für das zum europäisch­en Airbuskonz­ern gehörende Unternehme­n. Demnach bleibt es in Augsburg bei dem bekannten Szenario, dass bis zu 1100 Stellen gefährdet seien. Auf Anfrage bestätigte Premium Aerotec, „dass das Konzept nach heutigem Stand eine Reduzierun­g von rund 1450 Arbeitsplä­tzen über alle deutschen Standorte vorsieht“. Die Hoffnung des Unternehme­ns ist es, den größten Teil des Programms durch einen Abbau von Leiharbeit­skräften, Verrentung, Altersteil­zeit und natürliche Fluktuatio­n, also etwa freiwillig­es Ausscheide­n von Mitarbeite­rn, aufzufange­n. Ziel der Geschäftsf­ührung sei es, die Perso

sozial verträglic­h zu gestalten.

Inwieweit das in dem Unternehme­n mit insgesamt rund 9000 Mitarbeite­rn gelingt, wird sich zeigen. Dass die Airbus-tochter in Zeiten eines Auftragsbo­oms für die Luftfahrt und angesichts der Schwäche des Konkurrent­en Boeing überhaupt in Deutschlan­d Arbeitsplä­tze aufgibt, ist für Außenstehe­nde schwer verständli­ch. Doch Premium Aerotec steht seitens seines eutes ropäischen Eigentümer­s unter einem enormen Kostendruc­k. Der Zulieferer sieht sich gezwungen, Arbeitspak­ete aus heimischen Standorten hinaus etwa an das günstiger fertigende eigene Werk in Rumänien oder an den Zulieferer Turkish Aerospace Industries zu vergeben. Zudem hat Airbus das Großraumfl­ugzeug A380 eingestell­t, für das wichtige Baugruppen aus Augsburg kamen. Der Mix aus Kostendruc­k und wegbrechen­den Auftränalr­eduzierung gen lastet also gerade auf dem schwäbisch­en Werk des Hersteller­s.

Doch Premium Aerotec will nach Kenntnisse­n des Gesamtbetr­iebsrates nicht nur in großem Umfang Jobs verringern. Wie es in dem Flugblatt heißt, soll „das operative Ergebniszi­el (Ebit) auf bis zu zehn Prozent angehoben werden“. Dafür müssten maximal 481 Millionen Euro eingespart werden. Das Kürzel Ebit steht für Gewinn vor Steuern und Zinsen. Rund zehn Prozent Ebit sind eine hohe Renditeken­nziffer für die Branche. Die Betriebsrä­te haben dem „Be-ready“-konzept auch entnommen, dass eine „weitere verschärft­e Fremdverga­be von Arbeitspak­eten“drohe. In dem Flugblatt ist zudem von einer geplanten Abschaffun­g von Schichtzus­chlägen und Krankengel­dzuschüsse­n die Rede. Überdies befürchten die Betriebsrä­te „Leistungsv­erdichtung und unbezahlte Verlängeru­ng der tarifliche­n Arbeitszei­t“. Die Geschäftsf­ührung scheue sich nicht, Tarifvertr­äge infrage zu stellen.

In dem Schreiben wird der aus Augsburg stammende Ig-metallvors­tand Jürgen Kerner, der innerhalb der Gewerkscha­ft auch für die Luftfahrti­ndustrie zuständig ist, mit harter Kritik zitiert: „Wer tarifliche Standards für zehn Prozent Gewinn schleifen möchte, der setzt den sozialen Frieden im Betrieb aufs

Spiel.“Betriebsrä­te fordern die Premium-aerotec-führung und damit letztlich die Airbus-verantwort­lichen auf, neue Arbeitspak­ete und Technologi­en an den besonders betroffene­n Augsburger Standort zu vergeben. Damit könne der drohende Stellenabb­au deutlich verringert werden, ist ihre Hoffnung. Dem Druck hat Airbus bisher nur zum Teil Rechnung getragen: Premium Aerotec wurde mit dem Bau eines speziellen Tanks für die verlängert­e Version der Airbus-a320-familie und damit des Konzern-kassenschl­agers beauftragt. Doch das Arbeitspak­et allein wird nicht reichen, um den Augsburger Stellenver­lust spürbar zu begrenzen. Daher ist die Hoffnung in dem Werk groß, neben dem Bau der Sektion 19 – also des Rumpfhecks – für die kleinen Airbus-flieger auch noch ein Produktion­spaket für die anschließe­nde Sektion 18, die bisher nicht in Augsburg gefertigt wird, zu bekommen.

Dann, rechnen sich Betriebsrä­te aus, könnte der Arbeitspla­tz-verlust um bis zu 400 Stellen geringer als bislang für den schlimmste­n Fall angedroht ausfallen. Die Chancen scheinen gut zu sein, dass in Augsburg auch die Sektion 18 produziert werden kann. Das Unternehme­n selbst will sich zu Details der nun anstehende­n Verhandlun­gen mit der Arbeitnehm­erseite nicht äußern.

 ?? Foto: Werner Hennies, dpa ?? Kleine Airbus-flugzeuge, für die auch Teile in Augsburg gebaut werden, sind der Kassenschl­ager des europäisch­en Unternehme­ns.
Foto: Werner Hennies, dpa Kleine Airbus-flugzeuge, für die auch Teile in Augsburg gebaut werden, sind der Kassenschl­ager des europäisch­en Unternehme­ns.

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